Der Weg
Irgendwann tut‘s nicht mehr weh...
Das wird jedenfalls immer gesagt, aber dieses Irgendwann ist ein Zeitfenster, was einfach schier unglaublich lang zu sein scheint.
Es ist nun schon einige Jahre her, aber der Graben, den es zu überwinden gilt, wird und wird einfach nicht kleiner! Du bist gestorben, hast eine Lücke hinterlassen.
Was bleibt sind Erinnerungen, Splitter an vergangene Tage, Wochen, Jahre, an denen wir unseren Spass, aber auch unseren Streit hatten. Hätte ich gewusst, dass es damals unser letztes Weihnachten zusammen
gewesen war, hätte ich es vielleicht nocht intensiver genossen. Zu sehr war ich noch mit mir und der Geburt meines Sohnes, deines Neffen beschäftigt. Alles war neu für mich. Auch für dich, denn du warst Onkel geworden und wolltest natürlich der Beste sein.
Bis dahin hast du dich aber nie getraut das zu zeigen, geschweige denn zu leben. Zu groß war deine Angst diesem kleinen Wesen weh zu tun oder es sogar fallen zu lassen. Aber an diesem Tag hast du endlich Initiative gezeigt und dich getraut deinen Neffen in den Arm zu nehmen. Nach drei Monaten Zögern und Angst wurdest du aktiv und hast dich schlussendlich getraut! Es gibt Gott sei Dank sogar ein Foto davon! ... Welch schöne Erinnerung! Ich kann mich noch immer nicht
sattsehen an diesem Foto ... du fehlst.
Ich glaube es war sogar ein richtungsweisendes Ereignis für deine Freundin. Ich glaube, sie sah endlich den Vater ihrer zukünftigen Kinder in dir und war bereit eure Beziehung auf eine andere Ebne zu bringen. Es war schon öfters im Witz über Hochzeit gesprochen worden, aber ich glaube, dieses Mal bedeutete ihr dieses Gespräch mehr als sonst. Sie wirkte ernster nachdem sie dich mit deinem Neffen gesehen hatte. Es war nicht nur mehr Witz, es war ernst geworden.
Du dachtest immer niemand könne dir etwas, doch nur ein paar Tage nach diesem
wundervollen Weihnachten wurdest du in deine Schranken gewiesen. Es hat nicht ausgereicht dir aufzuzeigen, dass du nicht unverwundbar bist, sondern du wurdest einfach jäh aus dem Leben gerissen. Ohne wenn und aber. Niemand hat gefragt, ob das so sein kann, so sein darf ... es ist einfach passiert!
An einer Verzweigung bist du gescheitert, bist ins Schleudern geraten und hast dein Leben an einem Baum gelassen. Das Zeichen für Leben, hat dir deines genommen...das rotbraune Rinnsal aus deinem Ohr hat es nur allzu deutlich klargemacht. Sterblich, verwundbar ... tot. So lagst du da, als ich mich das letzte Mal von dir verabschiedete.
Ich wollte wegrennen, einfach nur laufen, soweit mich meine Beine tragen würden, aber ich war mir bewusst, dass das den Schmerz nicht lindern würde. Ich war machtlos, denn du wurdest mir, uns, genommen!
Ohne wenn und aber, einfach genommen, eine Lücke hinterlassend. Wann schließt sich dieses Zeitfenster des Schmerzes?
Du fehlst ... immer noch, trotz der vergangenen Zeit fehlst du.
Für meinen Bruder- ich vermisse dich, du fehlst. Sehr ...