Gedichte
Das Poesiealbum

Neulich beim Aufräumen fiel es mir in die Hand.

Es war abgefleddert, rosa der Einband,

Poesiealbum hat draufgestanden.

Ein Buch, in dem Freunde sich wieder fanden,

Klassenkameraden, die keine Freunde waren.

Ich habe es herumgeschickt vor vielen Jahren.

Auf der ersten Seite stand bunt verziert,

wem dieses kleine Buch gehört,

dass man es nicht beschmutzen möge,

weil das sonst Ärger nach sich zöge.

Oben in die Ecken hatte ich Namen geschrieben.

Die sind bis heute in meiner Erinnerung geblieben.

Meine Mutter durfte sich als erste eintragen.

Sie hatte weise Worte mir zu sagen.

Sie hatte sogar ein Bild gemalt.

Schließlich war das Buch von ihr bezahlt.

Papa, Bruder und Schwester stand da.

Ach, wie jung ich damals war.

Auch meine Lehrer vergaß ich nicht.

So mancher schrieb mir ein Gedicht.

Dann kamen die Menschen in meinem Alter.

Ach, dachte ich, der kleine Walter,

er war ein zartes Kind gewesen.

Andächtig habe ich den Text gelesen,

denn Walter gibt es heut nicht mehr.

Sein junges Leben war ihm zu schwer,

deshalb hatte er sich umgebracht,

wenn es keiner merkt, mitten in der Nacht.

Mit Wehmut sah ich die Glanzbilder an

und ich erinnerte mich daran,

wie wir damals als Kinder waren

vor ach so furchtbar vielen Jahren.

Heut sind wir in der Welt verstreut.

Wir gingen auseinander mit der Zeit.

Nur wenige habe ich wieder gesehen.

So viel ist in all der Zeit geschehen.

Wir waren die Kinder unserer Zeit.

Wir haben uns über die Sprüche gefreut.

Ich habe das Buch in den Händen gedreht.

Ich sah auf die Uhr, es war schon spät.

Ein Stück Erinnerung vor dem Schlafengehen.

Vielleicht würde ich manchen gern wieder sehen.

Vielleicht ist es auch einfach Vergangenheit.

Ein jedes Ding hat seine Zeit.