Humor & Satire
Bildungsempfehlung

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"Ein DElterngespräch, wie es wohl heute leider immer noch stattfindet"
Veröffentlicht am 31. März 2015, 12 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.
Ein DElterngespräch, wie es wohl heute leider immer noch stattfindet

Bildungsempfehlung


Der Lehrer sitzt etwas unruhig auf seinem Stuhl hinter dem Pult, in einen Klapphefter starrend. Es tritt ein Ehepaar ein, welches nur aufgrund der Haut- und Haarfarbe nicht als deutschstämmig identifizierbar ist. Er erhebt sich mit einem aufgesetzten Lächeln. „Frau und Herr Al Assad. Schön dass sie Zeit gefunden haben heute hierher zu kommen. Ich denke sie sind sich der Bedeutung der heutigen Unterredung bewusst?“ Sie setzen sich, da ihnen der Mann die

kleinen Plätze vor dem Tisch zuweist. Beide sitzen nun etwas weniger erhöht, wie er es tut. „Es geht um Zenas Versetzung, nehmen wir doch an?“, fragt der Vater ruhig in klarem deutsch. „Exakt.“ Er tut so, als würde er groß blättern, obwohl es nur 2 Seiten im Hefter gibt. „Also die Noten…“ „Ja, ihre schlechteste Note ist eine 2 in Englisch. Aber keine Sorge, das schafft sie auch noch“, antwortet die Mutter strahlend, sichtlich stolz auf ihre Tochter, ebenfalls in akzentfreiem deutsch. „Ja…wissen sie es ist eine

Prognoseentscheidung, was ich empfehle. Und die Noten sind ja das Eine, aber…“ „Hat sie denn Probleme mit den Mitschülern?“, fragt der Vater etwas unruhig. „Zuletzt war Asha oft bei uns zu Besuch, aber auch Nina und Jule immer wieder. Sie integriert sich super auch bei den deutschen Mitschülern“, versichert die Mutter schnell und mit deutlicher Bestimmtheit im Unterton. „Das mit den Mitschülern ist ja so eine Sache, da kann man wohl nichts sagen…aber… Arbeiten sie beiden eigentlich?“ Die Eltern blicken sich verdutzt

an. „Ich muss alle Umstände in Erwägung ziehen bei meiner Beurteilung. Und das schließt das familiäre Umfeld ein.“ „Ich bin Atomökonom“, erklärt der Vater knapp. Dabei zuckt der Lehrer zusammen und macht den schnellen Vermerk Terrorist. „Und die warte Frau Gemahlin, also es ist nicht schlimm, wenn sie nur Hausfrau sind, das ist ja auch ein ehrenwerter Beruf, das muss man schon sagen, meine Mutter…“ „Ich bin Lehrerin am Gymnasium der Nachbarstadt; Französisch und Biologie“, hakt sie mit etwas beleidigtem Unterton

ein. Der Lehrer wird leicht blass um die Nasenspitze. „Oh, Frau Kollegin, ich wusste ja nicht…“ Er besinnt sich aber sehr schnell wieder auf sein preußisch korrektes Prozedere. „Welche Sprache sprechen sie daheim mit ihrer Tochter?“ „Wir haben sie mehrsprachig aufgezogen. Deutsch, persisch und auch französisch. Aber meist sprechen wir deutsch mit ihr, und immer deutsch, wenn sie Freudinnen zu Besuch hat.“ Der Lehrer lockert seinen Kragen. „Welchen Glauben haben sie?“ „Ich verstehe nicht, was das in einer

pluralistischen Werteordnung für eine Rolle spielen soll“, meint der Vater demonstrativ. „Ich mache nur meinen Job und auch solche Fragen sind wichtig. Also? Christen? Juden?“ „Muslime.“ Das Wort Terrorist unterstreicht er nun doppelt. „Beabsichtigt ihre Tochter in Zukunft ein Kopftuch zu tragen?“ „Sagen Sie mal, wollen Sie uns in eine stereotype Ecke drängen?!“, fragt der Vater nun etwas lauter und erhebt sich leicht. Seine Frau hält beschwichtigend den Arm, der Lehrer rückt leicht nach

hinten. „Warm hier drin…nicht wahr…“ Sein Smartphone vibriert leicht. „Oh, sie entschuldigen mich kurz…“ Vor der Tür öffnet er die Sarrazin App. „Na dann mal sehen. Muslime, der Vater arbeitet mit Materialien, mit denen man eine Atombombe herstellen kann, vielleicht trägt die Tochter irgendwann mal Kopftuch. Eltern stammen beide aus dem Iran. Mal sehen was die App da empfiehlt…“ Anzeige: Höchstens Realschule, hohe Gefahr für die deutsche

Allgemeinheit. „Verzeihen Sie, das war die Schulbehörde. Ja, was soll ich sagen? Es sieht zwar nicht schlecht aus, aber ehrlich gesagt, ich denke es ist ein hohes Risiko, wenn wir dem Kind die Empfehlung für das Gymnasium geben. Ich würde ihnen die Realschule empfehlen.“ „Wieso? Kommt das, weil wir Muslime oder keine Deutschen sind?“ „Ach was…jetzt malen sie mal nicht den Propheten an die Wand. Ich meine…na sie wissen schon. Sie ist ja jetzt noch recht gut…“ „Die Beste ihres

Jahrgangs.“ „Aber man muss ja auch an die Zukunft denken. Und das wird ja nicht einfacher und da habe ich schon manches Kind mit besseren Noten scheitern sehen.“ Die Eltern erheben sich. „Ja, danke für die Empfehlung, aber wir glauben kaum, das wir ihr folgen sollten.“ „Haben sie das etwa in ihrer Heimat nicht gelernt, was Folgsamkeit bedeutet?“ Der Vater tritt entschlossen auf den Lehrer zu. „Was sind Sie denn für ein

Rassistenar…“ „Liebling!“ „Sie beleidigen mich! Das ist wohl normal in Kaputtistan! Hilfe! Wenn sie mit ihrer Tochter auch so umgehen, dann steht morgen das Jugendamt vor der Tür!“ „Sie sind ein ganz armer Mann!“, ruft die Frau, als sie ihren erbosten Mann durch die Tür gedrängt hat. „Von solchen Muselmanen lass ich mir doch nicht das Land der Dichter und Denker kaputt machen. Wer kommt als Nächstes? Maria, Durchschnittsnote 3, beide Eltern berufstätige Deutsche. Ja, also ich denke einer Bildungsempfehlung für das Gymnasium steht da nichts

entgegen…“

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RogerWright
Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.

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Fianna Könnte ich mir gut vorstellen, dass das heute noch so in der Art abläuft manchmal.

Liebe Grüße
Anna
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright 
Ja das tut es immer noch, wenn man den Statistiken und manchen Erfahrungsberichten Glauben schenkt. Es gibt leider immer noch Pädagogen, die in solchen Schubladen denken.
Beide Eltern berufstätig dann darf das Kind aufs Gymnasium, egal wie doof es ist, denn die können es mit Nachhilfelehrern praktisch zukleistern.
Wenn das Kind Migrationshintergrund hat, dann kein Gymnasium.
Wenn das Kind Eltern hat, die Sozialhilfe empfangen, dann gehört es nicht aufs Gymnasium, beide letzte Kathegorien undabhängig vom Bildungsstand des Kindes.

Da mag man sich fragen, wie sich so ein evidenter Verstoß gegen die Chancengleichheit und das Leistungsprinzip immer noch halten kann.
Vor langer Zeit - Antworten
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