Gedichte
Scheidungskind

Der Knabe war ein Scheidungskind,

wie es viele auf der Erde sind.

Seine Eltern erzählten ihm irgendwann,

sie seien nicht länger Frau und Mann,

sie wollten getrennte Wege gehen.

„Das wird viel besser, du wirst es sehen.“

Tränen sind ihm in die Augen geschossen,

sind langsam über sein Gesicht geflossen.

Er fragte sie: „Ist es meinen Schuld,

dass ihr beide euch nun trennen wollt?“

„Nein, versicherten beide in sanftem Ton:

„Wir reden davon sehr lange schon.

Jetzt aber musst du dich entscheiden,

wen von uns kannst du besser leiden?

Sag uns, bei wem du leben willst,

bei wem von uns du dich wohler fühlst.“

Was sollte der Knabe darauf sagen?

Wie konnte man ein Kind so was fragen?

Er war doch nur ein kleines Kind,

für das beide Eltern wichtig sind.

Seine Mutter nahm ihn in den Arm.

Er fühlte sich geborgen und warm.

Der Vater sprach von Fußballspielen.

Er sprach von tieferen Gefühlen,

von dem, was er mit seinem Sohn machen will.

Der Knabe weinte weiter still.

Wie sollte er sich bloß entscheiden?

Er konnte beide sehr gut leiden.

Er liebte beide wie ein Kind,

für das die Eltern das Wichtigste sind.

Der Knabe hat von einem zum anderen gesehen.

Er konnte sei einfach nicht verstehen.

Weshalb wollten sie sich scheiden lassen?

Er war noch jung, konnte das nicht fassen.

Aber entscheiden wollte er sich nicht.

Die Tränen liefen über sein Gesicht.

Er hat geweint, die ganze Nacht.

Er hat darüber nachgedacht.

Schon früh am nächsten Morgen dann

erklärte dieser kleine Mann:

„Wenn ihr euch trennt, haltet mich daraus.

Ich ziehe zu Oma in ihr Haus,

weil ich mich nicht entscheiden kann.

Ihr könnt mich besuchen dann und wann.“

Liebe Eltern, wenn ihr merkt, es geht nicht mehr,

macht es euren Kindern nicht so schwer.

Zeigt ihnen, dass ihr sie sehr liebt,

dass es daran keinen Zweifel gibt.

Zwingt aber das Kind nicht zu entscheiden,

bei wem es sein will von euch beiden.

Buhlt auf keinen Fall um euer Kind,

weil Kinder sehr sensibel sind.