Irgendwann...
Ich muss raus.
Raus hier!
Einfach nur raus,
aus der Gefahr,
die doch eigentlich keine ist,
aber das weiß ich doch nicht.
Ich muss weg,
weg von diesem „zu viel“...
zu viele Gedanken,
zu viele Emotionen,
zu viel Panik.
Weg von diesem „zu wenig“...
zu wenig Luft,
zu wenig Raum,
zu wenig
Ruhe.
Doch ich kann nicht.
Kann mich nicht bewegen,
somit auch nicht aufstehen,
zur Tür gehen,
aussteigen,
mich zeigen
will ich auch nicht,
denn sonst wüssten sie alle,
was gerade in mir vor geht,
sie würden starren, lachen
oder sich Sorgen machen,
mir steigt die Hitze ins Gesicht.
Ins Gesicht und in den Körper,
meine Gliedmaßen kribbeln,
die Wände scheinen sekündlich näher zu
kommen,
die Luft wird immer dünner.
Ich schnappe nach Luft,
zerquetsche den eigentlich nicht zerquetschbaren Igelball
mit einer Hand,
Anspannung auf Overload.
Vor meinen Augen
verschwimmt die Gegenwart
mit dem, was Ärzte und Mitmenschen
als „Vergangenheit“ bezeichnen.
Als würde es gerade passieren,
spüre ich deine Hände,
wie sie tasten,
wie sie meine Oberschenkel hinauf wandern.
Deine Zunge an meinem
Hals,
ich höre und spüre deinen Atem,
er riecht nach dem Bier von gestern
und Knoblauch
und du flüsterst mir ins Ohr:
„Das gefällt dir, was?“
Nein,
das gefällt mir nicht mal ansatzweise,
„NEIN!“, sage ich
aus dieser Erinnerung heraus
laut,
denn für mich ist das gerade alles
real,
ich erlebe es wieder,
jetzt,
in diesem
Moment.
Bitte,
hör einfach nur auf,
lass mich in Ruhe,
aber nein – du lässt mich
nicht los,
nicht in Ruhe,
nicht leben.
Viele Jahre ist es jetzt her,
doch wer behauptet,
Zeit heilt Wunden,
hat keine PTBS
und keine Empathie.
Einfach vergessen,
einfach nach vorne schauen,
einfach weiter leben,
doch dieses „einfach“ ist am
schwersten.
Blicke treffen mich,
Blicke von Menschen,
die mich zu kennen glauben,
weil sie meinen Namen wissen.
Menschen, die in Wahrheit
nichts, aber wirklich rein gar nichts
von mir wissen,
sie starren mich an,
erdolchen mich mit ihren Augen,
jeder Blick schmerzt
auf meiner Haut.
Sie atmen mir die Luft weg.
Ich muss raus.
Raus aus dem Bus,
der mich gefangen hält,
weil er nur an Haltestellen
hält
und nicht auf der Strecke,
selbst dann nicht, wenn ich halb verrecke,
ich muss raus.
Schon wieder diese Bilder.
Vergangenheit?
Gegenwart?
Wer weiß das schon!
Mir kommen die Tränen.
Ich möchte ein normales Leben führen,
mich in den Bus setzen,
von A nach B fahren,
ohne von der Vergangenheit eingeholt zu werden,
ohne das Gefühl, zu sterben,
ohne
Angst.
Wie jeder normale Mensch.
Ich möchte wieder lachen können,
freudestrahlend Luftschlösser bauen,
den Moment genießen,
meine Augen schließen
und wirklich nichts sehen,
nicht diese Bilder und Filme,
die sich aufdrängen,
spätestens, wenn ich die Gegenwart ausblende.
Ich möchte es genießen können,
in den Arm genommen zu werden,
und nicht völlig verkrampft darauf warten,
endlich losgelassen zu
werden.
Irgendwann...
ja, irgendwann wird das wieder so sein,
dann werde ich unbeschwert leben,
glücklich,
selbstbewusst sein
und Angst nur noch spüren,
wenn sie wirklich angebracht ist.
Nicht mehr zwischendurch,
auf Familienfeiern,
im Bus,
auf der Arbeit
oder wenn ich am Laptop sitze.
Irgendwann...
ja, irgendwann werde ich ankommen
auf dem Gipfel des Glücks
und das pure Leben
einatmen.
Und dann werde ich
die Arme ausbreiten
und mit einem Lächeln zu mir sagen:
„Siehst du?
Dein Weg war steil,
er war ermüdend
und stellenweise kaum zu bewältigen.
Du hast Pausen eingelegt
oder bist langsamer gegangen,
aber du hast auch die steilsten Passagen überwunden.
Und jetzt hast du es geschafft
und kannst die Aussicht genießen.“
Irgendwann...
ja, irgendwann wird das so sein,
davon bin ich
überzeugt.
Bis dahin aber
lasse ich mir Zeit
und halte mir dieses Ziel vor Augen,
so oft es nötig ist.