Einleitung
Nach den Ereignissen in der fliegenden Stadt ist Galren Lahaye nach Hamad zurückgekehrt. Der Friede jedoch ist von kurzer Dauer und als er Opfer eines Angriffs wird, scheint es, als habe der Tod seines Vaters nur etwas viel gefährlicheres auf den Plan gerufen.
Währenddessen bleibt auch der Rest des Landes von den aufziehenden Schatten nicht unberührt. In Helike verlieren die Archonten immer mehr an Einfluss und die Jahrhundertealte Ordnung droht zu Staub zu zerfallen. Unfähig, den Urheber der Unruhen zu finden, bittet der
Archont Wys Carmine schließlich die Magier von Maras um Hilfe…
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Prolog
Er wusste weder wie weit er schon gegangen war, noch wie lange er schon ging. Tage vermutlich… Eine Woche… ? Hätte er so lange überhaupt überlebt? Selbst sein Name war nunmehr ein fernes Echo, während er seinem Ruf folgte.
Um ihn herum erstreckte sich nichts als brennender Sand. Die Luft über den weitläufigen Dünen flirrte und manchmal erzeugte sie sogar die Illusion von sich bewegenden Wasser. Doch so von der Sonne verbrannt und verzweifelt war er noch nicht, dass er sich ihnen hingab… Er hatte die See bereits vor einer
Gefühlten Ewigkeit hinter sich gelassen, die blauen Gestade, die gegen die Mauern einer großen Stadt brandeten… Wie war ihr Name? Er hatte sein leben dort verbracht, er müsste es doch wissen… Doch mit jedem Schritt den er weiter in die Wüste tat, schien seine Vergangenheit mehr und mehr zu nichts zu schwinden, schmolz in der Sonne und rann davon wie der Schweiß der ihm auf der Stirn stand.
Der namenlose Wanderer blieb einen Moment stehen und suchte den Horizont ab. Kein Zeichen von dem, den er suchte. Eine Briese, die jedoch nur Flugsand und keine Kühlung brachte, trieb ihm die zerschlissene Robe um den
Körper. Einst hatte sie im Blau der Archivare gestrahlt… der Archivare von Helike. Ja, das war der Name an den er sich kaum erinnern konnte. In der Hitze war das einst strahlende Blau jedoch ausgebleicht und siegelte nun eher die Farbe des Himmels wieder. Trocken, warm wie alles hier.
Unter der Kapuze und dem Schal, den er sich als Schutz vor den häufigen Stürmen tief ins Gesicht gezogen hatte schienen seine sanften, grauen Augen zu leuchten und die ganze Gestalt des Mannes war so dürr, das sie mit dem Flimmern in der Luft zu verschwinden schien. Sein Gesicht, obwohl noch jugendlich, wirkte ausgezehrt und müde
und einige Strähnen braunen Haares das an den Spitzen bereits ergraute, fanden ihren Weg unter der Kapuze hervor. Sein Alter war kaum zu schätzen, wirkte er doch jung und auf eine unbestimmte Art gleichzeitig älter als er sein konnte. Schwerfällig tat er einen weiteren Schritt und griff nach dem Wasserschlauch, der um seine Mitte hing.
Als er ihn zum Mund hob um zu trinken war es warm, fast ungenießbar, trotzdem trank er. Und er würde weitergehen, denn er war gerufen worden.
Die Visionen hatten ihn fast einen Monat gequält und jetzt wo er ihnen folgte, da wurden sie nur intensiver, trieben ihn Vorwärts, wie die Peitsche eines
missgünstigen Herrn. Selbst jetzt am Tag konnte er sie sehen, wenn er die Augen schloss. Die Träume vom roten Heiligen. Und doch der Sinn des Ganzen, das Ziel das ihm versprochen wurde…
Er hatte immer lebhaft geträumt, ja, daran konnte er sich erinnern. Und Visionen… Ja manchmal waren seine Träume auch wahr geworden. Doch meist waren sie Banal gewesen. Und erträglich.
Nicht so wie diese hier, die nicht mehr von ihm ablassen wollte.
Der Träumer überwand sich zu einem weiteren Schritt. Angst den Whaid zu begegnen hatte er keine. Die Vision hatte ihm viel verraten. Auf seinem Weg
würde ihm kein Leid geschehen. Selbst die handtellergroßen Skorpione wichen vor ihm zurück, wenn er auf ihre Nester trat und keine Schlange biss ihn obwohl er barfuß ging. Seine Schuhe waren schon viele Meilen zuvor zerfallen. Nur sein eigener Wille war sein Feind. Das war die große Prüfung. Ob er bis zum Schluss gehen oder vorher umkehren würde…
Seine Füße sanken in den kochend heißen Sand. Die Sonne brannte unerbittlich. Und als er wieder aufsah, war er nicht mehr alleine.
Die Hitze schien dem Mann der dort vor ihm am Fuß einer Düne stand nichts zu bedeuten. Obwohl sie sich zum ersten
Mal von Angesicht zu Angesicht begegneten, erkannte er sein gegenüber. Aus den Träumen… Selbst seine Kleidung war dieselbe. Ein dunkles mit Pelz besetztes Wams von dem mehrere Goldketten hinab hingen. In das Ende jeder einzelnen war, fast wie ein blutendes Auge, ein Rubin eingelassen. Es kostete den Träumer Überwindung aufzusehen und in das Gesicht seines Gegenübers zu blicken, wusste er doch schon, was er dort finden würde. Die Haare waren von einem dunklen rotbraun, fast wie geronnenes Blut und quer über das Gesicht zog sich das Mal. Es war rot, im Vergleich zur restlichen eher bleichen Haut des Mannes stach es
hervor wie Feuer. Über den Hals und das Kinn bis hinüber über ein Auge erstreckte sich die Zeichnung. Ob es eine Narbe war oder einen anderen Ursprung hatte, das wusste er nicht zu sagen. Nur das er es überall erkennen würde. Ein Finger nur , der diesem Mann aufgelegt worden war und sich für immer eingebrannt hatte.
In der Hand hielt der Mann eine Sense, doch war diese mehr Symbol als Waffe. Auch das hatten ihm die Visionen gezeigt. Der rote Heilige war gekommen um zu Ernten…
,,Hallo Kind…“ Er trat auf ihn zu wie ein Freund, mit ausgebreiteten Armen, wie jemand, den er seit Jahren kannte
und nicht nur durch quälende Träume. ,, Ich habe lange nach jemanden wie dir gesucht. Wir haben viel zu bereden und ich dir viel zu zeigen…“
Der Träumer versuchte etwas zu sagen, doch die Worte wollten nicht kommen. Seine Kehle fühlte sich an wie Staub und vielleicht hatte er in der Einöde sogar das Sprechen verlernt. Doch der Heilige sagte nichts, kein Wort der Schande, sondern reichte ihm nur einen Wasserschlauch.
Fasziniert und erschreckt zugleich stellte er fest, dass das Wasser Eiskalt war, als stamme es grade erst aus den Tiefen eines Brunnens. Aber sie waren mitten im Nirgendwo… Er hatte zuvor nicht
daran gezweifelt, dass dieser Mann etwas Besonderes war, wenn er ihn so Rufen konnte. Doch wie es aussah konnte er geradezu Wunder vollbringen…
Zitternd ergriff der Träumer seine Hand und sank auf die Knie. ,, Dann lehre mich Herr…“
Wie zur Antwort legte der rote Heilige ihm eine Hand auf den Kopf. ,, Wie ich schon sagte. Vor uns liegt viel Arbeit. Also erhebe dich mein erster Diener…“
Mit den Worten kam das Feuer, das durch seine Adern zu fließen schien bis jede Faser brannte. Die Hitze der Wüste erschien ihm plötzlich wie die Kälteste Nacht, als noch seine letzten Gedanken
verschwanden. Aber er hieß den Schmerz willkommen. Dieser Mann war hier um zu Ernten. Und er würde es sein, der ihm vorausging und die Saat ausbrachte…
,, Erhebe dich Träumer…“