Fantasy & Horror
Wächter verlorener Vergangenheit (3) - Nur ein Kessel

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"NaNoWriMo 2015"
Veröffentlicht am 13. November 2015, 36 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Ich ...bin Österreicherin ...studiere Archäologie, Germanistik und Geschichte ...vertrage Kritik, solange sie begründet und ehrlich ist ...lese quer durch viele Genres ...glaube anders als Max Frisch und ähnlich wie Bert Brecht dass Literatur sehr wohl (wenn auch nur in geringem Maße) dazu beitragen kann, gesellschaftiche Veränderungen zu erwirken
NaNoWriMo 2015

Wächter verlorener Vergangenheit (3) - Nur ein Kessel

Nur ein kessel

Etwas verlegen hob Riva die Schultern. „Es ist ja nicht so, dass ich nicht wüsste, wie wertvoll solche Dinge sein können, aber nach Sophias Reaktion hätte ich doch zumindest mit einer Waffe oder vielleicht auch menschlichen Überresten gerechnet.“ Ihr Vater wiegte leicht den Kopf hin und her. „Der Kessel liegt verkehrt in einer Verfüllung, hauptsächlich wohl von Kies bedeckt, was seinen guten Zustand erklärt. Zumindest vom Fuß des Kessels können wir das sagen. Das ist das einzige, was wir bisher freigelegt haben.

Es wäre also durchaus denkbar, dass sich darunter auch Knochen oder Waffen befinden.“ „Sowas haben wir doch schon mal wo gefunden“, fiel dem Mädchen da ein und es überlegte, wo das gewesen war. Bevor sie hierhergekommen waren, waren sie viel herumgereist, immer nahe der Berge und abseits der Zivilisation. Eine Stadt hatte es bisher nie zu Gesicht bekommen; ab und an mal ein Dorf, aber auch das meist nur von außen. „Das war doch in diesem Waldstück, wo wir auch den Wagen freigelegt haben“, führte sie ihren Gedanken fort, woraufhin Andreas zustimmend nickte. „Ja, wir haben ein paar Dinge gefunden,

die darauf hingewiesen haben, dass sich dort mal ein Kessel befunden hat, wenn du dich richtig erinnerst. Ebenso Überreste von Schwertern und Pfeilen und ein paar Knochen. Aber über die genaue Lage der Dinge konnten wir damals nur Mutmaßungen anstellen. Jetzt haben wir vielleicht die Gelegenheit es so zu sehen, wie es in die Erde gekommen ist.“ Während er gesprochen hatte, hatte ihr Vater eines seiner Notizbücher aus einem bedrohlich schwankenden Stapel herausgezogen und darin geblättert. Als er die gesuchte Seite gefunden hatte, hielt er seiner Tochter das Büchlein hin. „So habe ich es damals gezeichnet,

allerdings liegt wesentlich mehr Interpretation als Wissen darin, da sich schwer sagen ließ, ob Knochen und Waffen tatsächlich absichtlich in den Kessel oder besser gesagt unter den Kessel gelegt wurden.“ Bewundernd fuhr Riva mit den Fingerspitzen die klaren Linien auf dem dünnen Papier entlang. Sie hatte nie so richtig verstanden, wie man es so hinbekam, dass die Objekte wirklich greifbar aussahen. Sie schienen fast aus dem Blatt herauswachsen zu wollen. Abgebildet war ein einfacher Kessel und zwar so, dass man sehen konnte, dass darunter ein Schwert, mehrere Pfeile und ein paar Knochen platziert worden

waren. Man konnte quasi durch eine Hälfte der Kesselwand hindurchsehen. Noch etwas, das Riva so bisher nie hinbekommen hatte. Sie beschäftigte sich generell lieber mit den alten Schriften als mit der Anfertigung solcher Zeichnungen, wie zum Beispiel auch Kjell sie recht gut hinbekam. Schließlich schüttelte das Mädchen den Kopf. „Ich verstehe dennoch die Aufregung nicht. Man hätte dieses Artefakt doch durchaus heute noch innerhalb weniger Atemzüge aus dem Boden reißen können.“ Den Blick, mit dem er sie auf diese Worte hin maß, vermochte sie nicht

recht zu deuten. „Du verbringst anscheinend zu viel Zeit mit den Büchern“, meinte er dann. „Das, was wir tun, dient letztlich dem Erhalt dieser Gegenstände, natürlich, aber immer, wenn wir etwas finden, wenn wir etwas freilegen, es ausgraben, zerstören wir dabei auch viel. Aus diesem Grund müssen wir uns auch genau ansehen, wie das ganze liegt, wie das Rundherum aussieht. Wir können nicht einfach hingehen und die Objekte herauszupfen wie Blumen. Einmal zu fest gezogen und das gesamte umliegende Erdreich kommt mitsamt der Wurzel heraus oder aber das Artefakt selbst wird zerstört und das ist das letzte, was wir

wollen.“ „Natürlich“, erwiderte Riva und erhob sich. Es war nicht das erste Mal, dass er ihr das erklärt hatte, aber er hatte wohl Recht, dass sie zu viel Zeit mit dem Studium der alten Schriften verbrachte. Dadurch verlor man manchmal den Blick fürs Ganze. „Ich werde dann mal schlafen gehen. Gute Nacht.“ Leise zog sie sich zurück. Auch die anderen hatten sich zum größten Teil bereits schlafen gelegt. Nur zwei Personen saßen noch am Feuer, da es von unbedingter Notwendigkeit war, dass es nicht ausging. Immerhin war es ihre einzige Licht- und Wärmequelle. Sobald sie bei ihrem Lager angekommen war,

erkannte sie, dass Kjell die Decke, die sie ihm vorhin gegeben hatte, sorgfältig gefaltet auf den lediglich mit Stroh und ein paar weiteren Tüchern gepolsterten Brettern abgelegt hatte. Flugs schlüpfte sie aus ihren Stiefeln, legte den Mantel ab und ließ sich dann mitsamt ihren restlichen Kleidern auf dem improvisierten Bett nieder. Mehrmals musste sie ihren Mantel zurechtrücken und zusammenknüllen, damit er ein einigermaßen angenehmes Kopfpolster wurde. Zwei der Decken breitete sie über sich aus, drehte sich dann auf den Rücken und starrte an die Decke. Hoffentlich würde Roland bald auftauchen. Er wurde hier dringend

benötigt. * Unruhiges Stimmgemurmel und hastige Schritte rissen Riva aus einem tiefen, traumlosen Schlaf. Blinzelnd öffnete sie die Augen, die morgens immer leicht brannten, dann richtete sie sich auf. Hinter ihrer Wand aus Kisten verborgen, konnte sie nicht sehen, was im Hauptraum vor sich ging, weshalb sie sich alsbald erhob, ihren Mantel überwarf und zum Feuer schritt, wo sich wiederum ein paar Leute versammelt hatten. Diesmal wirkten ihre Gesichter jedoch weniger feindselig als

besorgt…und traurig. „Was ist los?“ Riva musste ein Gähnen unterdrücken, doch es schien ohnehin niemand auf ihre Frage antworten zu wollen. So suchte das Mädchen nach Kjell, der sich allerdings nicht hier am Feuer befand. Auch ihren Vater konnte sie nirgends ausmachen. Sie spürte allerdings ganz deutlich die Anspannung, die von allen Besitz ergriffen hatte. Gerade als sie begann sich zwischen all diesen verspannten Gesichtern unwohl zu fühlen, trat Kjell in den Raum. Er war kreidebleich, noch bleicher als sonst und selbst aus der Ferne konnte Riva erkennen, dass er recht wackelig auf den Beinen stand. Hastig eilte sie zu ihm hin

und ergriff ihn am Arm. Man konnte ja nie wissen. Es war nicht gerade das angenehmste, auf diese Boden umzukippen. „Was ist passiert, Kjell?“, quetschte sie ihn aus, nachdem sie ihn auf eine nahestehende Kiste verfrachtet hatte, doch, obwohl er den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, so brachte er doch kein Wort heraus. Bevor sie weiter auf ihn eindringen konnte, kehrte der Rest ihrer Gruppe zurück. Zwischen sich, auf einer improvisierten Bahre trugen sie eine mit Tüchern verdeckte Gestalt. Stirnrunzelnd und mit plötzlich beschleunigtem Herzschlag durchquerte das Mädchen den Raum und wollte mit

zitternden Händen nach dem Tuch greifen, um es zur Seite zu ziehen, doch ihr Vater ergriff sie entschlossen am Arm und schüttelte den Kopf. Riva wollte etwas sagen, doch genau wie zuvor bei Kjell wollten keine Worte aus ihrem Mund kommen. Das konnte nur Roland sein. Kraftlos versuchte sie sich, von ihrem Vater loszureißen, um näher an den verdeckten Körper heranzutreten, während ihre Augen sich langsam mit Tränen füllten. Sie hasste es zu weinen, doch in diesem Augenblick ließ es sich einfach nicht verhindern. Hatte Hoimar nicht gesagt, Roland würde hier auftauchen und sie mitnehmen? Sie sollte es doch sein, die bald sterben

sollte, nicht er. Das konnte doch nicht tatsächlich wahr sein. Sie musste noch träumen. Warum wachte sie nicht auf? Warum? „Es scheint, als hätte sie versucht, den Kessel zu bergen“, erklärte da ihr Vater mit leiser Stimme den anderen. „Er ist fast gänzlich freigelegt. Aber es sieht so aus, als hätte sie es nicht geschafft, einen Blick darunter zu werfen, ehe…“ Er verstummte und fuhr sich zerstreut mit der Hand über das Gesicht. Riva jedoch war nun irritiert. Sie? Der Kessel? „Wer ist es?“, fragte sie da freiheraus, wenn auch mit leicht brüchiger Stimme und unser großer Kraftanstrengung.

Hoimar wandte sich zu ihr um und seine ruhige Stimme klang wie aus weiter Ferne zu ihr. „Sophia.“ Erleichterung breitete sich in Riva aus, dicht gefolgt von beißenden Schuldgefühlen. Sophia war so lange ein Teil ihrer Gruppe gewesen. Mit den Jahren waren sie alle zu einer Art Familie für Riva geworden und dennoch, konnte das Mädchen momentan nichts anderes denken als besser sie als Roland. „Wie ist das passiert?“, drang da Monikas Stimme in ihre Gedanken. „Sie war doch gestern noch völlig gesund. Wie ist das passiert?“ Während sie sprach, trat sie mit

anklagend deutendem Finger auf Andreas zu, der neben der verdeckten Leiche stand. „Hast du es etwas getan, weil sie nicht deiner Meinung war?“ „Monika“, schalt Hoimar wie immer mit ruhiger, aber eindringlicher Stimme. „Niemand von uns würde so etwas tun. Wir sind keine Mörder. Außerdem weist sie keinerlei Verletzungen auf. Ich habe sie genau untersucht. Es gibt keine Wunde. Sie scheint einfach nicht mehr weitergeatmet zu haben.“ „Das ist doch lächerlich“, entgegnete Monika, trat entschlossen auf den leblosen Körper zu und riss ihr das Tuch vom Gesicht. Dort lag sie, ihr langes

Haar zerzaust, die Augen geschlossen, als würde sie nur schlafen. Doch Riva, die nahe genug stand, um den Leichnam sehr genau betrachten zu können, sah, dass an ihrem Mundwinkel ein kleiner roter Streifen zu erkennen war, der sich über ihre Wange nach unten zog. Blut. Auch Hoimar schien das nun erst bemerkt zu haben, denn er trat stirnrunzelnd näher und betrachtete die Spur. „Das war vorher noch nicht da“, murmelte er vor sich hin, mehr zu sich selbst als zu den anderen. „Sie scheint etwas Giftiges zu sich genommen zu haben. Anders kann ich mir das nicht erklären.“

„Wieso sollte sie das denn tun“, mischte sich da einer der anderen ein, den Riva anhand seiner erstickten Stimme nicht identifizieren konnte. „Das ergibt doch keinen Sinn und woher sollte sie Gift haben. Wir haben ja nicht mal mehr ausreichend Essen für die nächsten Monate. Wo soll sie so etwas also herbekommen haben?“ Hoimar hob nur ratlos die Schultern. „Ich habe nur festgestellt, was sich uns zeigt. Wie es dazu kommen konnte, ist eine Frage, deren Antwort wir wohl erst finden müssen. Aber solange die Sache nicht geklärt ist, fasst niemand diesen Kessel an, verstanden?“

Bei seinen letzten Worten musterte er jeden einzelnen kurz ausführlich und wartete von jedem ein Kopfnicken ab. „Was sollte das denn mit dem Kessel zu tun haben?“ Diesmal war es Gunther, die diese Frage gestellt hatte, der näher getreten war und Sophias Leiche nun auch genauer besah. Riva konnte erkennen, dass seine Augen leicht wässrig waren, wie wohl auch ihre eigenen und die der meisten anderen. Nur drei gestatteten sich, tatsächlich leise zu weinen. Alle anderen hielten die Tränen zurück, um sie später im Stillen allein zu vergießen. „Vielleicht gar nichts“, antwortete Rivas

Vater mit einiger Verspätung. „Aber Fakt ist, dass Sophia ihre letzten Atemzüge in dessen Nähe getan hat und es nicht überlebte. Ich will nicht, dass noch einer sein Leben verliert, nur um herauszufinden, ob der Kessel irgendwie damit zu tun hatte oder nicht. Das wäre es nicht wert. Also bitte, haltet euch von ihm fern. Am besten verriegeln wir die Tür, bis wir wissen, was da wirklich vorgefallen ist.“ „Aber was ist mit unseren Forschungen? Wir können doch nicht einfach dasitzen und nichts tun. Der Kellerraum ist der einzige, den wir noch nicht fertig untersucht haben. Und der Kessel deutet doch klar darauf hin, dass wir unserem

Ziel schon recht nahe sind. Wir können das jetzt nicht einfach so aufgeben.“ Zustimmendes Gemurmel erhob sich, doch als Hoimar die Hand zum Zeichen für Ruhe hielt, verstummten alle und sahen ihn an. „Wir geben nicht auf, aber es spielt für unsere Forschungen keine Rolle, ob wir heute zum Ziel gelangen oder erst morgen. In diesem Fall halte ich es doch für wichtiger, unsere eigenen Sicherheit einem schnellen Erfolg vorzuziehen.“ Wiederum wurde Gemurmel laut, bis Monika fragte: „Und was machen wir mit Sophia? Bei dem Wetter können wir keinen Scheiterhaufen errichten und es sieht

nicht so aus, als würde der Schneesturm bald abflauen.“ „Wir werden uns etwas überlegen“, erklärte Andreas bestimmt und wies dann ein paar Leute an, die provisorische Totenbahre anzuheben und ihm zu folgen. „Solange werden wir sie in einen der oberen Räume bringen. Dort sollte es kalt genug sein, um den Leichnam eine Weile zu erhalten. Wir können nur hoffen, dass das Schneetreiben bald aufhört, aber das liegt nicht in unserer Macht.“ Die kleine Prozession setzte sich in Bewegung. Andreas schritt voraus. Ihm folgten zwei Männer mit der Bahre und

es schlossen sich auch noch vier der anderen an. Der zurückbleibende Rest verstreute sich bald. Hin und wieder war ein ersticktes Schluchzen zu hören. Ansonsten blieb Stille zurück. Auch Hoimar war geblieben und hatte sich seufzend und mit angespannten Gesichtszügen ans Feuer gesetzt. Kjell ließ sich neben ihm auf der Bank nieder, die lediglich aus einem über Kisten gelegten Brett, das mit Fellen bedeckt war, bestand. Riva wusste nicht so recht, was sie nun tun sollte. Sie hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil sie sich gewissermaßen darüber gefreut hatte, dass es Sophia war und nicht Roland. Dennoch, obwohl sie jene

zierliche Frau nie so richtig gemocht hatte, so war sie doch eine der ihren gewesen. Sie sollte sich schlechter fühlen aufgrund ihres frühzeitigen Todes. Weshalb konnte sie das nicht. Sie hatte mehr das Gefühl, als täte es ihr leid, dass die anderen eine gute Freundin verloren hatten, nicht der Verlust jener Person an sich. Was war bloß los mit ihr? Wütend auf sich selbst wandte das Mädchen sich vom Feuer ab und schritt mit langen Schritten durch den Raum. Am Ausgang nahm sie eine Fackel mit und zog sich dann an jenen Ort zurück, der ihr hier abgesehen von den stürmischen oberirdischen Gefilden der

liebste war, wenn es darum ging, nachzudenken oder einfach nur allein zu sein. Manchmal erdrückte sie die Gesellschaft von Menschen einfach. Bücher hingegen blieben stumm, solange man nicht dazu bereit war, ihre Worte zu vernehmen. Sie drängten sich einem nicht auf und passten sich der Stimmung an, in der man sich in ihre Welt wagte. Auf diese Weise spendeten sie oft mehr Trost als ein Mensch es vermocht hätte, wie Katzen. * „Sturmumtost das Tal der Leere, Flüsse schon im Quell versiegen,

kahle Äste stumm sich biegen, während abseits, nah am Meere, die Wellen längst den Strand besiegen, ihn verzehren rücksichtslos. Haltlos rückt die Flut heran, peitscht den Stein, verrenkt die Bäume, tötet ungeträumte Träume, denn vor Angst das Blut gerann, denen, die auf Meeres Schäumen kämpften, schwammen, hoffnungslos. Von harten Wellen die Planken zersplittert, den Kurs verloren im Dunkel der Nacht, bangend die Stunden beisammen

verbracht, das Schiff unter mächtigen Böen erzittert, ehe das Schicksal ein Ende erdacht, zerschmettert, ertränkt, erbarmungslos. Der Sand er umfängt die vom Meere Gebannten, umspielt die Fremden mit knirschender Stimme, ersticht sie dann zögernd mit eiskalter Klinge, mit ihnen die Hoffnungen, die lodernd einst brannten. Und gegen den Sturm fliegt die Schwalbe als singe sie gegen dies Unrecht laut

an. Furchtlos.“ „Du liest gut.“ Erschrocken zuckte Riva zusammen und konnte gerade noch verhindern, dass das kleine Büchlein, in dem sie gelesen hatte, ihr aus der Hand fiel. Ihr Herz pochte wild und das Blut rauschte ihr in den Ohren als sie sich umwandte und Kjell im Türrahmen stehen sah. Er hatte sich an die Mauer gelehnt und die Arme verschränkt. Sein Blick ruhte zwar auf ihr, wirkte aber verklärt, so als wäre er gedanklich gerade ganz wo anders. Nachdem sie einmal geblinzelt hatte, verging dieser Ausdruck in seinem

Gesicht und er trat in den Raum ein. „Du hast dir da nicht gerade etwas Aufheiterndes ausgesucht“, meinte er und ließ sich auf einer Kiste nieder. „Ich wollte auch keine Aufheiterung“, entgegnete Riva und setzte sich ihm gegenüber, wobei sie das Buch vorsichtig auf dem massiven Eichenholztisch ablegte. Kjell sah sie nur schweigend an. Als er sich bewusst wurde, dass er sie anstarrte, wandte er verlegen den Blick ab und deutete auf das Buch. „Es sieht schön aus“, meinte er, woraufhin das Mädchen nickte. Er hatte durchaus Recht. Auch wenn die Seiten schon ziemlich abgegriffen waren und der Schweinsledereinband seinen

einstigen Glanz bereits verloren hatte, so strahlte das ergraute Weiß doch eine gewisse Erhabenheit aus. Die Ecken waren mit Eisen beschlagen und auf der Vorderseite war eine Schreibfeder eingeprägt worden, die vermutlich früher einmal mit Blattgold verziert gewesen war, das aber inzwischen zum größten Teil abgeblättert war. „Eigentlich ist es viel zu wertvoll gemacht, dafür wie abgegriffen es ist. Es sieht so aus, als hätte sein Besitzer es andauernd mit sich herumgeschleppt.“ „Als ob du das nicht auch am liebsten tun würdest“, gab Kjell mit einem Grinsen zurück. „Ich habe dich schon öfter darin blättern

sehen.“ „Beobachtest du mich etwa?“, fragte Riva scherzhaft, was dem jungen Mann eine leichte Röte ins Gesicht trieb, was aufgrund der schlechten Beleuchtung allerdings nur zu erahnen war. „Natürlich nicht“, stotterte er und verstummte dann wieder, da er nicht recht wusste, was er sagen sollte. So breitete sich ein unangenehmes Schweigen zwischen den beiden aus. Das nur vom gelegentlichen Zischen der Kerzen durchbrochen wurde. „Ich dachte vorhin, es wäre Roland“, gestand das Mädchen da, ohne den Freund anzublicken. Jener zuckte hilflos mit den Schultern, sagte aber nichts,

weshalb Riva fortfuhr. „Und ich war erleichtert als ich realisiert hatte, dass es Sophia ist.“ Nun hob sie den Kopf und blickte Kjell direkt in die Augen, um zu sehen, was er davon hielt. Sie wusste selbst, dass sie so eigentlich nicht hätte denken dürfen. Jedes Leben war wichtig. Dennoch hatte sie es irgendwie jemandem sagen müssen und Kjell war einer der sehr sehr wenigen Menschen, denen sie wirklich vertraute. Selbst wenn er sie nicht verstand, so würde er sie zumindest nicht verurteilen. Dessen war sie sich sicher. „Und deshalb fühlst du dich jetzt schuldig?“, wollte jener jetzt genauer

wissen, wobei seine Stimme sehr neutral klang, wie das Mädchen es erwartet hatte. Er bildete sich erst spät ein Urteil über Dinge und Menschen. Deshalb konnte man sich so gut mit ihm unterhalten. „Ich versuche, mich schuldig zu fühlen, weil es sich wohl irgendwie so gehört, aber es ist nicht wirklich wahr. Es tut mir leid für die anderen, die sie wirklich gern hatten, aber für mich war sie zwar durchaus wichtig als ein Teil unserer Gruppe, aber in all den Jahren hatte ich dennoch nie besonders viel mit ihr zu tun, so sonderbar das auch klingen mag.“ Kjell schwieg, streckte dann den Arm aus und nahm das Buch in die Hand, in

dem Riva zuvor laut gelesen hatte. Nachdenklich blätterte er es eine Weile durch, verharrte auf manchen Seiten und besah sie sich genauer. „Sie war nicht besonders umgänglich“, meinte er dann und gab ihr den schön gebundenen Gedichtband zurück. „Man kann nicht jeden Menschen mögen, auch wenn man täglich miteinander zu tun hat.“ „Dennoch sollte es mich doch härter treffen. Immerhin haben wir doch einiges zusammen durchgemacht.“ „Es ist nun mal so wie es ist, Riva“, gab Kjell zu bedenken. „Du musst niemandem etwas vormachen.“ „Vermutlich“, meinte jene nur und erhob

sich dann, um unruhig auf- und abzuschreiten. „Ich wünschte nur, Roland würde endlich auftauchen.“ „Er wird schon noch kommen, das hat auch mein Vater gemeint“, merkte Kjell an, woraufhin das Mädchen nickte. „Das hat er mir auch gesagt, aber ich habe dennoch kein gutes Gefühl dabei.“ Ehe der andere etwas erwidern konnte, fügte sie noch hinzu: „Aber genug gejammert, kommst du mit und siehst dir mit mir den Kessel an?“

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Fianna
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EagleWriter Also ist der Kessel doch etwas gewöhnlicher... wenn auch vielleicht nicht ganz normal ^^ Aber irgendwie war mir schon klar, das Roland nicht der ähm DIE Tote gewesen ein kann, schon alleine wegen Hoimars Andeutungen. Rivas inneren Konflikt mit dem ganzen hast du auch gut eingefangen, auch wenn das wohl noch lange nicht ausgestanden ist.... Und ob es eine gute Idee ist die Warnung ihres Vaters zu ignorieren und sich den Kessel auf eigene Faust anzusehen...
lg
E;W
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Fianna Weshalb nicht, immerhin ist es ein ganz gewöhnlicher Kessel. ;-)

Danke für's Lesen, den Kommentar, die Coins und den Favo!

Liebe Grüße
Anna
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Traurig aber verzichtbar. ich mag die Feder Anspielung. Ich bleib dabei un hoffe auf mehr lg Ameise
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Dankeschön für's Weiterlesen, den Kommentar und den Favo!

Liebe Grüße
Anna
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