A New Girl Is In Town
„Ihr Mann hat sich beim Bleistiftanspitzen den scharfen Dingerich in sein Auge gerammt?“
„Jetzt nicht ganz. Also momentan, müssen Sie wissen, da ist es sehr stressig daheim. Unsere Tochter ist gerade in ihrer schweren Phase und naja, da haben wir keine wirklich durchschlafenen Nächte mehr. Und mein Mann sagt immer im Büro kann er ja schlafen. Ja und er ist eingeschlafen nach dem anstrengenden Spitzen und dann…sowas passiert bestimmt öfter?“, fragte Frau Katzenmaier mit einem hoffnungsvollen Unterton.
„Nein“, antwortete ich kurz angebunden.
„Ehrlich?“, fragte sie und knöpfte ihre Bluse etwas auf. Dummerweise gab es darunter nichts Interessantes zu erblicken.
„Frau Katzenmeier, wie lange kennen wir uns schon?“, fragte ich in professionellem Tonfall eines eiskalten Versicherungsheinis.
„8 Jahre, oder so?“
„8 Jahre, 3 Monate und 7 Tage ist es her, da Sie und ihr reizender Gatte in unser Unternehmen kamen und ich ihnen beiden dieses Versicherungspaket anbot. Ich habe seinerzeit alles genau
berechnet. Frau Katzenmeier“, ich atmete theatralisch aus, ließ eine kleine Pause verstreichen, die eine Ewigkeit war, „Ihr Gemahl ist Beamter bei der Stadt im Baudezernat. Es gibt allerdings nur noch Außenbereiche, da darf man fast nichts bauen und innerstädtisch ist praktisch alles zugekleistert mit allem, was das Auge beleidigt. Es ist wahrscheinlicher, dass er an einem chronischen Boreout stirbt als das, was ihm geschehen ist. Solche extremen Verletzungen sind nicht abgedeckt, tut mir leid.“
„Das ist…oh…“, meinte sie enttäuscht und schloss die Bluse, was für alle Beteiligten eine Erleichterung war.
„Tut mit leid aber da werden sie beide alleine mit klarkommen müssen.“
Zerknirscht erhob sie sich. „Trotzdem danke“, schniefte sie und verschwand wieder. Ich hasse solche Termine, aber sie sind leider in meiner Branche unvermeidlich. Es kam oft vor dass Dinge geschahen, mit denen niemand rechnete und erst dann fiel einem auf, dass man sich dagegen nicht versichert hatte. Ich kann berechnen, wie wahrscheinlich bei jedem noch so absurden Beruf gewisse Unfallschäden eintreten und die Betreffenden haargenau versichern, natürlich sind solche Unfälle jenseits des Normalen
recht häufig, aber was kann ich dafür, wenn sich die Leute nicht an die Gesetze der Wahrscheinlichkeit hielten?“
Es klingelte. „Ja?“
„Hey Arno, wir haben eine neue Süße bei uns arbeiten. Die ist ein gerät, kann ich dir sagen, die könnte bei mir mal gerne die Bettfalten…“
„Erich! Kannst du mal aufhören mit deinem Genital zu denken?!“, rief ich in den Hörer meines Diensttelefons.
„Komm schon, die ist bestimmt total nett.“
„Kein Interesse.“
Am anderen Ende der Leite schnaufte jemand verächtlich. „Du Hornochse! Deine Alte ist vor 3 Monaten mit einem
anderen Kerl durchgebrannt und als ihr die Scheidung eingereicht hattet ist sie gestorben, wegen eines Herzinfarktes beim Höhepunkt mit ihrem spanischen Besamer. Himmel Hergott, such endlich mal eine Neue!“
Fast wäre mein Bleistift abgebrochen, so fest hatte ich ihn bei diesen Worten auf das Papier vor mir gedrückt.
„Sie hat alles falsch gemacht! Eine Affäre hätte sie erst 6 Monate später anfangen dürfen, mit einem Afrikaner, den sie im Lusturlaub in Nigeria kennen lernt. Der Kerl hat unsere Terrasse repariert! Erik verstehst du nicht?! Dieses Schema passt auf eine Anwaltsfrau in Kalifornien. Sie hat gegen
die Wahrscheinlichkeitsrechnung verstoßen! Sie hat exakte Berechnungen misshandelt, das Stück!“
„Du kommst sofort rüber, die Neue stellt sich vor und du wirst bestimmt ihr Tutor, also Schnauze und schwing deinen Arsch rüber!“
„Wie ihr alle wisst ist Frau Berger letzten Monat in den Ruhestand gegangen. Endlich haben wir einen würdigen Ersatz gefunden. Frau Lieblich ist unsere Neue Angestellte in der Abteilung Schadensberechnung. Aber Sie wollen bestimmt ein paar Worte an ihre Kollegen richten, nicht wahr?“, fragte unser Chef Schleimig mit öligem
Grinsen.
„Danke, sehr gerne“, klang es wie klingelnde Glöckchen zwischen ihren Schmollmundlippen hervor.
„Mein Name ist Lavendula Lieblich. Ich bin Diplommathematikerin und dies ist mein erster Schritt in die freie Wirtschaft. Ich hoffe, dass wir alle gut miteinander auskommen. Das war es“, meinte sie etwas verlegen zu Schleimig.
„Entzückend, wirklich. Da Sie neu sind bekommen Sie einen erfahrenen Kollegen zur Seite gestellt. Das wird unser guter Arno sein. Ich hoffe er langweilt sie nicht zu Tode. Wenn doch, kommen Sie bitte in mein Büro, meine Tür steht für Sie immer sperrangelweit
offen.“
„Genau wie sein Hodenstall“, raunte mit anzüglichem Grinsen mein Kollege Erik.
„Dann mal weiter. Es wollen ein paar Leute von uns beschissen werden!“, gab Schleimig die inoffizielle Parole unserer Niederlassung aus uns alle begaben sich zu ihren Arbeitsplätzen zurück. Die Herren etwas langsamer, da sie noch ein paar Blicke auf die Neue warfen.
„Folgen Sie mir, Frau Lieblich“, sprach ich unbewegt zu ihr und stapfte zu meinem Schreibtisch. Sie dagegen schwebte auf kleinen Wolken über dem Fußboden, glitt förmlich dahin, vollkommen mühelos mit ihren langen, schlanken Beinen. Nur leise klackerten
ihre Absatzschuhe. In dem engen Einteiler wippte ihre Hüfte bei jedem Schritt und alle Männeraugen wippten mit, als folgten sie einem Pendel, das ein Arzt vor ihnen schwang.
„Haben Sie Durst? Kaffe?“, fragte ich in monotoner Höflichkeit.
„Ein Wasser bitte. Ich versuche gerade vom Kaffee runter zu kommen. Außerdem sagte Herr Schleimig, dass sich alle hier beim Vornamen ansprechen. Lavendula“, offerierte sie mir mit einem strahlenden Lächeln und hielt mir ihre Hand mit den feingliedrigen Fingern entgegen.
„Arno Schneider“, meinte ich und gab ihr einen labberigen Kumpelhändedruck.
Den festen für Kunden wollte ich hier nicht nutzen.
„Diplommathematikerin, was? Was war ihr Gebiet?“
„Wahrscheinlichkeitsrechnung. Ich habe meine Arbeit über die Zukunft der Wahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der Quantenphysik geschrieben.“
Sie lächelte verlegen hinter den Gläsern ihrer feinen Designerbrille und ich wurde ein wenig geil.
„Ich…klasse. Ich kannte bisher keine Frau, die sich dafür interessiert.“
„Mit Wahrscheinlichkeiten kann man so aufregende Dinge treiben“, hauchte sie lasziv und wackelte etwas unruhig auf
ihrem Drehstuhl.
„Das…“, meine Brillengläser beschlugen, „ja, aber kommen wir mal wieder zurück zu den wesentlichen Dingen hier. Soll ich Ihnen, äh, dir unser Berechnungsprogramm erklären?“
„Nichts lieber als das!“
Als Lavendula kurz auf Toilette war empfing ich eine Mail von Erik, der mir mit unmissverständlichen Zeichen bedeutete, was er mit unserer Neuen gerne machen würde. Anstelle ihn, wie immer, zurecht zu weisen, antwortete ich, dass ich sie auch nett fand.