Sie kennen sicher Bram Stoker’s „Drakula“. Ich auch. Viele meinen, dass der Name von Fürst Vlad III. Tepes Draculea, dem Pfähler herrührt. Das mag schon sein. Tatsächlich führte er auf noch grausamere Weise Krieg gegen die einfallenden Horden der Osmanen, wie sein Vater Fürst Vlad II Dracul (für Drachen). Er lebte von 1431 – 1476, wurde also nur 45 Jahre alt.
Sein Sohn, wie gesagt "verfeinerte" noch die Bestialität.
Und nun?
Glauben sie etwa, dass ein Schriftsteller, der noch dazu nie in den Karpaten gewesen ist, der nur in ein paar Büchern blätterte, etwas von der Sache verstehen konnte? Ich sage nein! Autorengeschmier!
Die Wirklichkeit ist noch viel schlimmer!
Nicht umsonst wurden Klingeln in Särge eingebaut, heutzutage mit elektrischem Alarmsystem ergänzt. Es gibt sie, welche auferstehen, die Untoten. 1724/25 wurde sogar eine regelrechte Vampirepidemie gemeldet.Sie betraf das Dorf Kisolova im östlichen Zentralserbien.
Ob diese Epidemien in einem bestimmten Rhythmus auftauchen, habe ich noch nicht explizit beweisen können.
Außer der etwas blassen Hautfarbe sind sie sehr schwer zu erkennen. Diese Vampire muss man reizen. Wenn sie in Wut geraten, dann klappen erst die verborgenen Reißzähne aus, so dass man sie sehen kann. Vor allem
das Problem der Zahnpflege der einklappbaren Reißer hielt mich lange Zeit gefangen. Konnten sie die Hauer nur putzen, wenn sie wütend waren? Hatte der Vampir immer einen Kulturbeutel mit Zahnbürste dabei, bevor er speiste? Oder hatte ich es mit einer Art Selbstreinigung zu tun?
Auch habe ich lange experimentell nachzuweisen versucht, ab welcher Lumenstärke es für einen Vampir unangenehm wird und ab welcher sie leiden und schließlich zerfallen. Petroleumlicht war natürlich nie ein Thema, sondern nur Sonnenlicht. Die Technik ist aber weiter entwickelt worden. Heutzutage haben wir LED Lampen, sogar Laser. Sie werden zugeben, dass dies einen wichtigen, sehr weiten
Forschungsbereich eröffnet.
In meiner Nachbarschaft bin ich nicht sonderlich beliebt. Meine Nachbarin, sie hat eine ekelhaft blasse Hautfarbe, habe ich zum Beispiel abends mit einem Halogenstrahler erschreckt. Sie hat furchtbar geschrieen, denn ich habe sie außerdem angebrüllt, schon aus Selbsterhaltungstrieb. Sie nahm kreischend Reißaus. Sie konnte also nur ein Neben-Vampir sein. Wäre sie einer der Vampirfürsten gewesen, hätte sie zu Staub zerfallen müssen. Ich notierte alles in meinen wissenschaftlichen Aufzeichnungen. Wie reagieren also Neben-Vampire auf Halogenlicht? Offensichtlich ist es nicht tödlich. Irgendwann werde ich den Versuch wiederholen, dann aber mit LED oder
Laserlicht. Die Versuchsanordnung mit dem Laser muss ich noch verschieben, solange ich nicht genügend Investoren finde, um mir ein solches Gerät leisten zu können.
Der erste Versuch zeigte jedenfalls: Sie musste eine Neben-Vampirin, oder Unter-Vampirin sein. Das mit dem Knoblauch ist eine Volkslegende. Ich habe der Nachbarin einen ganzen Strang vor die Tür gelegt und sie ist ohne zu Stolpern einfach darüber hinweg gestiegen. Dann hat sie den frischen Knoblauch, ich achte dabei sehr auf Qualität, einfach in die Mülltonne geschmissen.
Es gab natürlich Schwierigkeiten mit den Behörden, das muss ich zugeben.
Grober Unfug war noch eines der harmloseren Anschuldigungen. Die blasse Nachbarin hatte
eine Bannmeile gegen mich erwirkt, obwohl ich fortwährend vor ihr warnte. Auch wollte man mir anhängen, dass ich mit irgendwelchen Grabschändungen zu tun gehabt hätte. Dabei hatte ich nur wichtige Überprüfungsexpeditionen im nahegelegenen Friedhof für meine Forschungen unternommen.
Nun aber muss ich mein Dilemma klagen. Ich kam mit meiner Forschungsarbeit einfach nicht weiter.
Da durchfuhr mich der erleuchtende Geistesblitz. Der Hund, der treue Freund des Menschen, hat eine außergewöhnliche Nase. Er wird als Spürhund, als Kampfhund eingesetzt und daher musste einer her.
Natürlich ein Bluthund. Eine andere Rasse kam gar nicht in Frage.
Er könnte die wahren Vampire finden, erschnüffeln. Ich meine die Vampir-Grafen, also die ganz alten. Im Tierheim wurde ich fündig.
Und ich muss sagen, ich habe einen Glücksgriff getan. Ich nannte meinen van Helsing-Helfer Jet Li, den Vollstrecker.
Ich begann die ersten Trainingseinheiten mit alten, vermoderten, Blut getränkten Lappen, die ich versteckte und die er finden sollte. Das klappte vorzüglich.
Abgesehen davon, dass ich es leid war mir ständig Wunden zuzufügen, musste ich sowieso zu den höheren Weihen der
Ausbildung wechseln.
Ich grub also eine Leiche an dem besagten Friedhof aus und zerstückelte sie. Die einzelnen Teile versteckte ich in der näheren Umgebung. Jet Li fand sie alle. Alle bis auf eines. Die Mülltonne wurde gerade weggefahren, als Li anschlug. Na ja, um den einen Fuß ist es nicht so tragisch. Das Herz hingegen erschnüffelte er als erstes, obwohl ich das Versteck als echt schwierig bezeichnen muss. Wer kommt schon darauf, dass tief unter dem Sand des Spielplatzes etwas zu finden wäre.
Li war wirklich gelehrig.
Natürlich musste ich ihn nun darauf abrichten
etwas halbtotes zu finden. Auf den Unterschied kam es an. Schließlich wollte ich den Untoten an den Kragen, natürlich nur zum Wohle der Menschheit.
Ich begann mit der Einladung von Obdachlosen zu uns. Sie sind ja quasi die letzte Vorstufe.
Nachdem die ersten drei Aspiranten durch den Übungsparkur für Jet Li sozusagen aufgebraucht waren, fand ich einen weiteren „Freiwilligen“. Er sah prima heruntergekommen aus. Sein komischer Mantel war praktisch nur ein schmieriger Lappen.
Er löffelte anstandslos die Suppe mit dem Schlafmittel, wie die Anderen vorher auch.
Ich wollte also vorgehen, wie es sich bewährt hatte. Frisch sozusagen.
Mit dem kleinen Finger begann ich. Ich war geschickt und gab mir Mühe. Es floss praktisch kein Blut. Den Finger fand Li auch sofort, obwohl ich ihn im Stadtpark nahe dem Springbrunnen eingegraben hatte. Frohlockend gingen Jet Li und ich nach Hause. Es war Abend geworden, die Sonne gerade untergegangen, und so konnte ich die Beute, den Finger in irgendeiner Mülltonne entsorgen. Jet Li bellte, aber ein blutiges stück Schweinefleisch beruhigte ihn wieder. Mit einem Habs war die Belohnung heruntergeschlungen.
Ich begab mich dann mit meinem
Hundeassistent wieder in den Keller und wollte weiter machen. Jet Li, der Vollstrecker, bekam auf einmal andere Wesenszüge. Er bellte plötzlich aufgeregt, wie wenn er einen Fund gemacht hätte.
Ich wollte mich gerade dem Fuß des Obdachlosen widmen, wollte gerade fachmännisch tranchieren, aber plötzlich war der Obdachlose in Lumpen erwacht. Und er war nicht erfreut, ich möchte sogar sagen, geradezu bösartig. Eigentlich war er gut verpackt, weil schon seine Vorgänger beim Zerteilen Schwierigkeiten gemacht hatten, aber dieser hier zerriss die Kabelbinder wie nichts. Er grunzte. Das Kantholz in seinem Knebel war im Handumdrehen zerfetzt. Er riss
seinen Rachen auf, dann fiel er mich an. Jet Li hechelte und war dem Kerl offensichtlich vollständig ergeben.
Dies sind meine letzten Zeilen. Hoffentlich werden sie gefunden. Ich bin an einer Hand am Heizungsrohr angebunden. Heute wird er wieder kommen, um seinen Hunger zu stillen und ich hoffe, dass der Leser dieser Zeilen weiß, was zu tun ist. Hier im Keller habe ich genügend Pflöcke gesammelt. Welchen sie nehmen ist an sich egal, aber vielleicht nehmen sie sicherheitshalber doch den ganz alten, den aus dem 14. Jahrhundert. Es ist der dunkle ganz rechts.
Schlagzeilen der neuen Nachrichten
"Im Stadtpark wurde die Leiche eines Mannes
gefunden. Die Polizei kann sich nicht erklären, wieso er völlig blutleer zu
sein scheint.
Offensichtlich wurde er ermordet.
Es gab Bisswunden am Hals und an den Handgelenken. Wahrscheinlich, so vermutet man, von einem Hund. Andererseits wies der Leichnam ebenfalls Schnittwunden auf, dessen Herkunft noch nicht geklärt werden konnte. Der Polizeisprecher beschrieb den Toten als praktisch zerfleddert und ausgeweidet.
Mehr könne er noch nicht sagen.
Es soll sich womöglich um einen kauzigen Typen gehandelt haben, der in der Nähe des Stadtparks und des Friedhofs wohnte.
Von seinem Jagdhund fehle aber jede Spur."
Wachtmeister Brand hatte das Schreiben, das er im Keller gefunden hatte, niemandem gezeigt und eingesteckt, als das Haus des komischen Kauzes durchsucht worden war.