„Der Romanschreiber“, das ist eine Artikelreihe, in der ich dir praxisnahe Tipps zum Entwickeln, Schreiben, Anbieten und Vermarkten eines Romans gebe. Anders als mit den bisherigen Artikeln will ich dir damit nicht verschiedene Wege zum Ziel aufzeigen. Zwar gilt natürlich weiterhin, dass letztlich das Ergebnis zählt, welchen Weg auch immer du beschreitest, doch als der Romanschreiber habe ich mir vorgenommen, keine verwirrende Vielfalt an Möglichkeiten, sondern (zum Teil am praktischen Beispiel) klare, einfache Strategien aufzuzeigen, die meiner Meinung nach besonders hilfreich sind.
Wenn es gelingt, solltest du diese Artikel beinahe wie eine Anleitung lesen und direkt umsetzen können. Willst du in eines der Themen tiefgründiger eindringen, stehen dir ja weiterhin die anderen Artikel zur Verfügung.
Und noch einmal: Auch wenn ich in dieser Reihe beinahe so tue, den goldenen Weg für jeden gibt es nicht. Jeder muss letztlich seinen eigenen finden.
Zur Idee habe ich im Auftaktartikel zu dieser Reihe schon etwas gesagt (http://www.buch-schreiben.net/autoren_hilfe/88-Der-Romanschreiber-Klaerung.htm). Daher können wir uns nun direkt auf die zwei wesentlichen Fragen dieses Artikels stürzen: Wie kommt man eigentlich zu seinen Ideen und was stellt man dann damit an?
Klingt irgendwie seltsam, oder? Ideen hat man oder hat man nicht, ist es nicht so? Nun, wenn dem so wäre, könnten wir ja gleich zum nächsten Abschnitt übergehen.
Du hast schon eine Idee und wartest gespannt darauf, wie du sie nun am besten umsetzen kannst? Gut, dann kannst du schon weitergehen. Aber denk daran, zum einen wird das ja vielleicht nicht deine letzte Geschichte sein, die du schreiben willst, zum anderen wirst du auch für diese Geschichte noch weitere Ideen brauchen.
Trotzdem, du hast schon recht, viele Autoren klagen eher über zu viele Ideen als über zu wenige. Denn hat man erst einmal seinen Blick für zündende Ideen geschärft, entdeckt man immer wieder neue, so wie ein erfahrener Fotograf in allem und überall großartige Motive entdeckt.
Gespräche, Sätze, Worte, andere Texte, Filme, Bilder, Nachrichten, Erlebnisse, Landschaften, Erinnerungen – Ideen können uns von allen Seiten anspringen. Aber mehr zur Ideenfindung gibt es bereits in diesem Artikel: http://www.buch-schreiben.net/autoren_hilfe/46-Wo-fange-ich-an-Von-der-Idee-zum-Text.htm.
Obwohl Ideen also eigentlich überall herumliegen, und man oft genug förmlich über eine stolpert, haben sie dummerweise auch die Angewohnheit, sich gerade dann zu verstecken, wenn man dringend eine braucht (dafür türmen sie sich, wenn man gerade keine Zeit für sie hat). Man sitzt vor dem Text einer Ausschreibung, hat gerade ein Werk zu Ende gebracht und wartet auf die Eingebung für das nächste oder grübelt einfach über den Fortgang dessen, an dem man gerade plottet oder schreibt. Und es fällt einem nichts ein. Oder nur Schrott beziehungsweise das, was man dafür hält.
Natürlich gibt es kein Wundermittel, den Musenkuss kann man nicht erzwingen. Wenn die Dame nun mal gerade mit anderem beschäftigt ist …
Immerhin kann man strukturierter nach der Idee suchen beziehungsweise dem Brainstorming eine Richtung geben, wenn man weiß, dass Geschichten immer eine Frage beantworten: Was wäre, wenn …?
Klingt simpel und ist es auch:
So oder ähnlich könntest du deine erste Idee notieren. Du siehst vielleicht schon, dass die „Was wäre, wenn …?“-Frage kein enges Korsett ist. Sie lässt jeden Gedanken zu, strukturiert ihn nur in einer gewissen Weise, gibt uns bei unseren Überlegungen eine Richtung.
Die Beispiele sind dabei nicht alle auf demselben Stand. Nummer zwei könnte tatsächlich eine erste Eingebung sein, während Beispiel neun bereits mit Informationen arbeitet, die selbst schon Ergebnis von Brainstorming sind.
Das bedeutet auch, dass nicht nur die erste Eingebung in einer „Was wäre, wenn …?“-Frage fassbar ist, sondern dass wir uns fragend immer weiter vortasten können:
Sagen wir, wir haben schon eine ganze Weile herumgegrübelt und vielleicht auch schon einige seltsame Notizen stehen, bis wir uns schließlich zu einem noch völlig unklaren Gedanken hingezogen fühlen, den wir dann mit der folgenden Frage zu fassen bekommen wollen:
Was wäre, wenn etwas Bestimmtes einer Figur zu etwas Bestimmten verhelfen würde?
Gut, das ist jetzt noch sehr unbestimmt. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass du nach ein bisschen Brainstorming schon eine konkretere Frage aufschreiben kannst. Aber hier gehen wir jetzt mal schön langsam Schritt für Schritt.
Was, denkst du, ist das Wichtigste in dieser Frage, wenn auf ihr eine Geschichte basieren soll? Welche Leerstelle sollten wir zuerst ein wenig füllen? Die erste: „etwas Bestimmtes“?
In Tolkiens „Der Herr der Ringe“ könnte man hier den Ring einsetzen, der ja eine zentrale Rolle in der Geschichte spielt. Aber ist es wirklich so wichtig, dass es ein Ring ist? Es könnte auch ein Stirnband sein, eine Wolfsklaue oder ein Bademantel. Bevor jetzt jemand schimpft: Natürlich ist mir bewusst, dass ich mit dem folgenden Beispiel mehr als nur haarscharf am Kern von Tolkiens Geschichte vorbeischramme, aber es ist ja nur ein Beispiel:
Was wäre, wenn ein Ring einem Hobbit dazu verhelfen würde, sich unsichtbar zu machen?
Wie gesagt, es würde sich an der möglichen Geschichte nichts Entscheidendes ändern, wenn unsere Ausgangsidee die folgende wäre:
Was wäre, wenn ein Bademantel einem Hobbit dazu verhelfen würde, sich unsichtbar zu machen?
Der Bademantel hat in dieser Konstellation dieselbe Funktion wie in der vorigen der Ring: Er kann einen Hobbit unsichtbar machen. Blenden wir mal aus, dass der Bademantel aus verschiedenen Gründen nicht unbedingt die beste Wahl für Tolkiens Epos gewesen wäre, hätte er mit ihm, dem im Feuer des Schicksalsberges hergestellten Bademantel, im Wesentlichen dieselbe Geschichte erzählen können wie mit dem Ring.
Entscheidender scheint da schon, dass der Ring- oder Bademantelträger ein Hobbit ist. Die Benennung der Figur also. Tatsächlich wird die Figur, die wir in den Mittelpunkt der Geschichte stellen, diejenige also, der etwas geschieht, die in diesem Fall durch den Ring, den Bademantel oder irgendetwas anderes neue Möglichkeiten erhält, und die damit in der fertigen Geschichte im Zentrum des Leserinteresses steht, im Verlauf unser Planung immer wichtiger werden.
Aber vergiss nicht: Hier stehen wir noch ganz am Anfang der Ideenfindung. Und selbst „ein Hobbit“ ist ja noch nicht sehr konkret. Tolkien hat natürlich gute Gründe, das Volk der Hobbits und speziell einen Bilbo, später einen Frodo Beutlin zu erfinden, denn sie waren besonders geeignet für die Geschichten, die er erzählen wollte, aber du könntest genauso gut eine der folgenden Ausgangsideen umsetzen:
Du siehst, da ergeben sich schon entscheidende Unterschiede in den Beispielen. Die Geschichte, die du erzählen willst, verändert sich entscheidend, wenn du für die Leerstelle „Figur“ statt eines kleinen Jungen eine Kriminalkommissarin einsetzt. Du kannst dir bei beiden sofort vorstellen, wozu sie die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen, nutzen würden. Die Geschichte des Mädchens würde sich ebenfalls von der des Jungen unterscheiden. Und der Elefant erst …
Na? Kommt deine Fantasie langsam in Gang?
Du siehst auch, je detaillierter deine Vorstellungen von der Figur werden, desto mehr drängt deine Fantasie in eine Richtung. Desto klarer werden die Möglichkeiten und die Konflikte, die sich daraus ergeben könnten.
Das liegt daran, dass sich die Möglichkeit zu einer Geschichte immer genau dann ergibt, wenn jemandem (etwa einer Figur) etwas zustößt, auf das er in irgendeiner Weise reagieren muss. Die Geschichte kann jetzt nur noch verhindert werden, wenn unser Dingträger das Ereignis, das ihm zustößt, einfach ignoriert. Wenn etwa die Kriminalpolizistin den Ring in die nächste Tonne kloppen und sagen würde: „Unsichtbar? So ein Blödsinn! Brauch ich nicht, ich hab ne Knarre!“
In dem Fall nämlich würde bei der Figur alles weiterlaufen wie gewohnt. Das mag bei einer Kommissarin spannender sein, als bei manch anderem, eine Geschichte ist es nicht.
Das Entstehen einer Geschichte beruht also auf dem Vorhandensein zweier Eckpunkte:
Willst du die „Was wäre, wenn …?“-Frage für die einer Geschichte zugrunde liegende Idee ganz allgemein formulieren, lautet sie nämlich:
Was wäre, wenn jemandem etwas zustößt?
Und jetzt hast du genau die zwei Leerstellen: Figur und Ereignis.
Wobei ich noch dazusagen will, dass sowohl „zustoßen“ als auch „Ereignis“ ganz allgemein gemeint sind. Das, was der Figur zustößt, das die Geschichte auslösende Ereignis, kann sowohl negativ als auch positiv für die Figur sein. Oder scheinen. Wichtig ist aber, dass es eine Veränderung herbeiführt, die die Figur vor eine für sie neuartige Herausforderung stellt.
In unserer Ding-Geschichte, ist das ziemlich klar, denn egal, wessen Geschichte wir erzählen, für die meisten dürfte die Möglichkeit, sich unsichtbar zu machen, eine völlig neue Erfahrung sein.
Ganz nebenbei: Dir ist natürlich inzwischen klar geworden, warum das Ding (der Ring, das Stirnband, die Wolfsklaue, der Bademantel) in unserer Beispielfrage nur eine Nebenrolle spielte. Es handelt sich dabei nur um eine Spezifizierung dessen, was der Figur zustößt. Die Figur kann sich zukünftig unsichtbar machen, in diesem Fall mittels eines Dings, das – auf welchen Wegen auch immer – zu ihr gekommen ist. Es könnte ebenso gut sein, dass diese Fähigkeit durch eine spät erkannte Mutation, einen Zauberspruch oder eine Krankheit hervorgerufen wird.
Ich wiederhole es noch einmal: Das, was der Figur zustößt, ist also in irgendeiner Form für die Figur etwas Neu- bzw. Einzigartiges. Oder es löst zumindest eine neu- bzw. einzigartige Situation aus, mit der die Figur nicht in gewohnter Weise umgehen kann. Gut, nicht in jeder Geschichte geht es um solche Phänomene wie Unsichtbarkeit, aber irgendetwas ist immer neu und besonders, nur dadurch wird die Geschichte erzählenswert.
Niemand will einen willkürlich herausgepickten Routinefall der oben erwähnten Kriminalkommissarin lesen, bei dem sie nebenbei ständig und von auffälligem Gähnen begleitet erklärt, es sei eben alles wie immer. Nein, wir lesen natürlich von einem Fall, bei dem alles anders ist, nämlich von Kriminalkommissarins schwerstem Fall. Niemand will von irgendwem lesen, der sich halt einfach gerade verliebt hat, nein, der Irgendjemand ist ein besonderer Mensch, den die Liebe auf besondere Weise getroffen hat.
Das bedeutet auch, dass nicht entscheidend ist, ob das, was der Figur zustößt, auch für den Leser einzigartig ist. Die Geschichte von dem Mann, der gezwungen ist, mit dem Zug zu reisen, obwohl er Züge hasst wie die Pest, funktioniert auch für den regelmäßigen Bahnreisenden. Und solltest du zu denjenigen gehören, die sich regelmäßig unsichtbar machen, heißt das nicht, dass die Geschichte vom Dingträger für dich eine langweilige sein muss.
Es ist eben genau dieses Zusammenspiel von Figur und dem, was ihr zustößt, das eine Geschichte zu einer lesenswerten macht. Wenn also eine Figur mit etwas für sie Ungewöhnlichem umgehen muss. Und so lassen sich schließlich auch dann, wenn man sie nicht im Sinne der Anschaulichkeit verfremdet, die beiden bekanntesten Geschichten Tolkiens auf Grundideen zurückführen (selbst dann, wenn der Autor möglicherweise mit einer anderen begonnen hat), in denen der ausgewählten Figur etwas für sie Neues, Besonderes, ja geradezu Unglaubliches widerfährt:
Was wäre, wenn ein Hobbit (ein Spießer der besonders bequemen Art) aufgefordert würde, ein Abenteuer zu bestehen? (Der Hobbit)
Was wäre, wenn einem Hobbit (s. o.) die Verantwortung auferlegt würde, die Welt zu retten? (Der Herr der Ringe)
Es gibt eine weitere Voraussetzung, damit eine Geschichte erzählenswert ist. Was auch immer der Figur Neuartiges zustößt, es stürzt sie in einen Konflikt. Auch dann, wenn es etwas Positives ist.
Die Geschichte vom Lottogewinner, der fortan mit seinem Geld glücklich ist und es durch intelligentes Handeln auch noch vermehrt, dem durch den plötzlichen Geldsegen auch in seinem sonstigen Leben alles gelingt und für den keinerlei größere Probleme entstehen, ist keine Geschichte. So sehr sie auch den Wunschträumen vieler Menschen entsprechen mag. Es fehlt ihr der Konflikt, der den Leser mitfiebern lässt.
Dabei hat die Geschichte Konfliktpotenzial, denn natürlich weiß jeder, dass Geld Menschen verändert, dass Neid existiert, dass Reichtum oft zu Maßlosigkeit führt, …
Die erste Antwort auf unsere „Was wäre, wenn …“-Frage muss also immer die sein: Das gibt Probleme! Oder genauer: Es entsteht ein Konflikt.
Falls du also eine „Was wäre, wenn …“-Frage notiert hast, und der unwahrscheinliche Fall eintritt, dass du nicht guten Gewissens mit einem Konflikt antworten kannst, vergiss die Frage und stelle eine neue.
Kehren wir zurück zu unserer Beispiel-Ausgangsfrage. Wir haben
Was wäre, wenn jemandem etwas zustößt?
bereits konkretisiert zu
Was wäre, wenn etwas Bestimmtes einer Figur zu etwas Bestimmten verhelfen würde?
Das könnte auch die Geschichte von dem Lottogewinner werden:
Was wäre, wenn sechs Richtige mit Zusatzzahl einem Mann zu Reichtum verhelfen würden?
Aber mit der Idee der Unsichtbarkeit sind wir ja schon ein bisschen in eine andere Richtung gegangen:
Was wäre, wenn etwas Bestimmtes einer Figur zu einer (besonderen) Fähigkeit verhelfen würde?
In verhelfen steckt bereits das Hilfreiche, Nützliche. Entweder fällt uns jetzt eine Figur ein, dann müssten wir weiterüberlegen, was ihr besonders nützlich sein kann:
Was wäre, wenn etwas Bestimmtes einem faulen Schüler zu einer (besonderen) Fähigkeit verhelfen würde?
Wie wäre es mit einer der folgenden Varianten?
Oder wir gehen von der Fähigkeit aus und suchen dann nach einer passenden Figur:
Was wäre, wenn etwas Bestimmtes einer Figur zur Fähigkeit, besonders gut zu kochen, verhelfen würde?
Klingt langweilig? Ist es auch, wenn wir nicht die richtige Figur dazu finden. Ein Koch kommt wohl nicht infrage, denn es sollte schon jemand sein, der bis dahin nur schlecht oder besser gar nicht kochen konnte. Denn nur dann kann ihm oder ihr diese Fähigkeit in der Geschichte nützlich sein. Es könnte jemand sein, der sich schon immer gewünscht hat, gut zu kochen oder gar Koch zu werden. Oder jemand, der bis dato dieses Können gar nicht vermisst hat, der also erst noch entdecken muss, wozu es ihm nützlich sein kann. Etwa um sich aus der Arbeitslosigkeit zu befreien. Oder um bei seinem Chef Eindruck zu schinden. Oder den Schwiegereltern. Vielleicht sieht der jemand so die Chance, seine Ehe zu retten. Oder den oder die Angebetete zu verführen.
Das Letzte gefällt mir. Dir auch? Egal, du kannst ja nebenbei deine eigene Idee entwickeln. Schauen wir also mal, was wir daraus machen können:
Was wäre, wenn etwas Bestimmtes einem Verliebten zur Fähigkeit, besonders gut zu kochen, verhelfen würde?
Okay, die Idee ist nicht neu. Mir fällt sofort der Krebs ein, mit dem Sarah Michelle Gellar zur Köchin wurde. Aber zum einen, ist es ja nur ein Beispiel, zum anderen habe ich ja schon im ersten Teil (http://www.buch-schreiben.net/autoren_hilfe/88-Der-Romanschreiber-Klaerung.htm) erklärt, dass die Idee allein noch nicht viel darüber aussagt, welche Geschichte am Ende herauskommt. Also, nicht abschrecken lassen, weitermachen!
Ein Krebs soll bei uns nicht die letzte Leerstelle füllen. Ich schlage eine große Tüte mit Bonbons vor.
Was wäre, wenn eine Tüte Bonbons einem Verliebten zur Fähigkeit, besonders gut zu kochen, verhelfen würde?
Einige Antworten kennen wir bereits, nämlich dass der Verliebte seine durch die Bonbons hervorgerufene Fähigkeit zu kochen einsetzen soll, um damit seine Angebetete zu erobern. Damit hat die Figur ein Ziel. Es lautet schlicht: Angebetete erobern.
Und auch wir sind am Ziel unserer Ideenfindung. Es ist wie bei einem Spiel. Du willst das Ziel des Spiels wissen, um die Schritte planen zu können und/oder die richtigen Entscheidungen zu treffen, die zum Sieg führen.
Jetzt haben wir eine Figur, das, was ihr zustößt, und das Ziel, das sie erreichen will. Wir können von der Ausgangsidee nun zur Grundidee der Geschichte gelangen und diese präziser formulieren:
Was wäre, wenn ein Verliebter mithilfe einer Tüte Bonbons sagenhaft gut kochen würde, um so seine Angebetete zu erobern?
Und wo ist da der Konflikt, den ich doch als so wichtig hervorgehoben habe? Nun, der zentrale Konflikt einer Geschichte ist immer mit dem Ziel der Figur verbunden. Er lautet ganz allgemein: Das Ziel zu erreichen, ist alles andere als leicht. Wenn das Ziel lautet, einen Drachen zu töten, hat zumindest mal der Drache etwas dagegen. Geht es darum, einen Schatz zu finden, ist der wahrscheinlich bestens versteckt und/oder es gibt noch andere, die denselben Schatz heben wollen. Spielt man ein Gesellschaftsspiel, ist man dummerweise in aller Regel nicht der Einzige, der es gewinnen will. Beim Fußball stehen deiner Mannschaft gleich elf Antagonisten im Weg.
Und bei unserem Verliebten ist klar, wäre die Angebetete ihm von Beginn an ebenso zugetan wie er ihr, gäbe es (zumindest auf dem Weg zum festgelegten Ziel) wahrscheinlich keine Probleme und nichts, was des Erzählens wert wäre. Was in einer Geschichte erobert werden will, lässt sich eben nicht so einfach erobern. In einer anderen Geschichte könnte der Konflikt auch bei den Eltern und Verwandten oder in ganz anderen Umständen liegen, aber bei unserem Ziel geht es ganz offensichtlich erst einmal darum, überhaupt die Gefühle bei der Angebeteten zu wecken, wobei der Verliebte offenbar glaubt, das über seine auf seltsamen Wegen erworbenen Kochkünste zu erreichen.
Da steckt noch weit mehr Konfliktstoff drin. Was, wenn die Wirkung eines Bonbons zum falschen Zeitpunkt nachlässt? Was, wenn die Tüte zur Neige geht? Reicht gutes Kochen überhaupt, um Gefühle zu wecken? Ist es moralisch vertretbar, mit Wundermitteln zu täuschen? Ist es erstrebenswert, eine Beziehung mit jemandem eingehen zu wollen, der einen nur liebt, wenn man gut kocht?
Viele mögliche Konflikte, die neben dem zentralen alle eine Rolle in unserer Geschichte spielen könnten. Doch das heben wir uns noch auf. Erst einmal haben wir nun eine Grundidee, auf der wir aufbauen können. Und als Vergleichsbeispiel für die folgenden Artikel stelle ich noch eine völlig anders geartete daneben:
Was wäre, wenn eine Prinzessin ihren Prinzen aus einem Drachenhort befreien müsste, um Königin zu werden.