Randbeitrag Schreibparty 82
Sehen
von
Schnief
Thema: (kein) Schnee
Vorgabeworte:
Insel, automatisch,Schneewehe
Lawine, perfekt, Vorsatz
Überraschung, Zuhause, Nein
Cover: Schnief
Genetisch bedingt wurde ich mit zwei hellblauen Augen geboren und zu meinem Glück mit keinerlei Sehschwäche. So erlebte ich eine Kindheit ohne Hänseleien, was leider damals noch sehr oft vorkam, besonders wenn es Streit gab. Erst in meiner 5. Dekade des Lebens benötige ich zu meiner Überraschung eine Sehhilfe für die Ferne, es ist nicht gravierend, erkennen kann ich zwar alles, doch mit der Hilfe wurde jede gesehene Schneewehe perfekt scharf und die Farben brillianter. Inzwischen merke oder empfinde ich immer wieder, dass alles so
Minikleingedrucktes mehr als eine Zumutung ist.
Lesen ist schon eine Leidenschaft von mir, bereits im Kindesalter begann ich nicht nur Kinderbücher zu verschlingen, die von Inseln oder Lavinen handeln. Nein auch jenes, die vorsätzlich zu Zuhause gesondert aufbewahrt wurden und nicht für Kinderaugen bestimmt waren.
Am Anfang hatte ich zwar einige Schwierigkeiten, doch diese
verloren sich rasch. Eines Tages ist mir eines aufgefallen, denn irgendwo habe ich mal gelesen, dass jemand der viel liest, kaum bzw. wenig Rechtschreibprobleme besitzen soll.
"Witz komm raus, kann ich nur sagen" hat bei mir nicht funktioniert.
Dazu fällt mir direkt unser Mathelehrer aus der Berufsschule ein, als der zu uns sagte: "Ihr seid zu blöd zum richtig Abschreiben". Heute gebe ich ihm recht, wir haben zwar die richtigen Worte an der Tafel gesehen und trotzdem
falsch übertragen. Ich kann jetzt eigentlich nur für mich sprechen, man sieht es oder auch nicht.
Meine eigenen Fehler sehe ich sowieso erst nach Wochen automatisch und denke oftmals dann schließlich, "Die Armen, die das jetzt lesen mussten".
Eines Tages wurde mir das Buch "Schmetterling in meinem Haar" geschenkt, ob ich auch wie die Autorin, zumindest im Babyalter Engel sehen konnte, das entzieht sich meiner Erinnerung. Eher würde ich sagen, Engel gibt es, sie
zeigen sich eher in anderen Formen als im Buch beschrieben. Sehen kann ich zwar das umherfliegende Blatt, doch spüre ich dabei einen ungewöhnlichen Windhauch.
In meinem bisherigen Leben habe ich sebstverständlich Vieles gesehen, im Alltag, auf Reisen diverse Sehenswürdigkeiten bei Städtetouren, das Meer und die Berge.
Im Alltag sieht man auch nicht alles und was mich seit einigen Monaten aufregt, sind die Spinnweben, die ich immer dann erst sehe, wenn wir
Besuch hatten, nicht vorher. Inzwischen bringe ich es fertig und lasse den Spruch los: "Sagt mir mal, wo Spinnweben hängen, ich bin zur Zeit einfach blind."
Die Natur faziniert mich, ich sehe dann nicht, sondern starre, man kann so manchesmal erkennen wie eine Blüte sich öffnet. Insekten die emsig ihr Tagesgeschäft betreiben, Schmetterlinge ganz still betrachten oder einfach den Wolken zusehen, die der Wind so vorbei treiben lässt.
Vieles schönes Weitere könnte ich jetzt stundenlang aufzählen, doch auch Ungerechtigkeiten sehe ich täglich, Unfälle zum Glück selten, außer ich schalte den Fernseher ein, denn inzwischen gibt es fast nur noch Negatives in den Medien zu sehen oder sage einfach "Unschönes".
Auf jedem Fall bin ich sehr dankbar, kann nur glücklich und zufrieden sein, dass ich unsere Welt, die immer in bezaubernden und den schönsten Farben erscheint, durch meine Sehkraft
sehen zu können und genießen kann.