High-Tech
Ach, wie kam meine bessere Hälfte daher.
„Wusstest Du, dass man mit Kreuzwort-Rätseln und allen möglichen Preisausschreiben reich werden kann?
„Wie bitte?“
„Ich war gerade bei Frau Beslmüller, die hamstert einen Gewinn nach dem anderen.“
„Ja, ja, Geschwätz! Wir haben noch nie etwas gewonnen.“
„Kein Geschwätz! Ich war bei Ihr. Die hat den ganzen Keller voll. Lauter Gewinne! Vom Waffeleisen bis zur zum Ferrari.“
„Will sich nur wichtig tun!“
„Ungelogen“, versicherte sie.
Meine Zweifel waren nicht ohne.
Aber war es wirklich so?
Meine Holde überredete mich zu einem Kaffeekränzchen bei Beslmüllers.
Ich nahm also teil und Frau Beslmüller zeigte uns, was sie hatte. Der ganze Keller war mit Gewinnen hochgestapelt. Geräte, Porzellan, alles was gut und wertvoll war, zudem in Originalverpackung. Und als ich schließlich die Garage beäugen durfte, da blitzte mir ein Mercedes 300 SL mit Flügeltüren entgegen plus einem echten, rot blitzenden Ferrari.
„Alles Gewinne“, lächelte Frau Beslmüller. „Man muss nur bei entsprechend vielen Preisausschreiben mitmachen.“
Ich war geplättet.
„Frau Hausengold hat sogar ein ganzes Haus gewonnen“, ergänzte meine bessere Hälfte.
Wahrscheinlich wollte sie es mir extra zeigen.
Zu Hause war ich natürlich ausgeliefert.
"Ich habe hier 20 Hefte gekauft. Überall kann man gewinnen“, hechelte sie.
„Hier! Zum Beispiel eine Reise in die Karibik.“ „Was soll ich da?“
„Miesmuschel! Jetzt wird Kreuzworträtsel gemacht! Du machst mit“, befahl sie.
Ich warf einen Blick auf die geöffnete Seite. Eine High-Tech Jacke für Männer war abgebildet.
“Letzte Woche gab es ein Waffeleisen!“
„Du hast doch schon eines.“
„Aber nicht mit Sensoren und steuerbar über IPot. Da gelingen alle Waffeln!“
„Ist doch Blödsinn, ich habe zum Beispiel
noch gar kein IPot“, meinte ich.
„Ein modernes mit einer Atom-CPU war es“, weinte sie bei dem entgangenen Wunsch nach..
„Mit was?“
„Mit einem Super Prozessor, du Dödel!
Jetzt also los! Rätseln! Das Schiff der Argonauten?“
„Nautilus!“
„Blödsinn! Argo.“
„Junge Seerobbe mit dichtem Fell?“ „Welpenweste.“
„Blödsinn! Heuler.“ Ich heulte.
„Du machst gar nicht richtig mit.“
„Doch, schon.“
"Ich bin mal in der Küche. Du kannst derweil weitermachen."
Jahreszeitlich bedingter Blätterabfall.
Ich notierte: "Herbstlaub". Passte.
Na bitte, geht doch! Gefäß zur Reinigung. Eimer war zu kurz, also war es die Wasserdose. Ich kam gut vorwärts, aber auch irgendwann ins Straucheln. Gewundene Bergstraßen. Terpentinen. Die Hauptstadt von Italien: Pom.
Hauptstadt von Peru, natürlich Peruma.
Meine Holde kam zurück und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
„Was hast Du denn da angestellt? Wasserdose! Blecheimer muss es heißen. Deswegen heißt es auch Berlin und nicht Werlin.
"Ich hab schon an Merlin, den Zauberer gedacht, aber Masserdose konnte es ja auch
nicht sein."
"Hauptstadt ist Rom, nicht Pom."
Sie verbesserte dies und das.
„Es heißt nicht Hanthippe, sondern Xanthippe.“
„Aber dann stimmt doch Xelopan auch nicht.“ „Cellophan, weil es nämlich Exodus heißt und nicht Ehodus und Cicero, statt Xicero. Hauptstadt von Peru ist Lima“
„Es hat halt nicht anders gepasst“, maulte ich. "Außerdem stimmt bei Peruma und Lima wenigstens das ...ma."
Kurz und gut, meine bessere Hälfte fand das Lösungswort heraus. „Geschnetzeltes“. Typisch, war ja auch eine
Hausfrauenzeitschrift.
Sie schrieb eine Postkarte, klebte irgendwelche Bonusmarken auf, malte noch ein Blümchen und ich trug die Karte zur Post.
Ob sie es glauben, oder nicht, drei Wochen später kam ein Paket mit der gewonnen Jacke. Ich beschreibe nicht, wie sie triumphierte.
„Der letzte Schrei“, schrie sie.
„Alles High-Tech! Mit Sensoren, mit Sprachausgabe!
Zieh mal an. Wie ich mich freue! Jetzt gehst du los einkaufen. Was meinst du, wie die Anderen Dich beneiden.“ Sie zupfte noch am Kragen herum, dann wurde ich auf die Piste geschickt.
Die Jacke machte etwas her, das musste ich zugeben. Programmgemäße Freude!
Draußen kam die Sonne hinter Wolken hervor, aber kühl blieb es trotzdem.
„Peep,Peep. Innentemperatur zu kalt. Vorderen Reißverschluss von unten nach oben zuziehen!“
Ich zog zu.
Schließlich war ich im Supermarkt.
„Peep, peep, Innentemperatur zu warm. Vorderen Reißverschluss von oben nach unten aufziehen.“
Einkaufspassanten warfen die Köpfe herum. Ich öffnete.
Als ich gezahlt hatte, da hatten sich Wolken vor die Sonne geschoben. Es wurde noch
kälter.
„Peep,peep, Innentemperatur zu kalt. Vorderen Reißverschluss von unten nach oben zuziehen“
War ja logisch, klar. Ich zog zu.
Die Wolken verdunkelten den Heimweg. Plötzlich gingen Lichter unter der Viskosefaser an. LED Leuchten zwischen Karbonabdeckungen. Ich kam mir vor, wie ein wandelnder, blinkender Christbaum. Die Sensoren reagierten. Ein Dreikäsehoch kicherte und sagte zu seiner Mutter. „Guck mal, ein Clown.“
Ich blinkerte weiter.
„Peep,peep, nächste Straße rechts." "Ich werde doch noch selbst nach Hause finden, verdammt noch mal!"
Es fing an zu regnen.
„Peep, peep, Kapuze zum Schutz überziehen!“
Ich mag keine Kapuzen. Jeder Rapper kommt nicht mehr ohne aus, aber nicht mit mir! „Peep,peep“
Die Warnmeldungen blieben Scheiße.
Ich zog notgedrungen die Jacke aus, „Peep,peep“ und nestelte die Kapuze
aus der Falte.
Auch sie blinkerte.
Mann, kam ich mir blöde vor, aber sonst hatte ich ja nichts um mich vor den Regen zu schützen.
Wenigstens hatten die Autos auch schon die Scheinwerfer an. Vielleicht fiel ich da weniger auf. Ich wartete an der Bushaltestelle.
„Peep, peeb, noch drei Minuten.“
Ist ja gut!
„Peep, peep, noch zwei Minuten.“
Schließlich bestieg ich blinkend den Bus. Ging soweit alles soweit gut, nachdem sich die Fahrgäste wieder aus der Deckung aufgerichtet hatten. Ich war kein IS-Selbstmörder mit einer Sprengladung. Man glaubte mir schließlich.
Als der Busfahrer eine Vollbremsung wegen einem Radfahrer hinlegen musste, knallte die Jacke zur Sicherheit auf. Sie müssen sich das wie bei einem Airbag vorstellen. So stand ich im Bus als aufgeblasener Michelin-Reifen-Mann und blinkerte. Es war schwierig wieder auszusteigen, weil ich so aufgeplustert war. Der Bus fuhr weiter und mit ihm völlig
verdatterte Insassen.
Jetzt reichte es mir. Ich zog die High-Tech Jacke ganz aus. Da musste doch irgendwo ein verborgener Knopf sein. Ich tastete. Ich hatte ihn gefunden. Die Jacke zischte und fiel wieder in sich zusammen.
Ich hatte genug von diesem Ding.
Trotz herbstlicher Frische, schulterte ich die Jacke fröstelnd mit einem Finger am Aufhänger.
„Peep, peep, Jacke ungesichert. Bitte mitgeliefertes Vorhängeschloss benutzen!“
Der Gehsteig war mit nassem Herbstlaub übersät.
„Peep, peep, Vorsicht, Glätte.“
Jetzt war Schicht im Schacht. Ich drosch die verfluchte Jacke auf den Boden.
„Peep, peep, Überfall, Notruf aktiviert.“
Ich zog die Jacke blitzschnell wieder an.
„Ist ja schon gut, nur Ruhe“, sprach ich zu ihr.
Die Polizisten hatten mich über GPS schnell gefunden.
„Es ist nichts“, versicherte ich blinkend. „Wirklich?“
„Wirklich“, schrie ich.
Sie machten sich Notizen, fuhren aber gottlob wieder weg.
Erschöpft kam ich daheim an. Die Jacke hatte ich im Keller verstaut.
„Peep, peep, ungesichert. Bitte mitgeliefertes Vorhängeschloss benutzen!“
Ich riss das Futter auf und kappte alle kleinen Drähte.
„Peep, peep, Maul halten“, schnalzte ich.
„Wo hast du denn deine tolle Jacke?“
„Sie ruht, muss sich aufladen“, log ich.
„Na denn, Bärchen. Waren denn auch alle begeistert?“
„Neidisch waren sie alle“, versicherte ich.
Damit war sie zufrieden und warf sich an das nächste Kreuzworträtsel.
Vielleicht haben wir ja ein zweites Mal so viel
Glück.