Frau Träumerlich schreibt einen Krimi
"Warum schreibst du immer nur so weichgespültes Zeug", wurde ich schon des Öfteren gefragt.
"Warum nicht mal ganz was anderes? Einen Kriminalroman zum Beispiel."
Einen Krimi?
Ja, ja, das würde mich schon reizen. Ich weiß auch nicht, warum ich mich bisher noch nicht herangetraut habe. Es ist etwas, was mich fasziniert. Aber reicht Faszination aus, es zu tun? Ich meine, da gehört doch noch viel mehr dazu. Das ist
so, so....komplex, oder etwa nicht?
Mit dem "um die Ecke bringen" alleine ist es ja noch nicht getan. Wenn es als Mord durchgehen soll, tja - wenn schon, denn schon - bedarf es ja auch eines gewissen Vorsatzes und eines hinreichenden Motives. Na gut, mit niederen Beweggründen, da würde ich mich schon auskennen. Schließlich habe ich mal bei einer Versicherung gearbeitet. Das glaubst du nicht, was einem da alles - natürlich nur in Papierform - unter die Finger kommt.
Mein Kollege, der Franz, der hatte da so einen Spruch auf Lager:
"Der Sarg fällt zu, die Witwe kichert, er war bei ............. versichert."
Lustig, gell? Ja, ja, der Franz war immer
gut drauf.
Na, egal - das Abmurksen an sich wäre also nicht das Thema. Das müsste zu schaffen sein. Aber es gäbe ja noch soviel mehr zu beachten. Abtransport, Entsorgung, Irreführung der Kriminaler. Was für Kriminaler? Wenn ich solche einsetze wie Hubert und Staller, wird`s komödiantisch. Das muss ich um jeden Preis vermeiden, sonst kann ich es gleich lassen. Es muss hart werden, so richtig hart! Die Leser müssen von einem Grauen erfasst werden, dass sie sich nicht mehr trauen, alleine zum Pipi machen zu gehen. Vielleicht sollte ich irgendwas mit Sado-Maso ...., nein,
zerstückeln wäre gut. Am besten verbunden mit irgendeinem
Schweinkram, bevor....1
Ach was, alles schon mal dagewesen. Langweilig!
Ich muss die Psychoschiene fahren. Ich muss ganz normale Leute zu Monstern werden lassen. Nehmen wir einfach mal meine Fußpflegerin, die Frau Meieröder,
als Beispiel. Der Frau Meieröder würde ja niemand niemals nie irgendetwas Böses zutrauen. Die könnte aber doch irgendwann im Laufe ihrer Karriere als Fußpflegerin von... von...hm, von einer Fußpilzbakterie mit Namen Tinea Pedis
und Zweitnamen Caedis Cupiditas gebissen worden sein, worauf sie in der
ersten Stufe zu einer Zehenanomalie-Fetischistin mutiert und sich dann in der zweiten Stufe auf Hammerzehen spezialisiert.
Die Zehen ihrer Begierde sägt sie rigoros und mit großem Lustgefühl mit ihrer Feile von dem jeweiligen Zehenträger ab und konserviert sie in zuvor keimfrei desinfizierten Einmachgläsern mit rotkarierten Schraubverschlüssen. Und weil ihre Klienten, die auf diese Weise ihrer Zehen beraubt werden, so gar kein Verständnis für Frau Meieröders Art der
Lustgewinnverschaffung aufbringen, ist sie gezwungen, Strategien der Ganzkörperentsorgung zu entwickeln.
Auf der Grundlage dieses Gerüstes lässt
sich doch so einiges......
"Klingeling!"
Wer wagt es, die Konzentration einer hoffnungsvollen Kriminalromanautorin zu stören?
"Klingeling!"
Widerwillig bewege ich mich in Richtung Wohnungstüre. Da höre ich auch schon von draußen:
"Frau Träumerlich, ich bin`s nur. Haben sie denn unseren Termin vergessen?"
Oh, mein Gott. Frau Meieröder!
Die Bestie steht vor meiner Türe!!!
Ich lasse mich, so lautlos wie möglich, auf den Flurboden sinken und robbe zurück ins Wohnzimmer. Dort werfe ich mir die Couchdecke über meinen
zitternden Leib und finde ein Versteck hinter dem Kratzbaum meines verstört aus dem Fell blickenden Stubentigers. Ich schwöre, sollte ich diese akute Gefahrensituation überleben, ich werde schreiben, schreiben, schreiben.
Über alles, was meine Phantasie hergibt, doch niemals einen Krimi.
Versprochen!