Prolog - Lied der verzweiflung
Im grell aufflammenden Morgenrot eines noch so jungen Tages starb die Nacht einen prächtigen Tod. Die orange leuchtenden Grashalme beugten sich dem sanften Wind und auch das Getreide auf den Feldern hatte ihm nichts entgegenzusetzten, tanzte mit den Zweigen der Apfelbäume, deren Blätter sich bereits bunt verfärbt hatten und von Zeit zu Zeit kraftlos zu Boden segelten, um sich mit dem Farbenmeer zu vereinen, das zu ihren Wurzeln wogte. Das Plätschern eines Baches vereinte sich mit dem Chor des singenden Laubes zu einer harmonisch melancholischen
Melodie, die über die kleinen, gedrängt beieinander stehenden Hütten hinwegschwebte und tiefe Traurigkeit zurückließ.
Das Dorf brannte.
Mächtiger grauer Qualm bahnte sich fast lautlos seinen Weg durch die bereits beschädigten Dächer und Fenster, kringelte sich ein als wäre er lediglich einer Herdstelle entsprungen und stieg weiter zum Himmel auf, wo sich bereits eine graue Schicht gebildet hatte, die inzwischen begann das gerade erst erwachende Sonnenlicht daran zu hindern, zum Boden durchzudringen. Das Feuer knisterte leise, während es das trockene Holz verschlang. Nichts rührte
sich. Kein Leben.
Mit hastigen Flügelschlägen bahnte sich eine Schwalbe den Weg durch die Rauchschwaden. Der kleine Vogel flatterte angestrengt, ließ in unregelmäßigen Abständen einen lieblichen Laut erklingen, in dem bittere Verzweiflung mitschwang. Denn das Tier war allein, durch die Kriegswirren von seinem Schwarm getrennt worden, von allen verlassen. Kraftlos ließ sie sich auf einem der bereits kahl gewordenen Zweige nieder, zuckte unruhig mit dem Kopf, hielt nach Vertrautem Ausschau und sah doch nur Tod und Zerstörung.
Die Welt hatte sich geändert, war zu etwas Bedrohlichem geworden, zu einem
Ort der Furcht, einer Grotte des Hasses, einem Meer aus Verzweiflung. Allein konnte keiner lange überleben und zusammen wollte man es nicht. Mutlos schüttelte die Schwalbe ihr Gefieder und stimmte einen letzten Gesang an, so voller Trauer und Schmerz, dass er die Wolken zum Weinen brachte. Eine Himmelsträne klatschte auf einem heißen Stein auf und verdampfte in wenigen Herzschlägen. Dann trommelten die Tropfen auf die Erde nieder, schlugen gegen die wenigen noch erhaltenen Fenster und stürzten sich durch die Löcher im Dach auf das Feuer, das sich zischend und fauchend wehrte; vergeblich.
Und als das letzte Glutnest gelöscht war, verstummte der Vogel mit einem Mal als hätte er das Singen schlagartig verlernt. Matt war sein einst so prächtiges Gefieder geworden, hatte seinen Glanz verloren. Trübe blickten die Augen in die Ferne. Ein letzter hoffnungsloser Ton entwich dem zierlichen Schnabel, dann ergab sich der kleine Körper dem Wind, fiel vom Ast herab in die Tiefe, während der Schwalbe Seele ihrem zuletzt gesungenen Lied folgte, einem Lied das aus purer Verzweiflung in die Welt entsandt worden war und dennoch einen Keim der Hoffnung gesät hatte.
© Fianna 17/11/2015