Titel
„Wie bist denn du drauf? Zugegeben, ich konnte ihn bisher nicht besonders gut leiden. Habe nie verstanden, warum du dich nicht von ihm trennst. Deinem Reden nach, ist er ja ein absolutes Arschloch. Aber nachdem, was ich hier sehe, bist du das Arschloch. Er gibt sich wirklich Mühe. Verwöhnt dich nach Strich und Faden. Sogar zu mir ist er äußerst nett, obwohl ich ihm zeigte, das ich ihn nicht mag. Und du gönnst ihm nicht mal einen kleinen Kuss. Muffelst herum. Meckerst die ganze Zeit.
Sieh ihn dir mal an. Trotz allem, tut er alles für dich. Versucht alles, um dich
aufzuheitern. Ist es etwa seine Schuld, da du dir das Bein gebrochen hast? Ich war dabei gewesen. Er stand weit entfernt von dir. Hatte dich noch gewarnt. Aber du wolltest nicht auf ihn hören.
Auch wenn er nicht mein Typ ist, würde ich ihn jederzeit nehmen. Glaubst du, das mein Freund, mit dem ich nicht annähernd so lang zusammen bin, wie du mit deinem, so viel für mich tun würde? Weißt du, wie viel Leidenschaft noch in unserer Beziehung ist? Fast keine mehr. Die Luft ist raus. Ich kann nackt vor ihm stehen, es interessiert ihm nicht. Dein Mann ist immer noch scharf auf dich. Ich sehe, wie er dich ansieht.
Dabei, und das musst du zugeben, bist du keine Schönheit. Selbst dein Charakter ist mies. Du hast ihn gar nicht verdient. Wundere dich nicht, wenn er eines Tages weg bist. So, wie du ihn behandelst. Also, ich bin weg. Weil ich nicht mehr mit ansehen kann, wie scheiße du bist. Dein Gejammer geht mir auf die Nerven.
Ich gebe ihm noch meine Nummer, bevor ich gehe. Vielleicht habe ich ja Glück und er ruft mich mal an.“
Finster starrte sie ihr nach. Ja, er hatte sie darum gebeten, nicht zu springen. Und? Sie hatte es dennoch getan. Woher sollte sie wissen, das sich dabei die Knochen bricht? So hoch war es nicht
gewesen.
„Hier hast du meine Nummer. Ruf mich bei Gelegenheit an. Oder gefällt dir nicht, was du siehst? Ich jammere dir jedenfalls nicht die Ohren voll. Oder benehme mich wie ein Kleinkind mit tauben Ohren. Sei ein kluger Mann und ruf mich an.“
Hüfteschwingend ging sie aus der Tür. Winkte ihm lockend. Er starrte ihr hinterher und wusste nicht, was er tun sollte. Seiner Frau, die er liebte und der er nichts recht machen konnte, treu bleiben, oder ihr hinterher gehen. Einmal ist keinmal. Sie war nett. Sah gut aus. Er war willig. Seine Frau verweigerte ihm ja den Beischlaf. Dabei
war er so zärtlich, fürsorglich und übervorsichtig zu ihr.
Er stand an der Tür. Bereit hinaus zu gehen. Ihr hinterher zu rennen. Mit ihr zu schlafen. Ein neues Leben anzufangen. Da hörte er eine leise Stimme nach ihm rufen. Es war die Stimme seiner Frau. Sie holte ihn aus seinen Träumen. Er schaute an sich runter. Blickte auf seine schmutzige Schürze. Dachte an den Abwasch, der auf ihn wartete. Und die dreckige Wäsche. Er wollte noch wischen, bevor er sich dran machte, das Abendessen zu machen.
„Geh zu ihr.“, flüsterte etwas in sein
Ohr.
„Geh ihr nach.“, hauchte es an seinem anderen Ohr.
Er stand da und bewegte sich nicht. Wusste nicht, wie er sich entscheiden sollte. Denn es war ganz egal, was er tat. Am Ende war es eh falsch. So war es immer gewesen. Und so wird es immer sein. Was auch immer er tun wird, er wird es bereuen.