Es ist Dienstag, der 4. Jänner (Jänner, nicht Januar) 2011 (also jetzt in diesem Moment in dem ich tippe, hihi), die Digitalanzeige des Buses zeigt wie die meines kleinen, vertrauten Netbooks 10:28 Uhr abends. Oder sagt man da schon nachts?
Zu lesen hat man auf einer längeren Fahrt natürlich einiges dabei und diese hier soll mehr als neun Stunden dauern. Während die Reiseführer in unerreichbarer Ferne einen Meter unter mir im Gepäckabteil ausharren und eingepackt im großen, alten, roten, sperrigen aber komfortablen Tourenrucksack meiner Mutter immer kälter werden, habe ich hier bei mir eine kleine Auswahl. So eine Damenhandtasche gibt schon was her. Womit wir beim Thema wären:
Thomas Glavinic: Die Arbeit der Nacht
Klappentext: "Jonas ist allein. Und zwar ganz allein. Von einem Tag auf den anderen gibt es niemanden mehr – außer ihn. Zunächst ist es für Jonas ein morgen wie jeder andere, aber bald beginnt eine Expedition, die ihn mit den elementarsten Fragen der menschlichen Existenz konfrontiert."
Jonas ist außerdem in Wien. Glavinic ist hier geboren. Eindeutig werden Kindheitserinnerungen des Autors mit denen des Protagonisten verwoben, und nicht nur Kindheitserinnerungen. Reflektionen wirken immer echt, was ihnen bisweilen einen unangenehm voyoristischen Eindruck verleiht. Genauso unangenehm stoßen vermeintlich große Gedanken zu Schöpfung/ Welt/ Sinn/ Leben/ Liebe/ usw. auf. So gut sie bisweilen sind, so penetrant sind sie vorgetragen, das aber wiederum in einer zurückhaltenden Art. Als würde jemand so tun eine bewusst gewählte, schrill rosa leuchtende Tasche unauffällig überreichen zu wollen. Ein wenig enttäuschend.
Wie dem auch sei, die Idee ist natürlich nicht neu aber großartig. Die Ausarbeitung ist...nicht schlecht. Das Ende ist mies, grottig, schlecht, enervierend, gut, zwingend, unruhestiftend.
Wie man schon herauslesen kann bin ich nicht restlos begeistert. Aus dem Stoff kann man mehr machen.
Andererseits ist gerade das etwas, das einen in den Bann zieht. Ich kann mich nicht erinnern jemals bei einem Buch so versucht gewesen zu sein, zur letzten Seite vorzublättern. Außerdem ist es spannend, und nicht gerade wenig. Den einzig längeren Durchhänger hat es im zweiten Drittel, der ist allerdings notwendig um die Geschichte aufzubauen, insofern kann man ihn nicht übel nehmen.
Die beschriebene Expedition beginnt irgendwann knapp nach der Hälfte des Buches und nimmt dramaturgisch zwar Anlauf auf den Höhepunkt aber ach, jedes weitere Wort wäre zu spoilern.
Die Digitalanzeige der Uhr zeigt mittlerweile -5 Grad Celsius an, in ein paar Sekunden wird sie wieder auf die Zeit umschalten.
Die Arbeit der Nacht zu lesen ist sicherlich keine schlechte Idee per se. Niemand wird dadurch Schaden nehmen und die Herangehensweise ist eine die man selten liest, durch unwirsche Mittel wird eine subtil bedrückende Stimmung gezeichnet, die sich durch das gesamte Buch zieht.
In diesem Sinne, bedingt empfehlenswert. Ein nicht anspruchsloses Werk, das sich leider zu wichtig nimmt, sofern man darüber hinwegsieht aber durchaus etwas hergibt. Ich habs gerne gelesen.
Aber jetzt kommt das nächste aus der Tasche “6 Österreicher unter den ersten 5” von Dirk Stermann, mal schauen...