Wowereit, problembürgermeister
Welche Begriffe tauchen im Zusammenhang mit Klaus Wowereit am häufigsten bei Internetrecherche auf? Eben diese: Berlin, Bürgermeister, BER, schwul – und neuerdings Schmitz. Die Affäre Schmitz also auch noch … Wowereit ist hoch und weit gesprungen, hat dafür eine Zeitlang viel Beifall geerntet, dann immer mehr Kritik. Seit gut eineinhalb Jahren ist sein Ansehen aufgrund der Flughafen-Malaise ruiniert. Aber er ist noch nicht auf dem absoluten Tiefpunkt, einem vorzeitigen Ausscheiden aus seinem Bürgermeisteramt, angekommen.
Von seinen Verteidigern wird heute vor allem angeführt, Berlin sei insgesamt seit seinem Amtantritt 2001 gut vorangekommen. Das trifft ohne Zweifel zu, doch inwieweit das dem Bürgermeister gutzuschreiben ist – das ist eine offene Frage. Man kann es auch so sehen: Die Stadt ist nach der Jahrtausendwende aufgrund ihrer unbestreitbaren Vorzüge – Größe, Lage, kulturelle Ausstrahlung, niedrige Lebenshaltungskosten – allmählich aus der Stagnation der Nachwendezeit herausgekommen. Dieser Entwicklung war abzusehen, sie war zwangsläufig.
Wowereit hat sie nicht behindert, sie allenfalls unterstützend begleitet. Das macht ihn nicht unangreifbar im weiteren Verlauf.
Wowereit hat manche Fehlentscheidungen getroffen, ist noch häufiger untätig geblieben oder hat Entscheidungen unnötig lange hinausgeschoben. Hier nichts weiter zur S-Bahn-Krise, dem schlimmen Glatteiswinter oder anderem – wenden wir uns seinem größten Defizit zu: Er war seit 2003 Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH und hat in dieser Funktion vollständig versagt. Gewiss, es ist bei weitem nicht
der Alleinschuldige am BER-Desaster, doch einer der Hauptverantwortlichen. Wer annähernd zehn Jahre die Oberaufsicht über die Geschäftsführung gehabt und das Projekt nicht in die richtige Spur bekommen hat, ist erwiesenermaßen der falsche Mann gewesen. Wowereit hat sich eine kurze Zeit vom Vorsitz – nicht mal aus dem Aufsichtsrat, nur vom Vorsitz – zurückgezogen und ist dann in seine alte Position zurückgekehrt. Und das Projekt dümpelt weiter vor sich hin. Geschäftsführer Mehdorn und Aufsichtsratsvorsitzender Wowereit sind sich spinnefeind, arbeiten gegeneinander, während die
Milliardenkosten immer weiter anschwellen.
Allein schon sein Komplettversagen in Sachen Flughafen hätte Wowereit den Bürgermeisterposten kosten müssen. Wer als Aufsichtsratsvorsitzender keine Geschäftsführung überwachen kann, ist auch unbrauchbar an der Spitze der Verwaltung einer Millionenstadt. Aber er hat sich halten können, allein aufgrund parteitaktischer Überlegungen. Die SPD konnte und kann bis heute keinen geeigneten Nachfolger aus ihren Reihen präsentieren. Die CDU stützt ihn, da sie die mühsam erkletterten Senatorensesseln nicht aufgeben will.
Somit bleibt die erwiesene Inkompetenz an der Spitze – äußerst peinlich nicht nur für die politische Elite der Stadt, sondern für ganz Berlin.
Und nun die Affäre Schmitz. Über die juristischen Aspekte kann man sich streiten. Nicht aber darüber: Hier geht es um den Kernbestand politischer Moral. Ein Steuerhinterzieher vom Kaliber des André Schmitz hat auf der Senatsbank nichts verloren – und ein Bürgermeister, der ihn trotzdem dort belässt, muss auch gehen. Es gibt hier auch nichts aufzurechnen mit Verdiensten und Leistungen des endlich doch Zurückgetretenen. Ich hätte kein
Gefallen mehr an einer Hochkultur, wenn ich weiß, dass ihr Hauptstrippenzieher den Staat bescheißt.
Ein Punkt ist noch nicht abgehandelt: schwul. Wowereit ist seit 2001 der schwule Politstar in Deutschland schlechthin. Er ist der Bannerträger, der große Vorkämpfer, der Beweis für gelungene Emanzipation. Diese Konzentration auf nur eine Persönlichkeit war von Anfang an höchst problematisch. Politiker können scheitern, und Wowereit ist krachend abgestürzt. Mehr und mehr mischen sich in die berechtigte Kritik an ihm homophobe Töne hinein. Das kann aber
kein Grund sein, eine Wagenburg der Gleichgeschlechtlichen aufzubauen. Auch ein schwuler Bürgermeister wird an seiner sachlichen Leistung gemessen, auch für ihn gelten Recht, Gesetz und die Grundregeln politischen Anstands.
Als Einwohner der Stadt wie als Angehöriger jener sexuellen Minorität wünsche ich mir: Wowereit soll als Bürgermeister zurücktreten. Und falls nicht, muss er auf andere legale Weise aus dem Amt entfernt werden.