1978 in Wien geboren, arbeitete als Regisseurin, Regieassistentin und Inspizientin in Wien, Tokio und Tel Aviv, betreute von 2001 bis 2011 die Vorstellungen an der Kinderoper der Wiener Staatsoper – das kommt dir bekannt vor? Ja, du hast recht, das Gleiche gilt nicht nur für Anna Koschka, sondern auch für Claudia Toman. Aber nein, du hast jetzt nicht das große Geheimnis gelüftet, denn Anna Koschka ist ein offenes Pseudonym.
Geheimnisvoll, überraschend und sehr humorvoll geht es dennoch zu – in den Büchern der Autorin.
Nachdem sie bereits drei Romane veröffentlicht hatte, startete sie 2012 als Anna Koschka mit dem überaus spritzigen „Naschmarkt“ in ein neues Abenteuer, das noch in diesem Jahr mit „Mohnschnecke“ fortgesetzt wird. Mit einem diesen Romanen zugehörigen Projekt wagt sie im kommenden Jahr den Schritt in die noch so junge Welt der E-Book-Serien.
Die Frische und Experimentierfreude der Autorin liest man aus all ihren Texten heraus. Denn Anna Koschka steht für besondere Ideen und eine Umsetzung, die der Erwartungshaltung immer mindestens einen Schritt voraus ist.
Klar, obligatorische Frage: Wie hat das bei dir mit dem Schreiben begonnen? Gibt es einen Zeitpunkt in deinem Leben, von dem du sagen würdest: „Von da an war ich Autor/Schriftsteller“?
Es gab Sommerferien, ich glaube, ich war 11 oder 12, da haben meine damals beste Freundin und ich Tage damit verbracht, immer im Kreis durch die Siedlung Fahrrad zu fahren, freihändig, und uns dabei Geschichten über unsere erste fiktive Liebe zu erzählen. Sie war in einen Klassenkollegen verschossen, und ich schwärmte für einen sehr blauäugigen Fußballstar. Und diese nebeneinanderliegende Intimität und Sehnsucht nach Publikum hat mich völlig berauscht. Ich glaube, spätestens da war ich Autorin.
Siehst du dein Schreiben heute mehr als Hobby oder mehr als Beruf? Gibt es da überhaupt einen Unterschied für dich?
Natürlich gibt es einen Unterschied. Ein Hobby ist etwas, für das ich kein Geld bekomme, sondern meist bezahle, und das ich mache, um mich nach dem Berufsalltag zu entspannen.
Ich bekomme aber Geld fürs Schreiben (und falls es immer noch jemanden gibt, der hartnäckig an das Gerücht glaubt, professionelle Autoren bezahlen für Veröffentlichungen: Nein, tun sie nicht!) und schreibe grundsätzlich nie zur Entspannung. Es ist kein Hobby, es ist harte, oft frustrierende Arbeit. Es hat auch wenig vom romantischen Ideal des Schreibrausches oder der kreativen Entrückung. Meistens ist es einfach ein Zeit- und Kraftaufwand. Warum ich es trotzdem mache? Aus dem gleichen Grund, aus dem der Arzt praktiziert: Es interessiert mich, ich mag es, wenn ich jemandem damit guttun kann, und ich habe ja auch nichts anderes gelernt.
Welche drei Dinge haben dich deiner Meinung nach auf deinem Weg als Autor am meisten vorangebracht?
Das Lesen, zuallererst. Je mehr man liest, desto mehr Voraussetzungen hat man auch, zu schreiben. Man bekommt einen Wortschatz und ein Gespür für Dramaturgie. Und das ist für den Anfang schon alles, was man braucht.
Dann Dr. Andrea Müller. Wenn man an eine wirklich gute Lektorin gerät, so eine, die weiß, was sie tut, ihren Job liebt und einem das Gefühl zu geben vermag, dass noch viel mehr in einem dringesteckt, dann wird man augenblicklich von einem Autor zu einem guten Autor.
Und drittens Feedback. Und nicht nur das gute. Man schreibt ja schließlich nicht für sich selbst. Wenn man Geschichten publiziert, muss man sich damit auseinandersetzen, wie sie ankommen. Wer sich diesem Punkt verweigert, wird nicht viel weiterkommen. Kritik, auch wenn sie schmerzt, ist eine gute Lehrmeisterin.
Gab es vielleicht auch einen „Fehler“, eine „Schwäche“, die du erkannt und abgestellt hast, um in deinem Sinne als Autor erfolgreicher zu sein?
Ja. Meine Schwäche ganz am Anfang war, dass ich nicht trennen konnte zwischen dem, was mir selbst wichtig ist, und dem, was für die Geschichte wichtig ist. Ich habe mich in Details verloren, die mehr mit mir als mit den Figuren zu tun hatten, und habe die Geschichte meiner Realität geopfert. So entstanden in meinem Debüt Figuren, die zwar extrem nah an ihren realen Vorbildern dran waren, die aber von manchen Lesern als „blass“ empfunden wurden. Warum? Weil sie das auch in echt sind. Romanfiguren dagegen brauchen „das gewisse Etwas“, den Widerspruch, den Pep. Es hilft nichts, dass ein Dialog genau so stattgefunden hat, wenn er einfach nicht gut genug ist. Ich musste lernen, fiktiv zu schreiben und trotzdem echt zu bleiben, und das war mit Sicherheit eine große Hürde, weil ich mein Leben lang aus der Realität geschöpft habe.
By the way – was bedeutet für dich persönlich Erfolg in deiner Autorenkarriere?
Erfolg ist, wenn man Bücher verkauft. Und wenn es gute Bücher sind. Alles andere ist romantischer Humbug. Nur wenn ich mit einer Geschichte komplett zufrieden bin, sie bestmöglich korrigiert und verpackt wurde und dann viele, viele begeisterte Käufer findet, ist es für mich Erfolg.
Glaubst du eher an schriftstellerisches Talent oder Handwerk?
Ich finde die Trennung schwierig, weil Talent ja auch Handwerk ist. :-) Aber wenn es um „erlerntes“ Schreiben geht, daran fehlt mir der Glaube. Ich habe es letztens in einem sehr schönen Gespräch mit jemandem mit dem Balancegefühl beim Skifahren verglichen. Es gib vieles, das man sich aneignen kann. Wie man die Stöcke hält, wie man die Kanten einsetzt, wie man bremst. Man kann auch Kondition trainieren, einen Fitnesscoach engagieren, sich die beste Ausrüstung kaufen und sich das ideale Gelände aussuchen. Aber ob man am Ende ins Tal kommt, ohne zu stürzen, das hat damit wenig zu tun. Wenn man dieses Ding in sich hat, dieses Gefühl, dieses Talent, die Balance zu halten, dann braucht man alles andere nicht. Vielleicht wird man damit noch eine Spur besser, einen Tick versierter, aber es ist nicht das Material, es sind nicht die erlernten Techniken, die für mich den Spitzenskifahrer auszeichnen. Es ist die Balance. Beim Autor heißt sie nur anders. Sie heißt Gespür.
Hattest du Hilfe auf deinem Weg? Welche Möglichkeiten für einen angehenden Autor, von anderen zu lernen, kannst du besonders empfehlen?
Ich empfehle, Tag und Nacht Geschichten zu konsumieren. Bücher lesen, Filme, Serien, Dokusoaps schauen, ins Theater gehen, Videospiele, Rollenspiele, alles, was mit Dramaturgie zu tun hat. Das hat mich geprägt. Es gibt solche Geschichten, die einen weiterbringen, weil man etwas Grundlegendes lernt. Der Wortwitz Shakespeares, die Dramaturgie in „Six Feet Under“, die Magie in „Harry Potter“, die Figurengestaltung und der Spannungsaufbau bei Stephen King, all das hat mich beeindruckt und damit auch beeinflusst.
Ich glaube, man kann nur dann selbst gute Geschichten erzählen, wenn man eine große Liebe zu Geschichten hat. Wenn man gar nicht anders kann, als süchtig nach immer neuen Storys zu gieren.
Und welche Ratschläge hinsichtlich des Schreibens findest du für angehende Autoren besonders wichtig? Was sollte man unbedingt versuchen, was unbedingt vermeiden?
1. Fangt mit etwas an, das ganz in der Nähe liegt. Wer „Schweigen der Lämmer“ kennt, der weiß, was ich meine. Man beginnt zu begehren, was man jeden Tag sieht. Und so beginnt auch die beste erste Geschichte. Versucht nicht, das Leben Alexanders des Großen zu erzählen, wenn ihr doch sehr viel mehr in eurem aktuellen Job oder Umfeld erlebt. Weil Alexander den Großen, den kennt jeder. Doch dieser besondere Tick eures Paketfahrers, der eine spezielle, geheime Platz an eurem Urlaubsort, die verrückten Erzählungen eurer Tante Hilde, das alles ist originell und damit eine spannende Geschichte. Sucht das Besondere, nicht das Allgemeine!
2. Hört nicht auf all den Bullshit, den es über den Beruf Autor gibt. Wer von euch Geld dafür will, dass eure Texte veröffentlicht werden, der will auch Geld vom Bäcker dafür, dass er dessen Brötchen isst. Schließlich dient Brötchenbacken ja auch der Selbstverwirklichung des Bäckers, oder? Oder nicht? Es ist so: Es gibt große Verlage mit viel Geld. Das sind die Marktführer. Es gibt kleine Verlage mit wenig Geld. Das sind auch Verlage. Und es gibt Druckereien, wo sich jeder seine Texte drucken und binden lassen kann, um sie dann Onkel Otto zum runden Geburtstag zu schenken. Das sind Druckereien. Aber es gibt keinen Verlag, der in irgendeiner Form von euch was verlangen darf. Das sind dann Dienstleister. Bitte hört nicht auf solche.
3. Ein Lektorat ist für ein gutes Buch unerlässlich! Wer euch je vom Gegenteil überzeugen will, schadet euch. Ich behaupte mal, ich schreibe eigentlich ganz anständig. Aber meine Lektorin findet trotzdem eine Menge zu korrigieren. Nehmt euch diesen Tipp zu Herzen. Veröffentlicht nichts, das nicht anständig korrigiert wurde. Schließlich steht euer Name drauf. Und nein, der Duden-Korrektor ersetzt keinen Lektor.
Was braucht es deiner Meinung nach, um als Autor zu einer Verlagsveröffentlichung zu kommen? Welchen Weg schlägst du vor?
Zuerst und am Wichtigsten: Man muss eine Geschichte fertig schreiben und DANN erst an die Veröffentlichung denken. So seltsam das klingt, aber ich hatte oft genug mit Leuten zu tun, die meinten, schon für eine Idee ein Patent anmelden und einen Verlagsvertrag unterzeichnen zu wollen. Ja, Ideen sind wichtig. Aber was einen zum Autor macht, ist die Umsetzung. Falls man dabei Schwierigkeiten hat, empfehle ich ein Autorencoaching bei einem guten Lektor. Anschließend unbedingt ein herausragendes Exposé anfertigen, dazu gibt es jede Menge Infos und Fachliteratur (http://www.buch-schreiben.net/autoren_hilfe/83-Vom-Exposieren.htm). Da das Exposé das Aushängeschild des Projekts ist, empfehle ich, sich dafür wirklich Zeit zu nehmen und Regeln zu beachten. Informiert euch bitte auch, was eine Normseite ist, und unterlasst es tunlichst, Schnörkel und Blümchenränder in eure Leseprobe zu formatieren. Professionelles Auftreten ist der erste Schritt Richtung Veröffentlichung.
Wenn man ein fertiges Werk hat und zufrieden damit ist, sollte man es an Literaturagenturen schicken. Es gibt im Internet gute Listen (http://www.uschtrin.de/litag.html), ich würde an mindestens zehn, fünfzehn Agenturen ein Exposé und eine Leseprobe von etwa dreißig Seiten schicken. Falls keine positiv antwortet, noch mal zehn probieren. Dann ist es aber auch gut. Wenn unter 20–25 keine Agentur das Projekt unter Vertrag nimmt, ist das bereits ein Zeichen dafür, dass man noch mal überarbeiten sollte.
Direkte Verlagseinsendungen sind um vieles aussichtsloser, also bitte lieber Zeit, Geld und Nerven in eine Überarbeitung oder ein Coaching investieren.
Was braucht es für eine Verlagsveröffentlichung? Meistens viel Geduld, Sitzfleisch, Hartnäckigkeit, Arbeit, Kritikfähigkeit und das berühmte Gespür. Für Stoffe, für Figuren, für Themen, die in der Luft liegen, und für Zusammenhänge. Siehe oben.
Wäre für dich aus heutiger Sicht Selfpublishing generell oder in bestimmten Fällen eine Alternative oder sogar mehr? Wo liegen die Vorteile, wo die Nachteile gegenüber einem klassischen Verlag?
Aus heutiger Sicht nicht. Natürlich denkt man hier und da mal drüber nach, vor allem, wenn man ältere, verramschte Geschichten hat, die man gern der Welt verfügbar machen würde, oder Schubladenwerke, die niemand verlegen würde. Auch der berühmte Gedichtband ist wohl eine Sache, die man möglicherweise im Selfpublishing machen könnte. Sinnvoll finde ich es ebenfalls für spezifische Fachliteratur.
Aber sonst? Um Gottes willen, nein! All die Arbeit, um die man sich dann selbst kümmern muss. Mag sein, dass man dann prozentual mehr Tantiemen bekommt, logisch, wenn man nicht mehr nur Autor ist, sondern zugleich Graphikdesigner, Lektor, Korrektor, Satzhersteller, Marketingexperten, Veranstaltungsorganisation, Pressebüro, Sozial-Media-Beauftragte und diverse Sekretariate ersetzt. Oder für jeden dieser Berufe wiederum für Geld jemanden engagiert. Ihr versteht sicher jetzt, wo der Haken bei der Sache ist, oder? Ich bin Autorin. Von all den anderen Dingen verstehe ich nicht genug und habe auch überhaupt keine Zeit dafür. Da ist ein Verlag mein perfekter Partner.