Fiktiver Brief an eine Verkehrsgesellschaft:
Sehr geehrte Damen und Herren,
da ich nun schon seit Jahren immer wieder den Bus benutzen muss, um zur Arbeit und auch wieder zurück nach Hause zu kommen, da mir fernerhin aufgefallen ist, dass das Personal in den meisten Fällen unhöflich, kurz angebunden, ja manchmal sogar höhnisch ist, habe ich mich gefragt, ob es bei Ihnen ein Einstellungskriterium gibt, das diese Charaktereigenschaften beinhaltet. Zum besseren Verständnis schildere ich Ihnen hier erst einmal einige Situationen, die ich selbst erlebt bzw. beobachtet habe:
1.) Ich komme mit der Bahn an und weiß, dass mir für einen Fußweg von ca. 3 Minuten noch gut das doppelte an Zeit bleibt, um den Bus zu erreichen, den ich sogar an der Haltestelle stehen sehe. Ich mache mich also auf den Weg, hetzte trotzdem - man will den Busfahrer ja nicht vergrämen. Als ich um die Ecke biege und mir noch ca. 50 Meter bis zum Erreichen des Busses bleiben, sehe ich, wie sich die Türen schließen und der Bus vor meinen Augen losfährt. Habe ich da das Grinsen des Busfahrers im Rückspiegel gesehen oder waren meine Augen von dem mir in dieselben laufenden Schweiß getrübt? Ich bin mir nicht sicher.
Nun habe ich mehrere Alternativen: Entweder ich mache mich auf den Weg zur nächsten Haltestelle, immerhin habe ich noch 20 Minuten Zeit, wenn ich mich beeile, kann ich das gerade schaffen, allerdings muss ich dafür auch recht schnell gehen. Ich kann natürlich auch den nächsten Bus nehmen, der fährt allerdings, weil ich auf dem Lande wohne, ca. zwei Stunden später oder aber ich nehme mir ein Taxi, was auf Dauer allerdings ziemlich teuer wird.
Es ist mir auch schon passiert, dass einer Ihrer Busfahrer versuchte, ganz besonders freundlich zu sein - oder stecken die alle unter einer Decke und haben sich später über mich gemeinsam ins Fäustchen gelacht?, schließlich gab er mir den Rat, den Bus direkt vom Bahnhof aus zu nehmen, das würde mir den unerfreulichen Weg durch die Stadt ersparen und schließlich wäre die Abfahrtszeit auch strikt vorgegeben. Ich machte mich also am nächsten Tag auf den Weg zur Haltestelle, wo noch kein Bus stand, aber der müsste ja nach Aussagen des "netten" Busfahrers jeden Moment kommen. Er kam nicht und ich musste mir an diesem Tag tatsächlich ein Taxi nehmen.
2.) Ich stehe im strömenden Regen an der Haltestelle, kein Häuschen weit und breit, denn das wäre für Menschen, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, sicherlich viel zu viel Luxus. Da sehe ich den Bus um die Ecke biegen. Der Regen läuft mir schon in den Kragen, aber was soll's, schließlich bin ich gleich im Trockenen, habe ich zumindest gedacht. Ich habe aber die Rechnung ohne den Busfahrer gemacht. Der hielt zwar direkt vor meiner Nase, öffnete auch die Tür, ließ mich sogar erwartungsfreudig zwei Schritte in den Bus machen, bevor er mir erklärte, dass die Abfahrt erst in ca. 10 Minuten sei und er mich vorher nicht einlassen würde. Die Tür hätte er nur geöffnet, weil er dachte, ich hätte eine Frage. Also stand ich schwerbeladen weiterhin im Regen. Zumindest konnte ich mir das Duschen für diesen Tag sparen und brauchte Zuhause nur noch nach dem Handtuch zu greifen.
3.) Der Bus, den ich benutze, verfügt über Knöpfe, die den Fahrer zum Anhalten bringen sollen, was leider nicht immer klappt. Ein junges Mädchen drückte diesen Knopf in der Erwartung, dass er an der nächsten Haltestelle halten würde, tat er aber nicht. Als er die Haltestelle passiert hatte, ging ein Raunen durch die Fahrgäste, das Mädchen gab ein "Hey" von sich, aber auch das bewegte den Fahrer nicht dazu anzuhalten. Er hielt tatsächlich nur an Haltestellen, obwohl er offensichtlich einen Fehler gemacht hatte. An der nächsten offiziellen Haltestelle ließ er das Mädchen dann allerdings auch aussteigen. - Hatte ich wieder einmal das berühmte Lächeln im Rückspiegel gesehen? Ich bin mir auch in diesem Fall nicht sicher.
4.) Neulich lauschte ich einigen Jugendlichen zu, die, wie es Jugendliche wohl mit Vorliebe machen, den hinteren Teil des Busses besetzt hatten. Der eine sagte: "Hast du dein Handy schon ausgemacht?" Ich muss dazu sagen, dass direkt hinter dem Fahrer eine attraktive Frau saß, die intensiv an ihrem Handy hantierte. Offensichtlich kannte sie den Busfahrer aber auch persönlich. "Handy ausmachen," frage der andere Jugendliche nun verdutzt: "Weshalb denn das?" Weiß ich auch nicht," kam es zurück: "Wegen der Technik oder so. Jedenfalls hat er neulich zu mir gesagt, er würde mich nicht mitnehmen, wenn ich das Handy nicht ausmachen würde." Gibt es auch ein Einstellungskriterium Schikane, habe ich mich gefragt.
5.) Bei meinen Busfahrten konnte ich auch feststellen, dass mache Busfahrer es lieben, ihre Fahrgäste unter Druck zu setzen. Nicht verbal, nein, sie demonstrieren den Schließmechanismus der Türen, indem sie warten, bis jemand, der sowieso durch mehrere Einkaufstaschen gehandikapt ist, sich gerade in der Tür befindet, bevor sie den Schließmechanismus aktivieren. Wie oft sehe ich die Panik in den Gesichtern dieser Menschen, die Angst davor, mitgeschleift und vielleicht sogar schwer verletzt zu werden.
6.) Die Härte allerdings war, als ein Rollstuhlfahrer den Wunsch äußerte, mit dem Bus zu fahren. Der Busfahrer stand vor dem Bus neben ihm und frage ihn doch tatsächlich, wer ihm den hineinhelfen wolle. Auf das "Wären Sie vielleicht so freundlich?" kam nur: "Das ist nicht mein Job. Wenn Sie niemanden finden, können Sie eben nicht mitfahren." Dann drehte sich der Busfahrer zu einer Bekannten um und flüsterte ihr zu: "Die Spuren von den Rädern sind echt nervig. Ich muss das nachher wieder saubermachen. Was will der überhaupt? Es gibt doch auch Essen auf Rädern."
Fälle dieser Art könnte ich Ihnen noch viele schildern, aber ändern würde das sicherlich nichts. Meine Frage ist nun einfach: Gibt es bei Ihnen so etwas wie Einstellungstests, in denen bestimmte Situationen vorgegeben werden? Werden dann letztendlich die Personen eingestellt, die sich durch überragende Unfreundlichkeit und Unmenschlichkeit auszeichnen eingestellt oder aber bieten Sie Kurse an, damit Ihr Personal frühzeitig lernt, dass der Grundsatz: Der Kunde ich König nicht bei öffentlichen Verkehrsmitteln zählt?
Manchmal würde ich mir wünschen, den einen oder anderen Busfahrer in einer fremden Stadt auszusetzen, am besten noch im Rollstuhl oder durch andere Voraussetzungen eingeschränkt mit der Auflage, möglichst schnell einen gewissen Platz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Ich würde mich sogar dazu bereiterklären, auf dieser Strecke als Busfahrer eingesetzt zu werden. Ich glaube, ich würde es sogar genießen, diese Personen spüren zu lassen, was sie sich täglich so leisten.
Zum Schluss muss ich allerdings zugeben, dass es auch Ausnahmen gibt, Busfahrer, die einem Rollstuhlfahrer bereitwillig in den Bus helfen, die große Geduld mit Kindern und Jugendlichen aufbringen, die nicht vor der Zeit grinsend losfahren, obwohl die ältere Frau den Bus fast erreicht hat, die lieber über zufriedene Fahrgäste lächeln. Allerdings habe ich das Gefühl, dass diese Personen nicht lange in Ihrem Betrieb bleiben.
Ich wünsche Ihnen und Ihrem Fahrgastbeförderungsunternehmen möglichst wenig Fahrgäste und gebe Ihnen den Rat, neue Einstellungskriterien zu entwickeln.
Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, Ihr Unternehmen auf Schmerzensgeld zu verklagen. Vielleicht tue ich mich irgendwann mit anderen gestressten Fahrgästen zusammen und verwirkliche diese Idee, damit es für Sie richtig teuer wird.