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Ein alter Prof. Dr. der Theologie, musste einst für zwei Monate sein Patenkind, ein kleines Mädchen, beherbergen. Jeden Abend setzte er sich an das Bett des Kindes und las aus einem Buch vor. Düster und spannend waren die Geschichten, doch zum Leidwesen des Kindes, begann er täglich eine andere, ohne die vorherige zu beenden.
So angenehm dem Mädchen auch die Tage gestaltet wurden ... so konnte es doch kaum die Abende erwarten. Brav lernte es, die Tischgebete vor den Mahlzeiten fehlerfrei aufzusagen, denn ohne Artigkeit und Fleiß, hätte sich der gütige, aber auch strenge Betreuer, nicht zum Vorlesen bewegen lassen.
Die Tage flogen dahin und die Seiten, die noch zu lesen waren, wurden weniger und weniger. Man schrieb das Jahr 1965, eine Zeit, in welcher Kinder nicht ungefragt redeten und nervige Bettelei nicht geduldet wurde. Deshalb schluckte der kleine Gast auch tapfer die Tränen hinunter, nachdem der alte Herr am letzten Abend die letzte Geschichte unterbrach, das Buch zuklappte und sich erhob. Doch er ging nicht wie sonst, direkt aus dem Zimmer, sondern stand am Bett und lächelte das Mädchen an. "Du kommst in einigen Monaten zur Schule. Lerne fleißig Lesen. Wenn du es kannst, dann lerne die alte Schrift. Komm zu mir, wenn du sie beherrschst und ich schenke dir dieses Buch. Nur so wirst du jemals erfahren, wie all diese Geschichten ausgehen."
Nach dem Ende des ersten Schul-Halbjahres, war das Kind in der Lage, dem Patenonkel aus einem alten Buch fehlerfrei vorzulesen. Als es mit der Mutter auf dem Heimweg in der Straßenbahn saß, hielt es seinen Schatz ganz fest. Ein kleines, aber dickes, rot eingebundenes Buch von Wilhem Hauff. Und darin waren alle Geschichten aus "Die Karawane" und "Das Wirtshaus im Spessart".
Die Liebe zu Gott zu finden, dafür haben zwei Monate nicht gereicht.
Für die Liebe zum Lesen, reichte der Anfang einer ersten Geschichte.
Herzliche Grüße an alle, Fabiana