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Auszüge aus einem Tagebuch, beschlagnahmt von Styrischen Wachen im Jahre 1290 3. Tag des 1288. Sommers Ich und meine Frau sind ganz aus dem Häuschen. Mein großer Bruder Dentos will demnächst den weiten Weg von Mundor nach Styra auf sich nehmen, nur um Uns zu besuchen. Es ist nun schon viele Jahre her, seit wir im Streit auseinander gingen.
Damals waren wir noch Kinder und haben dasselbe Mädchen geliebt. Maia war ihr Name. Wie Kinder haben wir uns auch um sie gestritten. Zu der Zeit hatte ich auch die meiste Prügel von Ihm einstecken müssen, aber das war mir egal. Da ich der Schlauere von uns beiden war, wusste ich, wie ich Maja für mich alleine behalten konnte. Nachdem sie mein Herz schon hatte, hatte ich es nun geschafft, ihres zu erhalten. Ich liebte Sie mehr als alles andere. Eines Tages begriff ich, dass Ich nicht der einzige war, der das tat.
Ich hatte immer gedacht, dass Dentos`Liebe zu Maja ein Witz sei, dass es nur Schwärmerei gewesen wäre, doch ich irrte mich gewaltig. Es kam der Tag, an dem unsere große Liebe die Stadt für immer verlassen und in Nykhdor ein neues Leben aufbauen musste, denn Ihr Vater war einer der wenigen Auserwählten, der in die Exercya Nykhdoria eintreten durfte, obwohl er kein Nykhdorianer war. Eine aussichtsreiche Zukunft. Ich hörte, dass man mit dem Sold der Nykhdorianischen Armee nach einigen Jahren schon ausgesorgt hätte.
Demnoch war ich am Boden zerstört. Damals dachte ich, dass ich nie wieder eine Frau so lieben würde, wie Sie. Styra für Sie zu verlassen, kam für mich aber nicht infrage. Immerhin hatte ich hier ebenfalls eine aussichtsreiche Zukunft. Mein Bruder jedoch dachte anders. Für Ihn war die Liebe alles. Im Gegensatz zu seinem Kopf hatte sein Herz schon immer die Oberhand gehabt. Er würde alles für Sie aufgeben, was er schließlich auch tat. Er packte seine sieben Sachen, reiste mit Ihr nach Nykhdor und ließ mich alleine.
Wie er dort ohne Probleme einreisen konnte, blieb für mich schon immer ein Rätsel. Normalerweise darf man sich nur wenige Tage in Nykhdor aufhalten, wenn man nicht gerade ein Angebot von der Nykhdorianischen Armee hat oder als Händler durch die Lande streift. Möglicherweise hatte er sich als Maja`s Schwester ausgegeben. Ich bereue meine Entscheidung nicht. Nach dem Tod unserer Mutter lernte ich hier meine neue große Liebe kennen, mit der ich nun verheiratet bin.
Also kann ich unmöglich wütend auf Dentos sein. Ich bin gespannt, wie es Ihm in Mundor ergangen ist.
54. Tag des 1288. Sommers Morgen ist es soweit. Wenn es auf dem Weg keinen Zwischenfall gab, müsste er Morgen hier ankommen. Meine Frau scheint aufgeregter zu sein, als Ich. Noch nie zuvor sah unser Haus so sauber aus. Eigentlich müsste ich traurig sein. Der Fürst von Aelmora wurde heute ermordet. Er war sehr nett zu mir, als ich letztes Jahr die Treppe in seiner Villa neu saniert habe.
Ich war überrascht, dass er mich damals als Zimmermann ausgewählt hatte. Er muss wohl einige meiner anderen Arbeiten gesehen haben. Seitdem habe ich Aufträge ohne Ende. Außerdem hat er viel Gutes für diese Stadt getan. Aber das ist mir im Moment egal. Die Freude, meinen Bruder morgen wiederzusehen, überwiegt.
55. Tag des 1288. Sommers Dentos kam heute Mittag an. Er sieht sehr stattlich gekleidet aus. Muss wohl ein sehr gutes Leben in Nykhdor haben. Den ganzen Tag hatte er fast nichts gesagt. Als ich Ihn gefragt habe, was denn mit Maja wäre, entgegnete er nur, dass Sie bestimmt noch lebe. Es scheint, als hätte er in Sachen Liebe kein Glück gehabt. Und auch sonst werde ich das Gefühl nicht los, dass auf ihm etwas sehr schweres lastet. Über sein Berufsleben hat er auch nicht geredet.
Und anscheinend muss ich ewig darauf warten, bis er mich fragt, wie es mir ergangen ist. Das Wiedersehen lief anders als erwartet.
57. Tag des 1288. Sommers Ich habe Dentos weichgeklopft. Er öffnet sich. Zumindest teilweise. Ich war mit Ihm in den Bergen. An einem Ort, an dem man Masklag am besten sehen kann. Dort hatten wir als Kinder unsere meiste Zeit verbracht, uns immer gefragt, was diese Ruine wohl für Geheimnisse birgt. Wir hatten uns sogar vorgenommen, Masklag als erste zu erreichen. Bis jetzt hatte noch kein Mensch es geschafft, die Klippen hinaufzusteigen und einen Fuß in diese Ruine zu setzen.
Wir wollten die Ersten sein... Der Ausflug in unsere Kindheit schien geholfen zu haben. Ich habe erfahren, dass er wie Maja`s Vater einige Jahre in der Exercya Nykhdoria gedient hatte, aber warum er sie wieder verlassen hat, bleibt immer noch ein Rätsel. Ich frage mich immer noch, was er all die anderen Jahre getrieben hat. Er ist so ruhig und so ängstlich, dass es mir selbst schon Angst macht. Nur noch ein Schatten seiner selbst...
58. Tag des 1288. Sommers Ich kann es kaum glauben! Mein Bruder wird des Mordes am Fürsten von Aelmora angeklagt und darf bis zur Anhörung die Stadt nicht verlassen. Aber das ist doch unmöglich. Er kam doch erst einen Tag nach dem Mord hier an. Dentos selbst hat mir unter Tränen versichert, dass er nichts mit dem Mord zu tun hatte und ich glaube ihm. Warum sollte er auch? Er hatte doch keinen Grund. Und wie? Die Villa des Fürsten gleicht einer Festung.
Man müsste schon ein Schatten sein, um unbemerkt da hinein zu gelangen. Nun stehen hier an jeder Tür Wachen. Ich werde der Sache morgen auf den Grund gehen.
59. Tag des 1288. Sommers Nun soll sich mein Bruder angeblich den schwarzen Magiern angeschlossen haben? Also das ist doch die Höhe. Dentos würde einem schwarzen Magier niemals die Hand reichen. Würde mich nicht wundern, wenn König Taegyr hinter dem Mord steckt. Immerhin war Aelmora schon immer Gegner des Magierkönigs gewesen. Da mein Bruder zur falschen Zeit die Tore Styras passierte, wird er jetzt beschuldigt. Er sitzt den ganzen Tag nur da und schaut auf den Boden. Selbst jetzt will er
nicht über seine Vergangenheit reden. Irgendetwas schlimmes muss ihm passiert sein. Etwas, dass ihn gebrochen hat. Gerüchten zufolge tauchen immer mehr Beweise auf, die die Schuld meines Bruders beweisen sollen. Wenn Taegyr wirklich dahinter steckt... Ich will es mir garnicht ausmalen. Dieser Mann hätte genügend Einfluss, um Dentos auch ohne Beweise hängen zu lassen. Aber ich gebe nicht auf.
63. Tag des 1288. Sommers Mein Bruder sitzt nun im Gefängnis und wird morgen gehängt. Die Anhörung war... grausam. So viel Hass ist ihm entgegen gesprungen. Ich konnte nur tatenlos ansehen, wie sie Ihn zur Schnecke gemacht haben. Die Beweise waren bestenfalls unzulänglich und die Zeugen waren gekauft. Mein armer Bruder. Es war alles meine Schuld. Ohne mich wäre er nie hierher
gekommen. Er hatte sogar darüber nachgedacht, hier in Styra sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen und mit Freuden hätte ich ihm eine Anstellung in meiner Zimmerei angeboten. Doch dieser Traum ist nun geplatzt. Morgen werde ich keinen Bruder mehr haben. Man hat mir gestattet, mich heute von Ihm im Gefängnis zu verabschieden. Irgendjemand hat sogar dafür gesorgt, dass teurer Wein bereit steht.
64. Tag des 1288. Sommers Ich muss in dieses vermaledeite Tagebuch schreiben, um keinen Verdacht zu erregen. Die Frau meines Bruders.... meine Frau liegt gerade neben mir im Bett und schläft schon fast. Sie sieht wunderschön aus, wenn sie schläft. Mein geliebter kleiner Bruder... Ich habe gelesen, wie rührend du um mich gekämpft hast und nun hängst du an meiner statt. Diese Welt ist ungerecht.
Aber ich wollte leben und habe noch viel vor. Er braucht mich noch. Er ist noch nicht fertig mit mir. Er war es, der den Wein bereitgestellt hat, geliebter Bruder. Er war es, der diesen mit einer äußerst seltenen, magischen und verbotenen Tinktur versüßt hat. Nicht unbedingt er selbst, aber seine Leute, zu dem auch der Wachmann gehörte, der mich im Gefängnis bewachte und dich anschließend niedergeschlagen hat.
Nun bist du ich, und ich bin du. Erstaunlich, was man mit magischen Sachen alles tun kann. Nun sehe ich genauso aus, wie du. Dafür werde ich dir auf ewig danken, kleiner Bruder, auch wenn du wahrscheinlich etwas dagegen hattest. Ich hoffe, du wirst mir irgendwann verzeihen. Ich weiß, dass ich nie von hier hätte weggehen dürfen, doch nun ist es zu spät. Diese dunkle Welt da draussen hat mich wirklich verändert. Also verzeih mir bitte.
Diese Aufgabe war zu wichtig, um von persöhnlichen Gefühlen verhindert zu werden.
Nur er weiß, welch schreckliche Dinge auf uns zukommen werden.
Und nur ich kann mithelfen, diese Dinge aufzuhalten.
So, nun habe ich genug geschrieben. Deine Frau schläft nun tief und fest.
Ich werde dieses Buch verbrennen, sobald sich die passende Gelegenheit bietet.