Fantasy & Horror
Damaluk I - Die Abtei Der Waisen

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"Der Söldner Langley wird unverhofft in den uralten Konflikt zwischen zwei Orden hineingezogen."
Veröffentlicht am 19. November 2013, 84 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Der Söldner Langley wird unverhofft in den uralten Konflikt zwischen zwei Orden hineingezogen.

Damaluk I - Die Abtei Der Waisen

Prolog

"Bruder Antonius? Bruder, wacht auf!" Antonius öffnete die Augen. Mario, einer der jüngsten Mönche des Ordens der Waisen, stand über ihn gebeugt und hielt eine brennende Kerze gefährlich nah an sein Gesicht. Geblendet hob er eine Hand und richtete sich ein wenig in seiner Pritsche auf. "Mario, es ist mitten in der Nacht. Warum weckst du mich?" Verärgert schob er den jungen Mann von sich. "Und halt die Kerze nicht so nah an mein Gesicht. Du blendest mich." "Verzeiht, Bruder. Bruder Eregius hat seltsame Geräusche gehört." Mario wirkte nervös. Seine Finger klammerten sich krampfhaft um die Kerze, während er sprach. "Er sagte mir, ich solle Hilfe holen." Antonius rieb sich seufzend die Augen und erhob sich. Er nahm Mario die Kerze aus der Hand und entzündete nach und nach die

Standkerzen in dem kleinen Schlafraum. "Was für Geräusche?" "Ich weiß nicht genau. Eregius vermutet, sie kämen aus den Katakomben." "Hat er das Schloss kontrolliert? Vielleicht haben sich Grabräuber auf das Gelände geschlichen." Antonius gab Mario die Kerze zurück und band seine Kutte fest. "Und wieso kommst du damit zu mir?" "Ich wollte Vater Gregor nicht wecken. Vielleicht ist es ja nichts." "Ausgezeichnet", murrte Antonius. "Geh zu Eregius und sag ihm, er soll das Türschloss kontrollieren. Ich wecke Hauptmann Beranz, der soll sich das einmal ansehen." "In Ordnung, Bruder!" Mario nickte eifrig und huschte aus dem Raum. Antonius griff sich eine Kerze und folgte ihm auf den Gang. Einen Moment lang sah er dem schwachen Lichtschein von Marios Kerze hinterher, bis er in einem anderen Gang verschwand. Dann setzte er sich

selbst in Bewegung. Der Wind pfiff leise durch den kalten Steinflur. Irgendwo knarzte eine Tür und fiel dann klackend ins Schloss. Mit leisen Sohlen schlich Antonius zu den Gemächern der Paladine im Westflügel der Abtei der Waisen. In Gedanken verfluchte er diesen Angsthasen Eregius dafür, dass er ihn mitten in der Nacht wegen so einer Nichtigkeit wecken ließ. Bei dem Gedanken, dass er gleich den Hauptmann der Paladine aus dem Schlaf reißen und zu einem Kontrollgang in die Katakomben der Abtei schicken würde, verschlechterte sich seine Laune noch ein wenig mehr. Er erreichte die Tür zum Westflügel und blieb stehen. Nachdenklich betrachtete er die schweren Eisenbeschläge und überlegte, einfach selbst in die Katakomben herabzusteigen und Eregius von der Abwesenheit jeglicher Gefahr zu überzeugen. Nur was, wenn doch jemand dort unten war?

Antonius seufzte und drückte die Tür auf. Sicher war sicher. Wenn man es nüchtern betrachtete, hatte Eregius genau das Richtige getan. Dass Geräusche gerade aus den Grabhöhlen erklangen, war verdächtig. Aber er hatte sich auch irren können. Vielleicht hatte er sich nur ein Geräusch eingebildet? Antonius leckte sich über die Lippen. Wenn Beranz sich bei Vater Gregor beschweren würde, könnte Antonius die Schuld auch einfach auf Eregius schieben und wäre aus dem Schneider. Mit dieser Entscheidung zufrieden, schob er die Tür auf und schritt den Gang entlang bis zum Gemach des Hauptmanns. Bis auf das schwache Licht seiner Kerze war der nächtliche Flur stockduster. Er warf einen Blick zum hochliegenden Fenster. Selbst der Himmel war gänzlich schwarz. Scheinbar hatten sich Wolken vor die Sterne geschoben und warfen nun ihren Schatten auf die

Abtei. Ein weiteres Mal aufseufzend öffnete er die Tür und trat in Beranzs Gemach. Wärme und abgestandene Luft schlugen ihm entgegen, sodass Antonius wieder einen Schritt zurücktrat. Zum einen begrüßte er die Wärme zwar, doch ließ die Luft darauf schließen, dass Beranz sein Zimmer seit Tagen nicht mehr gelüftet hatte. Ein Verstoß gegen eine der Regeln des Ordens der Waisen, die besagte, dass Bewohner der Abtei täglich ihren Raum zu lüften hatten. Antonius verscheuchte den Gedanken aus seinem Kopf und hob die Kerze ein wenig höher, um sich in dem Raum umzusehen und die Pritsche des Hauptmanns ausfindig zu machen. Selbige gefunden, trat er entschlossenen Schrittes auf sie zu und streckte die Hand aus, um Beranz an der Schulter zu fassen. Kurz bevor er sie berührte, zögerte er. Noch war es nicht zu spät, einfach zurückzugehen und die

Sache mit den Katakomben selbst in die Hand zu nehmen. Er schmunzelte. Dieser Gedanke war absurd. Vater Gregor würde ihm wochenlangen Strafdienst auferlegen. Also fasste er Beranz an der Schulter und rüttelte. "Was?!" Beranz fuhr auf und verpasste Antonius einen Faustschlag ins Gesicht, sodass dieser zurückstolperte und die Kerze zu Boden fallen ließ. "Oh! Bruder Antonius, ich bitte vielmals um Verzeihung. Ihr habt mich überrascht." "Nicht der Rede wert", ächzte Antonius und hielt sich die Wange. "Eure Schläge haben die Wucht eines Kindes." Beranz grinste einen Moment, ehe er seinen Blick von Antonius zum Fenster und wieder zurückschweifen ließ. "Warum weckt Ihr mich mitten in der Nacht?" Ehe er antwortete, bückte Antonius sich und hob die brennende Kerze vom Boden auf.

"Bruder Eregius hat seltsame Geräusche aus den Katakomben gehört und macht sich Sorgen. Ihr solltet lieber einmal nachsehen, ob sich dort unten jemand herumtreibt." "Warum sieht er nicht selber nach? Ich bin kein Kinderhüter." Beranz fuhr mit der Hand über sein bärtiges Gesicht und gähnte herzhaft. Er hatte kantige Züge und wachsame Augen, gekrönt von goldbraunem, kurz gehaltenem Haar. Das flackernde Kerzenlicht offenbarte eine tiefe Narbe auf seiner rechten Wange. "Sicher, sicher", antwortete Antonius. "Aber Ihr wollt doch einen schutzlosen Mönch nicht einem möglichen Grabräuber aussetzen?" Die Wange schmerzte noch immer. Antonius überlegte einen Moment, ob er den Faustschlag für seine Torheit verdient hatte. "Natürlich nicht. Gebt mir einen Augenblick Zeit, ich bin sofort da. Treffen wir uns beim Zugang zu den Katakomben." "Gut. Aber beeilt Euch. Ich habe wenig Lust, zu

lange für diesen Unsinn aufzubleiben." Antonius verließ den Raum und zog die Tür hinter sich zu. Er hörte noch das Knarzen der Pritsche, als Beranz aufstand, ehe er sich auf den Weg zum Hauptportal machte. Schon bei dem Gedanken an die Kälte der Nacht fröstelte ihm. Er schritt den Flur der Paladine entlang, ohne auf die prächtigen Heldenstatuen zu achten, die den Gang säumten. Dann erreichte er das Ende des Flures, öffnete die Tür und trat auf den Hauptgang. Er zögerte. Nun könnte er auch einfach wieder in seine Kammer zurückkehren und sich wieder auf seine Pritsche legen, statt mit Eregius und Mario auf den dunklen Zugang zu den Katakomben zu starren und darauf zu warten, dass Beranz wieder die Treppe hinaufsteigen und mit ärgerlichem Schnaufen erklären würde, alles sei in Ordnung. Der Gedanke war verlockend, aber die Neugier obsiegte. Ausserdem hatte er Beranz versprochen, ihn zumindest beim Zugang

zu treffen. Also folgte er dem Gang bis zur großen Halle und dem Portal der Abtei. Eine der großen Flügeltüren stand einen Spalt weit offen und ließ etwas Mondlicht in die Halle fallen. Das Pfeifen des Windes hatte etwas Unheimlicheres, je näher Antonius dem Portal kam. Langsam bewegte er sich vorwärts. Etwas in ihm weigerte sich, die Halle zu verlassen und den Vorhof der Abtei zu betreten. Er schauderte. Was war nur los mit ihm? Antonius erreichte das Portal und schob es ein Stück weiter auf. Dann trat er aus der Halle. Kühler Wind wehte vom Kräutergarten her und trug den Duft von Pfefferminz mit sich. In der Ferne klang das Plätschern eines Baches. Er blickte zum dunklen Nachthimmel auf. Einige Wolken versperrten den Blick auf die Sterne, doch der Mond stand außergewöhnlich hell am Himmel und warf sein Licht auf die gewaltigen Berge des Dornenrückens. Der Mönch atmete

tief durch und setzte sich erneut in Bewegung. In der Nähe hörte er das leise Gemurmle von Eregius und Mario. Das schwache Leuchten von Marios Kerze verriet ihren Standort, auf den Antonius nun schnellen Schritts zutrat. "Bruder Antonius. Gut, dass Ihr kommt." Eregius lächelte ihm entgegen, doch er klang besorgt. "Mario sagte mir, Ihr wolltet dem Hauptmann Bescheid geben?" "Ja, er müsste schon auf dem Weg sein", bestätigte Antonius und nickte Eregius zu. "Ich hoffe, das alles geschieht nicht grundlos. Sollte Beranz sich bei Vater Gregor beschweren, tragt Ihr die Verantwortung, Bruder Eregius." "Natürlich, Bruder." Eregius nickte und wandte seinen Blick auf die mit Ornamenten verzierte Katakombentür. "Ich bin mir nicht ganz sicher, was dort unten geschieht. Bruder Mario und ich haben das Schloss kontrolliert. Es wurde nicht

aufgebrochen." "Und die erwähnten Geräusche?" "Sie haben sich wiederholt. Es hat sich angehört wie Stampfen oder Rumpeln." Eregius leckte sich nervös über die Lippen. Sein Blick war ernst. "Ich denke nicht, dass wir Hauptmann Beranz dort alleine hinunterschicken sollten." Antonius schüttelte verärgert den Kopf. "So ein Unsinn. Eure Sinne täuschen Euch. Sicherlich seid Ihr müde von der Nachtwache. Außerdem kann Beranz gut auf sich aufpassen." "Die Sache gefällt mir auch nicht. Ich stimme Bruder Eregius zu, wir sollten weitere Hilfe holen", mischte Mario sich ein. "Und was stellst du dir vor, Mario? Sollen wir die gesamte Abtei aus den Betten holen, nur weil Bruder Eregius fantasiert?" "Ich fantasiere nicht!" Eregius schnaubte zornig. "Ihr mögt der Ältere sein, Antonius, aber ich lasse mich nicht von Euch als Narr

darstellen!" "Vorsicht, Bruder Eregius." Antonius runzelte die Stirn. "Treibt es nicht zu weit." Eregius spuckte wütend aus. "Wie Ihr wollt. Schicken wir Hauptmann Beranz allein dort hinunter. Aber hierfür tragt nun Ihr die Verantwortung!" "Gut, gut." Antonius hob beschwichtigend die Hände. "Ich versichere Euch, in einer Stunde werden wir wieder in unseren Betten liegen und Euch für Eure Feigheit verfluchen." Hinter sich hörten sie das große Portal knarren. Dann erklangen schwere Schritte auf dem Pflaster des Vorhofes. Wenige Momente später stand Beranz in eine Leinentunika gekleidet vor ihnen. "Da seid Ihr ja", stellte Eregius fest. "Gut erkannt", schmunzelte Beranz. "Ihr habt also Geräusche gehört. Und ich, als Eure Amme, soll es mir ansehen." "Antonius sagte...", begann Eregius, doch

Antonius unterbrach ihn. "Ich denke, Bruder Eregius sollte Euch begleiten. Dann kann er sich gleich davon überzeugen, dass sich ausser unseren dahingeschiedenen Brüdern niemand in den Katakomben befindet." "Sehr gut", nickte Beranz und fügte an Eregius gewandt hinzu: "Ihr könnt die Fackel halten und vorausgehen." Eregius hatte noch immer den Mund geöffnet und starrte Beranz an. "Äh..." "Mario, lauf und hole eine Fackel aus dem Lagerraum. Wir warten solange." Antonius sah dem davonhuschenden Mario einen Moment hinterher. Dann blickte er mit süffisantem Lächeln zu Eregius. "Ward Ihr schon einmal dort unten?" Eregius begegnete ihm mit feindseligem Blick. "Das werdet Ihr bereuen, Antonius!" Antonius lächelte nur, während Beranz stirnrunzelnd seinen Blick schweifen ließ.

Schweigen breitete sich aus, während die drei auf Marios Rückkehr warteten. Es dauerte nicht lange, bis er mit der gewünschten Fackel vor Antonius stand und sie ihm hinhielt. Dieser deutete nur zu Beranz, der Mario die Fackel aus der Hand griff und sie an seiner Kerze entzündete. "Ich schließe Euch auf. Bleibt nicht zu lange unten. Ich weiß nicht genau, wie lange die Fackel hält", sagte Antonius. "Wir werden sehen", antwortete Beranz und machte etwas Platz. Antonius schob den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Dann trat er zurück und nickte Beranz zu. "Bruder Eregius, Ihr nehmt die Fackel und geht vor", sagte Beranz und hielt dem Mönch die brennende Fackel entgegen. "Wie Ihr wünscht", antwortete dieser, griff die Fackel und stieg ohne ein weiteres Wort die steile Treppe zu den Katakomben hinab, gefolgt von Hauptmann Beranz.

"Gehen wir hinein. Es bringt nichts, wenn wir in der Kälte auf die beiden warten." Antonius winkte Mario mit sich und schritt den gepflasterten Hof entlang zum Portal. Vor dem Tor hielt er inne und drehte sich zu Mario um. "Ich kann es kaum erwarten, wieder auf der Pritsche zu liegen." "Mir geht es ähnlich, Bruder. Aber wir sollten zumindest warten, bis Bruder Eregius und Hauptmann Beranz wieder hier sind." Antonius nickte mürrisch. "Ich hoffe, Beranz lässt sich nicht zu viel Zeit." Er folgte dem Flur bis zur Kapelle der Abtei. "Mario, du wartest hier. Sprich ein Nachtgebet an die Waisen, wenn du schon hier bist." "Und Ihr, Bruder?" Mario sah ihn fragend an. "Ich warte im großen Saal." Ohne ein weiteres Wort drehte Antonius sich um und verließ die Kapelle. Ehe er die Tür hinter sich schloss, warf er noch einen prüfenden Blick zu Mario.

Der junge Mönch kniete bereits vor den großen Bronzestatuen der heiligen Waisen, während das Mondlicht einen schwachen Schimmer auf ihn warf. Zufrieden zog Antonius die Tür zu und schritt aufatmend zurück zum großen Saal. Dort angelangt setzte er sich auf eine der Bänke und wartete. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bis er Schritte von einem der Flure hörte. Mario kam ihm entgegen und warf Antonius einen fragenden Blick zu. Dieser schüttelte den Kopf. "Sie sind schon viel zu lange fort. Das gefällt mir nicht." "Sollen wir Vater Gregor wecken?" Marios Stimme verriet seine Unsicherheit. "Oder die Paladine?" Antonius fuhr mit einer Hand über sein Gesicht. Dann erhob er sich. "Du weckst die anderen. Ich gehe zu Vater Gregor und erkläre ihm die Sache."

"Was glaubt Ihr, ist geschehen?" Antonius konnte die Furcht in Marios Worten förmlich greifen. Sie umgab ihn wie eine Wolke. Auch er selbst konnte sich ihrer Wirkung nicht entziehen und spürte, wie sie gleich einer kalten Hand sein Herz umschloss. "Ich weiß es nicht. Aber gewiss nichts Gutes. Nun geh und wecke die anderen." Einen Augenblick lang sah Antonius Mario nach. Dann stand er auf und durchschritt mit zitternden Beinen die große Halle. Das Gemach des Abtes befand sich keine zwanzig Schritt entfernt an der anderen Seite der Halle. Antonius bewegte seine Beine, aber er hatte das Gefühl als käme er der Tür keinen Schritt näher. Als er endlich vor ihr stand, zögerte er. Was sollte er Gregor sagen? Dass er von Hochmut ergriffen seine Befugnisse überschritten und Eregius mit dem Hauptmann geschickt hatte? Dass er völlig überstürzt zwei Männer in die

Finsternis der Grabgewölbe geschickt hatte? Er ließ den Kopf hängen. Völlig entmutigt schob er die Tür auf. Eisiger Wind wehte ihm aus dem fensterlosen Raum entgegen. Überrascht stellte er fest, dass Vater Gregor nicht anwesend war. Die Pritsche des Abtes war aufgewühlt und eine Kerze flackerte im kalten Luftzug. Antonius blickte sich verwirrt um. Er hatte nicht bemerkt, dass Vater Gregor seinen Raum in der Nacht verlassen hatte. Nachdenklich verließ er den Raum wieder und vernahm gleich darauf eilige Schritte. Mario kam in den Raum gehastet und gestikulierte wild. "Es ist niemand da!", rief er, kam vor Antonius zum Halten und schnappte nach Luft. "Sie sind ... alle fort." Antonius schwieg und blickte zur Decke. Die Finsternis war so undurchdringlich, dass er von der hohen Decke der großen Halle nichts als

Schwärze erkannte. Er erschauderte. "Was hat das zu bedeuten? Bruder Antonius?" Antonius deutete Mario mit einer Handbewegung zu schweigen. Dann winkte er ihn mit sich und schritt erneut in Richtung des Portals. "Das ist höchst seltsam. Sogar Vater Gregor ist fort. Das gefällt mir alles ganz und garnicht." "Was habt Ihr vor, Bruder?" "Du nimmst Vater Gregors Pferd und reitest nach Siss. Mach keine Umwege. Sag der Stadtwache, die Abtei ist in Not und braucht Unterstützung. Ich werde vor dem Tor auf dich warten." Mario blickte ihn mit Augen an, die von Angst erfüllt waren, doch er widersprach nicht. Er rannte zum Stall, kurz darauf hörte Antonius ihn davongallopieren. Antonius sah sich auf dem Hof um und versuchte, den Geruch des Kräutergartens einzufangen, doch es gelang ihm nicht.

Stattdessen wurde der Duft der Kräuter von etwas anderem überlagert, das er nicht zuordnen konnte. Er kam nicht um den Gedanken herum, dass die Luft böse roch. Er warf einen Blick auf den Zugang zu den Katakomben. Was er dort sah, ließ sein Herz gefrieren. "Bruder Antonius!" Er wurde durchgerüttelt. "Wa... was?" Antonius schlug die Augen auf und blickte in Marios besorgtes Gesicht. "Wieso bist du noch hier? Ich habe dir befohlen, nach Siss zu reiten!" Mario runzelte die Stirn. "Wie?" Antonius richtete sich auf. Er befand sich im großen Saal. Das Portal stand einen Spalt weit offen und ließ etwas Mondlicht einfallen. Der kühle Wind trug den Geruch von Pfefferminz mit sich. "Nichts." Er schüttelte den Kopf. "Ich habe nur geträumt. Schätze ich. Sind Beranz und Bruder Eregius schon

zurück?" "Nein, Bruder. Aber ich glaube, es ist noch zu früh als dass sie schon zurück sein könnten. Sie sind noch keine Stunde dort unten." "Hm, gut. Sieh nach, ob die Tür noch offensteht. Es wäre ungünstig, wenn wir vergeblich auf die beiden warten, nur weil die Tür ins Schloss gefallen ist." Antonius erhob sich von der Bank und rieb seinen Nacken. Er war tatsächlich eingeschlafen. "Sicherlich würde es sie nicht erfreuen." Mario verließ die Halle und kam gleich darauf wieder hinein. "Die Tür steht offen, ich konnte den Fackelschein von hier aus sehen." "Den Fackelschein? Soll das heißen sie sind schon zurück?" Antonius erhob sich und schritt Mario entgegen. "Offensichtlich, Bruder." "Na endlich! Dann kann ich gleich wieder schlafen gehen." Er trat aus der Halle und ging in Richtung des Katakombenzugangs. Er konnte

tatsächlich den Fackelschein erkennen, der auf die Wände des Zugangs geworfen wurde. Sie gelangten am Eingang an und warfen einen Blick die Treppe hinab. Irgendetwas leuchtete dort unten, doch Antonius konnte nicht erkennen, was es tatsächlich war. Beranz und Eregius waren es jedenfalls nicht. Er sah zu Mario, der wie gebannt auf das Leuchten starrte. "Was geht da unten vor?" Mario zuckte mit den Schultern. "Vielleicht haben sie ein Feuer gemacht?" "Was für ein Unsinn!" Antonius schüttelte den Kopf. Auf eigenartige Weise fühlte er sich zu dem seltsamen Leuchten hingezogen. "Hol eine Fackel! Wir sollten uns das einmal ansehen."

Kapitel 1

"... und dann verpasste ich ihm einen Schwinger, der so hart war, dass er mit dem Kopf gegen die Wand flog und bewusstlos liegen blieb! Hahaha!" Die Tischrunde brüllte vor Lachen. Ein Sitznachbar klopfte dem Hünen bewundernd auf die Schulter und hob ihm seinen Krug entgegen. "Und dann konnte ich mich endlich den Weibern widmen." Der Hüne lehnte sich zurück. Sein Stuhl krachte bedrohlich, als die Rückenlehne knackend zurückgedrückt wurde. "Die hättet ihr sehen sollen." Er schnaufte und schlug mit der Faust auf den Holztisch. "Wein!" "Natürlich, sofort." Geduckt kam der Wirt herbei und stellte eine weitere Runde roten, wässrigen Gesöffs bereit. Langley beäugte den katzbuckligen Mann misstrauisch, ehe er seinen Blick wieder auf die grölende Runde richtete. Soldaten oder Söldner

vom Westkontinent, schätzte er, der dunklen Haut nach zu urteilen. Kopfschüttelnd lauschte er den Ausführungen des riesenhaften Kriegers, wie er das Bett zum Zusammenbrechen gebracht hatte. Ungehobelte Barbaren. Langley schnippte mit den Fingern und hielt dem Wirt eine Silbermünze entgegen. "Ihr wünscht zu zahlen, edler Herr?" Der katzbucklige Wirt schenkte ihm ein zahnloses Grinsen. "Jaja. Sagt mir, was ich Euch schulde, damit ich endlich verschwinden kann." "Fünf Silbermünzen für den Wein. Und sieben für den Eintopf." "Fünf? Für dieses Gesöff?" Langley runzelte die Stirn. "Ihr beliebt zu scherzen!" "Gewiss nicht, edler Herr. Preis ist Preis." Langley verzog das Gesicht und gab dem Wirt die gewünschte Summe. Ohne ein weiteres Wort erhob er sich dann, griff nach seinem langen Ledermantel und machte sich auf den Weg zur

Tür. Es fiel ihm schwer, in dem rauchgeschwängerten Alkoholdunst zu sehen. Er riss die morsche Holztür auf und betrat aufatmend die Straße. Eine Brise wehte durch die Stadt und trug den Geruch von geräuchertem Fisch und Abfällen mit sich. Ein Fuhrwerk rauschte vorbei und bewarf die schäbigen Häuserwände mit Dreck. Erst jetzt fiel Langley auf, dass es regnete. Er zog den Mantel enger um sich und setzte sich in Bewegung. Der Wind drehte und trug nun den Gestank der Stadt mit sich. Langley rümpfte die Nase und beschleunigte seinen Schritt, bis er um eine Ecke bog und der Hafen in Sicht kam. Die Luft war erfüllt von den Klängen des Hafentreibens. Seemänner riefen sich scherzhafte Bemerkungen zu, während Kisten und Fässer auf Schiffe geladen wurden. Verschiedene Händler boten lauthals ihre Waren feil. Langley verlangsamte seinen Schritt, um auf

dem nassen Pflasterstein nicht auszurutschen und sah sich suchend um. Er entdeckte, was er suchte, nicht sonderlich weit entfernt. Eine große Kogge mit der Aufschrift Kristallsegel lag an einem nahen Pier und wurde auf die Weiterfahrt vorbereitet. "Langley! Das ist ja eine Überraschung..." Langley wandte sich um und blickte in ein von Narben entstelltes Gesicht. Er lächelte und gab seinem Freund die Hand. "Malus, was treibst du hier am Hafen?" Malus war außerordentlich kräftig. Der Wappenrock der Stadtwache Seetors unterstrich den einschüchternden Anblick, den der vernarbte Soldat bot. "Es gibt Gerüchte, dass Piraten sich hier im Hafen herumtreiben sollen. Ich passe unter anderem auf, dass niemand herumstänkert." "Piraten ... ich hoffe der Senat unternimmt bald etwas gegen diese Pest." Langley sah sich einen Moment um. "Hast du schon einen

Verdacht?" Malus sah ihn verwirrt an. "Wie?" "Die Piraten. Hast du schon einen Verdacht, wer es sein könnte?" "Ich nicht, sondern der Hauptmann. Aber ich darf es dir nicht sagen." Seine Worte Lügen strafend, richtete Malus seinen Blick auf eines der anliegenden Schiffe. "Jedenfalls werden wir bald eine Überprüfung durchführen", fuhrt er fort. Langley konnte nicht anders, als seinem Blick zu folgen. Eingehend betrachtete er das Schiff. Es machte einen gepflegten Eindruck. Die Matrosen verhielten sich leise und verrichteten ihre Arbeiten auffallend fleißig. Langley musste lächeln. "Die müssen sich ja wohlfühlen." Malus hob die Schultern. "Wir werden sehen. Aber du sagst kein Wort! Ich habe dir schon mehr erzählt, als ich eigentlich darf." Er strich eine Falte auf seinem Wappenrock glatt und richtete sich etwas auf, ganz als wollte er

Autorität beweisen. "Natürlich, natürlich! Du kannst dich auf mich verlassen. Aber verrat mir eines noch..." "Was?" "Nenn mir eine Schenke in der Stadt, in der ich nicht vom Schweiß und Bierdunst auf der Türschwelle umkippe." Der Hüne grinste. "Ich fürchte, da kann ich dir nicht weiterhelfen. Zumindest dieser Tage nicht." "Ich wusste, dass irgendeine besondere Zeit angebrochen ist!" Langley schnippte mit den Fingern. "Leider ist es mir bis jetzt nicht gelungen zu ergründen, was genau für eine Zeit das sein soll." "Ich schätze, es hat mit dem Krieg im Norden zu tun. Es gibt viele Flüchtlinge, die in die südlichen Provinzen strömen und auf ein Schiff zu den Südlichen Kontinenten hoffen." "Vergebliche Liebesmüh, wenn du mich fragst." Langley schüttelte den Kopf. "Die meisten

könnten doch nicht einmal eine Fahrt auf einem Jauchewagen bezahlen. Wie sollen sie da in den Süden kommen?" "Frag das nicht mich, sondern die Flüchtlinge." Malus schnaufte durch. "Allerdings haben wir von der Stadtwache die Probleme am Hals, die diese armen Hunde mit sich bringen. Die Anzahl der gemeldeten Diebstähle hat sich inzwischen verdoppelt. Und wie schlimm es im Armenviertel aussieht, willst du gar nicht wissen. Der Senat steht kurz davor, es mit einer Palisade zu umzäunen, damit die Bettler aus den reicheren Vierteln fernbleiben." "Ich hatte nicht geahnt, dass der Krieg solche Auswirkungen auf die Stadt haben würde." Langley runzelte beeindruckt die Stirn. "Wie lange wird der Konflikt dauern?" "Bis er beigelegt ist." Der Soldat schmunzelte schmal und klopfte Langley auf die Schulter. "Vielleicht solltest du öfter die Senatssitzungen besuchen. Ich hatte erwartet, dass du besser

über die jüngsten Ereignisse informiert seist." "Du kannst die nächste Sitzung für mich mitschreiben und sie nach Firn schicken. Da werde ich mich nämlich die nächsten Wochen aufhalten", antwortete Langley. "Was treibt dich denn nach Firn?", fragte Malus mit gerunzelter Stirn. Langley glaubte, Missfallen in seiner Stimme zu hören. "Es heisst, dass im sie im Osten größere Verwendung für Söldner haben." "So? Klingt für mich nach Kriegsvorbereitung. Wofür sollten sie sonst Söldner anheuern?" Langley hob die Schultern. "Probleme mit Räubern? Ich werde es früh genug erfahren." Er vernahm schwere Schritte hinter sich und drehte sich um. Ein Trupp der Stadtwache marschierte über den Kai und steuerte auf das verdächtige Schiff zu. "Da sind sie", kommentierte Malus unnötigerweise und nickte Langley zu, ehe er dem Trupp folgte.

Langley sah den Wachen hinterher und verschränkte abwartend die Arme. Sie marschierten in geschlossener Formation auf das Schiff zu und blieben am Pier stehen. Ein Offizier trat vor und rief etwas. Überrascht sah Langley, wie die Matrosen fluchend auseinanderstoben und nach Waffen griffen. "Was für Idioten", murmelte Langley nur, während er amüsiert zusah, wie die Wachen mit gezogenen Schwertern lostrabten und den unorganisierten Widerstand der Piraten in wenigen Sekunden brachen. Das beeindruckende Ergebnis untermauerte nur den hervorragenden Ruf der Soldaten der Republik Gafalus. Die Piraten wurden in Ketten gelegt und von scherzenden Wachen abgeführt. Langley wandte sich ab. Letztendlich war das Ergebnis uninteressanter als erwartet, sodass er nun auf sein eigentliches Ziel am Hafen zusteuerte: Das Schiff

Kristallsegel. Während er den Kai entlangwanderte, fiel ihm auf, dass es deutlich ruhiger geworden war. Die meisten Seemänner hatten noch immer ihren Blick gebannt auf das Piratenschiff gerichtet und ließen, der fluchenden Offiziere zum Trotz, ihre Arbeit einfach liegen. Verwundert wandte Langley sich erneut um, gespannt was ihn erwarten würde. Er sah Malus und einen anderen Soldaten, die eine schwere Kiste vom Schiff hievten und dann zum Kai trugen, wo sie sie abstellten. Ein aufwändig gekleideter, alter Mann verscheuchte die Soldaten mit einer Handbewegung und schien die Kiste genau zu begutachten. "Ihr seid sicher, dass es das richtige Schiff ist?" "Ja, Herr. Ganz sicher. Unser Informant hat die Diebe bis hierhin verfolgt und gesehen, wie sie die Phiole auf das Schiff brachten." Der Offizier

wischte sich nervös den Schweiß von der Stirn, während er dem Zauberer die Sachlage erklärte. "Und niemand hätte das Schiff verlassen können, ohne, dass wir es mitbekommen hätten." "Dann muss die Phiole noch hier sein. Nehmt das Schiff auseinander, wenn nötig. Die Essenz muss gefunden werden!" Marcus trat wütend gegen die klobige Holzkiste. Einige Ratten, die die Szenerie bis dahin beobachtet hatten, stoben ängstlich quiekend auseinander. Der Erzmagus von Seetor wischte sich mit zitternder Hand eine Strähne aschgrauer Haare aus der Stirn. Er würde der törichten Wache, die diesen Diebstahl zugelassen hatte, jeden Zahn einzeln herausreißen. Er wusste, dass es nicht die erforderliche Genugtuung bringen würde, doch immerhin würde es die Aufmerksamkeit der übrigen Wachen steigern. Zumindest für eine Weile. "Bringt das Schiff in die Werft!", hörte Marcus

den Offizier rufen. Er lächelte. Zumindest dieser Kerl war klug genug, seine Worte ernst zu nehmen. Mit wehendem Gewand drehte er sich um und verließ ohne weitere Worte den Kai. Bis zum Morgengrauen konnte er keine weiteren Ergebnisse erwarten, so viel stand fest. Kalter Wind wehte ihm entgegen und trug den Gestank von allerhand Abfällen mit sich. Er rümpfte die Nase. Es war ihm nie aufgefallen, wie schmutzig die Stadt in Wirklichkeit war. Marcus beschleunigte seine Schritte, um das Hafenviertel so schnell wie möglich verlassen zu haben. Die vielen Verneigungen, die die Passanten ihm zuteil werden ließen, erfüllten ihn zumindest ein wenig mit Genugtuung, was den Ort nicht mehr ganz so widerwärtig erscheinen ließ. Plötzlich hielt er inne. Ein Gedanke erfüllte ihn mit Unbehagen, so unwahrscheinlich er auch war. Was, wenn die Soldaten die Phiole, wenn sie sie fanden, in ihrer Tölpelhaftigkeit

zerstörten? Oder schlimmer, wenn sie sie gar nicht fanden? Marcus machte auf dem Absatz kehrt und folgte der Straße schnellen Schrittes wieder zurück zum Hafen. Beide Fälle bargen Risiken, die er auf gar keinen Fall einzugehen gewillt war. Im ersten Fall wäre die Essenz für immer verloren. Ein herber Verlust, den er dem Senat dann beichten müsste. Der Verlust der Essenz ansich machte ihm weniger Sorgen als der Gedanke, dem Senat eine schlechte Nachricht überbringen zu müssen. Der andere Fall war deutlich ungemütlicher. Zum einen war die Essenz für die Republik für immer verloren, zum anderen war sie dann auch noch in der Hand von Räubern, die entweder keinerlei Ahnung hatten, welchen Wert sie innehatte, oder, was noch schlimmer wäre, sie wurden beauftragt sie zu stehlen und händigten sie nun einem Feind der Republik aus. Der Erzmagus erschauderte in Gedanken. Der Senat

würde ihn für ein solches Versagen hinrichten lassen, das war gewiß. Mit einer Handbewegung erschuf er eine Fliege, der er vorausschickte, um den Leutnant der Wachen am Hafen auszumachen. Er selbst folgte seiner Intuition und schritt den Kai in Richtung Werft ab. Beiläufig nahm er wahr, wie ein junger Mann einem Matrosen im Vorbeilaufen die Tabakdose vom Gurt stahl. Mit einer gleichgültigen Geste schnippte Marcus dem Dieb einige Funken entgegen und setzte seinen Weg fort, ohne sich weiter um den Verbleib des Kerls zu kümmern. Er erreichte die Werft und sah sich um. Voller Unbehagen stellte er fest, dass das Piratenschiff nicht hier war. Stadtwachen konnte er ebenfalls keine entdecken. Er tastete seine Gedanken nach der magischen Fliege aus, nur um zu erfahren, dass auch ihre Suche erfolglos geblieben war. Marcus spürte, wie seine Beine zu Zittern

begannen und lehnte sich an eine Wand. In drei Tagen wäre sein Todesurteil vom Senat akzeptiert. Langley überreichte dem Kapitän der Kristallsegel einige Münzen und verließ die Kajüte wieder. Wenn alles glatt lief, wäre er in drei Tagen in Firn und konnte sich auf die Suche nach gut bezahlter Arbeit machen. Er verließ das Schiff und sah sich um. Einige Stunden hatte er noch Zeit, bis die Kogge ablegen würde. Zeit genug, um sich noch von Malus zu verabschieden. Er ließ den Blick über den Kai schweifen, konnte jedoch weder seinen Freund irgendwo entdecken, noch irgendeine andere Wache. Stirnrunzelnd sah er zum Pier, wo vor wenigen Minuten noch das Piratenschiff gelegen hatte. Erstaunt stellte er fest, dass es bereits einige Meilen von der Küste entfernt war und offenbar Kurs auf die Südlichen Kontinente nahm. Waren die Piraten freigelassen

worden? Langley entschied sich, Malus die Frage später zu stellen und machte sich auf die Suche. Einfach zu verschwinden, sah Malus nicht ähnlich. Langley musste sich jedoch eingestehen, dass die Pflichten als Soldat den Pflichten als Freund gegenüber stets Vorrang hatten. Er entdeckte den berobten, alten Mann, wie er langsamen Schrittes die Werft verließ und offensichtlich äußerst niedergeschlagen in eine schmale Seitengasse einbog. Dieser Auftritt ließ ihn einiges der Autorität einbüßen, die er vor Kurzem noch vor den Stadtwachen gezeigt hatte. Langley sah ihm verwundert nach und steuerte auf die Schiffswerft zu. Die notdürftig zusammengezimmerte Tür der Werft stand noch einen Spalt offen, als er sie erreichte. Langley schob sie auf und warf einen Blick hinein. Sonnenstrahlen fielen durch die löchrige Wand und Spalten in der Decke und ließen auf

eindrucksvolle Weise den Staub tanzen. Langley konnte einige Fledermäuse erkennen, wie sie an der Decke hingen, ansonsten war die Werfthalle völlig leer. Die großen Tore, durch die gewöhnlicherweise die Schiffe ins Wasser gelassen wurden, waren mit einem Schloss verriegelt, das aussah, als sei es seit Jahrzehnten nicht mehr geöffnet worden. Langley zog die Tür hinter sich zu und sah sich genauer um, während er über die staubigen Holzplanken schritt und so ein penetrantes Knarren erzeugte. Der Anblick der Werft war mehr als verwunderlich. Es machte den Anschein, als sei sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr genutzt worden, obwohl die Republik eine starke Flotte beschäftigte und Seetor eine der bedeutendsten Hafenstädte des Kontinents war. Der Handel mit den sagenhaften Südlichen Kontinenten lief großteils über Seetor ab, ebenso wie die Stadt eine der ersten Anlaufstellen großer

Küstensegler war, die von Stürmen auf das offene Meer getrieben wurden und eine Reparatur benötigten. Dass eine der Werften am Haupthafen seit längerer Zeit leerstehen sollte, wie es hier den Anschein machte, kam Langley äußerst seltsam vor. Die Sache stank zum Himmel. Ein Knacken ertönte über ihm, sodass er den Blick zur Decke wandte. Mit gerunzelter Stirn sah er, wie sich genau über ihm ein Riss in einem der massiven Dachbalken bildete und kleine Holzspäne auf ihn niederregneten. Misstrauisch verengte er die Augen, ehe er zur Seite sprang und sich so vor dem herabstürzenden Balken rettete. Schnaufend richtete er sich auf und floh mit langen Schritten zur Tür. Ein rascher Blick über die Schulter zeigte ihm, wie gut er an der Flucht tat, denn nun brach scheinbar die gesamte Decke in sich zusammen. Langley riss die Tür auf und stolperte aus der zusammenstürzenden Werft. Hustend und schnaufend klopfte er sich

den Staub vom Mantel und blickte sich um. Während seiner Vernichtung verursachte das Gebäude ohrenbetäubenden Lärm, der sogar die laute Brandung übertönte. Erst, als scheinbar der letzte Pfeiler umgekippt war, realisierte Langley, dass praktisch alle Augen des Hafens auf ihn gerichtet waren. Nervös sah er sich um. Matrosen, Passanten, Händler. Alle starrten ihn an oder tuschelten. Langley sah einige Burschen davonlaufen. Panik stieg in ihm auf. Sie würden die Stadtwachen rufen und man würde ihn einkerkern, weil er die Werft zerstört hatte. Mit schnellem Schritt trat er auf eine schmale Gasse zu, die vom Hafen wegführte. Ein fetter Händler stellte sich ihm in den Weg. Langley stieß den Kerl grob zur Seite und begann zu rennen. Hinter sich hörte er Rufe und Fußgetrappel. Er hetzte die Gasse entlang, riss einen Obststand um und stürmte weiter. Panisch sah er sich nach einem Ausweg um. Eine Seitengasse sah einladend aus und Langley

folgte ihr geschwind. Er bog in eine weitere Gasse ein, sah sich um, stolperte und stürzte zu Boden. Fluchend rappelte er sich auf und hetzte weiter, ohne auf die verwunderten Rufe von Passanten zu achten. Als er sich sicher war, dass er die Meute abgehängt hatte, lehnte er sich an eine schmutzige Hauswand und verschnaufte. Er hatte Seitenstechen und bekam kaum noch Luft. Eine Fliege umschwirrte sein Gesicht und lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Langley wischte sie mit einer Handbewegung fort, doch sie war äußerst hartnäckig und ließ sich nicht verjagen. Missmutig zerquetschte er das lästige Insekt zwischen seinen Handflächen. Nach einer Weile richtete er sich auf und atmete durch. Es war Zeit, zu verschwinden. Der Vorfall in der Werft hatte seinen Entschluss, Seetor zu verlassen, nur unterstützt. Ungünstigerweise hatte er ihm jedoch die Möglichkeit, mit dem Schiff nach Firn zu reisen,

gründlich verbaut. Er überlegte. Die Zerstörung der Werft, auch wenn sie leer stand, war keine Kleinigkeit. Wenn die Wachen tatsächlich nun nach ihm suchten, konnte er unmöglich durch eines der Stadttore verschwinden. Der Hafen fiel ebenfalls aus, denn dort würden sie sicherlich besonders intensiv nach ihm suchen. Wie konnte er möglichst ungesehen die Stadt verlassen? Er schnüffelte an der Luft. Der Gestank von Exkrementen war hier überwältigend stark. Das war die Lösung! Langley musterte das rostige Gitter, das den Zugang zum Kanalisationssystem der Stadt versperrte, sorgfältig. Eine dicke Kette mit marode aussehendem Schloss stand nun noch zwischen ihm und diesem übelriechenden Weg in die Freiheit. Langley zog seinen Dolch und steckte die Klinge in das Schloss.

Festgetrockneter Dreck bröckelte von dem rostigen Stück Eisen und bestätigte den Eindruck der Vernachlässigung dieses Zugangs. Es kostete ihn keine sonderliche Mühe, mit dem Dolch das Schloss aufzubrechen. Er zog die Kette fort und zuckte zusammen ob des unangenehm lauten Quietschens, das die Gittertür erzeugte, während er sie aufzog. Es schien, als hätte die Tür ein Eigenleben entwickelt und schreie ihn nun an, aus lauter Verzweiflung, dass er ihre alten, lange ungenutzten Knochen bräche. Langley schüttelte den Gedanken ab und betrat den stinkenden Zugang. Er hatte das Gefühl, als schlage ihm der Geruch in Wellen entgegen. Als sammelten sich die Dunstwolken, um Kraft zu schöpfen, und stürmten ihm dann entgegen. Angewidert versuchte Langley, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Als seine Augen sich an die Finsternis gewöhnt hatten, begann er, die glitschige Treppe hinab in die

Kanalisation zu steigen. Der Zugang im Rücken spendete gerade so viel Licht, dass Langley mit viel Anstrengung die Treppe hinabsteigen konnte. Es dauerte eine Weile, bis er die Treppe bewältigt hatte. Dunst waberte um ihn herum und schwächte das wenige Licht weiter ab, das durch die Gitter fiel, die alle hundert Meter die Decke unterbrachen und einen Abfluß des Regenwassers und des meisten Unrates gewährleisteten. Er versuchte, sich zu orientieren. Als ihm die geniale Idee, durch die Kanalisation zu fliehen, gekommen war, hatte er nicht bedacht, in welche Richtung er fliehen müsste. Nachdenklich betrachtete er das schlammige Wasser, das den Schmutz der Stadt ins Meer trug, und versuchte, eine Strömung auszumachen. Das schwache Dämmerlicht machte es ihm nicht leicht, etwas zu erkennen, doch zur Mitte hin vernahm er etwas, das man

mit viel Fantasie als Bewegung bezeichnen konnte. In diese Richtung musste es zum Meer, und damit aus diesem stinkenden Gangsystem hinaus gehen. Langley folgte dem Kanal eine Weile, immer wieder hinter sich blickend und lauschend, ob ihm doch jemand gefolgt war. Das war nicht der Fall, dennoch erwies sich seine Flucht komplizierter als erwartet. Er erreichte eine Wand. Der Strom aus Unrat, Schlamm und Wasser sickerte blubbernd durch ein quadratisches Loch in der Wand und floss dann scheinbar eine Ebene tiefer weiter. Der Laufsteg, den Langley bis dahin entlanggeschritten war, endete vor einer Metalltür ohne ersichtlichen Öffnungsmechanismus. Langley versuchte, sie aufzudrücken - erfolglos. Scheinbar war die Tür von der anderen Seite verschlossen. Er fluchte laut. Aufgeregtes Zischen ertönte von der anderen Seite und ließ Langley

aufhorchen. Etwas kratzte an der Tür, ehe sie sich quietschend und über den Steinboden schleifend in seine Richtung aufschob. Erwartungsvoll starrte Langley sie an, gespannt wer ihm entgegentreten würde. Als seine Erwartung bestätigt wurde und er einem Goblin in die schmutzig gelben Augen sah, zog er ohne großes Zögern seinen Dolch und stieß ihn der Kreatur entgegen. Diese wich überraschend geschickt zurück und ergriff eine rostige Eisenkeule. Heisere Schreie aus dem gegenüberliegenden Raum ließen Langley darauf schließen, dass noch weitere Goblins anwesend waren. Er knurrte grimmig und fuchtelte mit dem Dolch herum. "Komm schon, du widerliches Ding!" Der Goblin kicherte, hob die Keule und sprang auf Langley zu. Dieser wich dem Schlag zur Seite aus und rammte dem Wesen seinen Dolch in den Nacken. Mit einem Tritt beförderte er es dann in den stinkenden Kanal, wo es gurgelnd im

Unrat versank. Langley trat durch die Tür, den Dolch kampfbereit erhoben. Zwei weitere Goblins saßen an einem Feuer, über dem sie scheinbar Ratten brieten. Der unangenehme Geruch verbrannter Haare überdeckte den des gerösteten Rattenfleisches und verstärkte Langleys Unbehagen über den ohnehin schon herrschenden Gestank weiter. Die Goblins sprangen von ihren wackligen Hockern auf, griffen nach ihren primitiven Waffen und sprangen übermütig auf Langley zu. Dieser packte den dünnen Arm des einen Goblins mit seiner freien Hand, während er sich unter dem Schlag des anderen hinwegduckte und ihm mit dem Dolch den Rücken aufschnitt. Er wandte den Blick von dem unschönen Ergebnis ab und brach mit einer entschlossenen Bewegung den Arm des ersten Goblins. Dieser ließ seine Waffe fallen und fiel schreiend zu Boden. Langley zog ihm den Dolch über die Kehle - wenige Sekunden später war es still.

Suchend sah er sich nach dem Kanal um. Offenbar floss dieser tatsächlich eine Ebene tiefer weiter, denn dort, wo er eigentlich hätte hindurchsickern müssen, war nichts als massive Steinwand. Glücklicherweise entdeckte er auf der anderen Seite des Raumes jedoch eine weitere Tür, die womöglich in die richtige Richtung führte. Er drückte sie auf. Mit Erleichterung stellte er fest, dass einige Stufen tiefer tatsächlich der Kanal weiterfloss. In der Ferne konnte Langley schwaches Leuchten erkennen. Tageslicht, vermutete er. Seinen Dolch mit einem Tuch abwischend, trat Langley die Stufen hinab und folgte dem Kanal mit schnellen Schritten. Er würde den Mantel wegwerfen müssen, überlegte er. Zum einen kannte ihn nun die gesamte Hafengesellschaft Seetors in diesem Mantel, zum anderen stank er inzwischen so erbärmlich, dass Langley schlecht davon wurde. Mit Wehmut dachte er an

all das, was er bereits mit diesem Kleidungsstück durchgestanden hatte, bis er mit Enttäuschung feststellte, dass die Liste kürzer war, als erhofft. Er erreichte das Ende des Kanals. Eine Gittertür, die der des Zugangs in der Stadt sehr ähnelte, versperrte ihm nun Weg. Doch die Abwesenheit eines Schlosses machte ihm die Überwindung dieses Hindernisses unverhofft leicht. Eilig stieß Langley die Gittertür auf und trat an die frische Luft, die ihm in einer rettenden Brise entgegenwehte. "Ihr habt länger gebraucht, als ich erwartet habe." Langley schreckte herum und blickte in das Gesicht jenes alten, berobten Mannes, den er zuvor am Hafen bereits gesehen hatte. "Wer seid Ihr?", stieß er hervor. Der alte Mann schenkte ihm ein trauriges

Lächeln. "Ich bin Marcus, Erzmagus von Seetor im Dienste des Senats." Langley runzelte die Stirn. Seine Hand ruhte alarmiert auf dem Griff seines Dolches. Sein ganzer Körper war angespannt und bereit zur schnellen Flucht. "Ich weiß, dass Ihr auf der Flucht vor den Wachen seid. Es heißt, Ihr hättet die alte Werft am Westhafen zerstört", fuhr der alte Mann fort. "Ich kann Euch helfen." "Ich brauche keine Hilfe." Das Letzte was er brauchen konnte, war ein dünngliedriger Zauberer, der ihn auf seinem Weg nach Firn behindern würde. "Ich brauche keine Hilfe", wiederholte er. "Gewiß nicht. Das Letzte was ein Mann im Umland Seetors auf seiner Flucht vor der gesamten Garnison und auf seinem Weg über den halben Kontinent ohne Verpflegung oder Reisemittel brauchen könnte, ist die Hilfe eines alten Mannes." Der Zauberer lächelte ihn erneut

an, doch diesmal auf eine unheimlich selbstsichere Weise. "Dann mache ich Euch ein anderes Angebot. Ihr helft stattdessen mir, bekommt einen fürstlichen Lohn und zudem ..." Er machte eine kurze Pause. "... sorge ich dafür, dass Ihr Euch wieder in der Stadt blicken lassen könnt." Langley horchte auf. Ein guter Auftrag würde ihm den weiten Weg nach Firn ersparen. Als Erzmagus von Seetor zahlte der alte Mann sicherlich nicht schlecht. "Worum geht es?", fragte er vorsichtig. "Das erkläre ich Euch besser an einem anderen Ort. Dieser penetrante Geruch der Abwasserkanäle stört meine Konzentration. Und der Eure ebenso. Ich bereite Euch ein Bad, dann reden wir weiter." Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte Marcus sich um und schritt auf einen Waldrand zu. Langley folgte ihm schulterzuckend. Sie durchquerten den Wald eine Weile. Der

Geruch nassen Laubes und aufgewühlter Erde mischte sich auf seltsame Weise mit der frischen Seebrise und dem Gestank, den Langley aus dem Abwasserkanal mit sich brachte und erzeugte eine höchst eigenartige Duftnote. Langley stellte sich vor, wie die meisten Waldtiere den fauligen Gestank wittern und in panischer Angst flüchten würden. Er lächelte amüsiert bei dem absurden Gedanken, dass er der Verursacher einer Massenflucht sein könnte. Nach etwa einer Stunde Fußmarsch erreichten sie eine Lichtung. Ein Zelt aus grauem Leinen war hier vor einer erkalteten Feuerstelle aufgebaut, über der ein rostiger Topf hing, in dem ohne weiteres ein Kind Platz gefunden hätte. Eine modrige Holzbank bot eine Sitzgelegenheit an der Feuerstelle und wirkte nach der Flucht und dem langen Fußmarsch durch den vom Regen durchnässten Wald mehr als einladend.

Langley ließ sich auf die Bank sinken und atmete durch. Marcus kroch in das kleine Zelt und rief etwas Undeutliches heraus. "Was?" Der alte Zauberer steckte den Kopf aus dem Zelt. "Ihr müsst den Mantel ausziehen. Dieses Stück Leder stinkt inzwischen erbärmlicher als während seiner Herstellung." Murrend folgte Langley der Anweisung und warf den Mantel ins nasse Gras. Nachdenklich betrachtete er dann die Feuerstelle. "Wie wäre es, wenn ich ein Feuer entfache?", rief er zum Zelt und zuckte zusammen, als beinahe augenblicklich eine Flamme aufloderte und erst brüllende Hitze, dann wohlige Wärme ausstrahlte. Zufrieden streckte Langley dem Feuer seine Beine entgegen und schloss die Augen. Geraschel verriet ihm, dass Marcus das Zelt wieder verließ. "Ihr habt es Euch also schon gemütlich gemacht.

Gut. Ich habe Euch einen Zuber mit heißem Wasser und frische Gewänder hinter das Zelt gestellt. Wascht Euch, dann erkläre ich Euch den Auftrag." Die Art, wie der Zauberer dies aussprach, ließ Langley gar keine andere Möglichkeit als seiner Anweisung zu gehorchen. Fast schon mechanisch erhob er sich und trottete hinter das Zelt, wo tatsächlich ein dampfender Waschzuber auf ihn wartete. Auf einem wackligen Abstelltisch lag ein Stück Seife auf sauber zusammengelegten Gewändern, die einem Adeligen gerecht gewesen wären. Langley fühlte sich wie ein Fürst und war seit langer Zeit das erste Mal wieder vollends zufrieden mit der Situation. Er entkleidete sich und stieg in den Waschzuber. Entgegen aller Erwartung zuckte er nicht vor der Hitze zurück. Der Zauberer verstand sich scheinbar darauf, es einem Gast so angenehm wie möglich zu machen. Langley war beeindruckt von der Perfektion, wie Marcus

sie selbst in einem einfachen Waldlager wie diesem erschuf. Dennoch erschauderte er bei dem Gedanken, dass dies alles vermutlich mit Magie geschaffen war. Dass ein alter Mann wie Marcus mit einem Rucksack herumlaufen würde, in dem er ein Zelt, einen Topf, einen Waschzuber und für Langley maßgeschneiderte Gewänder mitführen würde, war geradezu absurd. Langleys Gedanken kreisten unablässig, während seine Muskeln sich in dem wohlig warmen Wasser entspannten. Sicherlich würde Marcus ihn nicht grundlos mit solchem Wohlstand umhüllen. Fürstlich entlohnte Aufträge mit aussergewöhnlich guter Vorbereitung waren gewöhnlicherweise aufwändig. Blieb ihm überhaupt noch die Möglichkeit, abzulehnen, sollte der Auftrag ihm missfallen? In diesem Fall könnte er wohl mit der Welt abschließen. Der Erzmagus würde ihn, einen gesuchten Verbrecher, nicht einfach laufen

lassen. Des Weiteren lag der Gedanke nahe, dass Marcus ihm einen höchst inoffiziellen Auftrag erteilen würde, der nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Warum sonst hatte er ihn so weit abseits der Stadt in ein Lager mitten im Wald geschleppt, statt ihn vor Gericht zu bringen und dort ein Ultimatum zu stellen? Das eröffnete ebenso Möglichkeiten wie es Hürden stellte. Er müsste Marcus zumindest vorgaukeln, dass er den Auftrag akzeptieren würde. Sollte dieser ihm Missfallen, konnte Langley sich stattdessen auch auf die Seite der Stadt schlagen und den ansässigen Senatoren als Ausgleich zu seinem Verbrechen ... er verwarf den Gedanken ebenso schnell wie er gekommen war. Marcus war offenbar ein mächtiger Zauberer. Gewiß würde er einen solchen Verrat erkennen. Langley seufzte. Vorerst musste er mitspielen.

Nun sauber und frisch gewandet, begab Langley sich wieder auf die morsche Holzbank am Feuer. Marcus streute irgendwelche Kräuter in den Kessel, dessen brodelnder Inhalt den verlockenden Duft einer guten Fleischbrühe verströmte. Nach einer lässigen Handbewegung schien die Brühe sich daraufhin selbst zu rühren. "Nun zu Eurem Auftrag." Marcus zog einen Schemel an die Feuerstelle, dessen Existenz Langley bislang nicht aufgefallen war. Dieser Magus wurde ihm unheimlich. "Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden", fuhr der Zauberer fort. "Mir wurde etwas gestohlen. Die Wiederbeschaffung dieser Sache ist mir außerordentlich wichtig." "Was für eine Sache?" "Es ist eine Phiole mit einer Essenz, die in den falschen Händen eine große Gefahr darstellt.

Mehr braucht Ihr darüber nicht zu wissen." "Ich soll diese Phiole also für Euch finden und sie zurückbringen." "Richtig." Marcus atmete durch. "Allerdings werde ich Euch begleiten. Wenn meine Vermutung stimmt, ist der Räuber äußerst gefährlich. Vielleicht zu gefährlich, selbst für einen Mann Eures Schlages." "Klingt, als sei Magie im Spiel." Langley verschränkte die Arme. "Was springt für mich dabei heraus? Das Recht allein, Seetor wieder betreten zu können, reicht mir nicht für so einen Auftrag." "Gewiß nicht. Eintausend Goldmünzen sollten reichen, dass Ihr wie ein Edelmann leben könnt wo auch immer Ihr wollt." Langley klappte der Mund auf. Unfähig, etwas zu sagen, starrte er den Magus lediglich an. Der alte Mann war verrückt! "Hört zu!", befahl Marcus eindringlich. "Wenn ich dem Senat diese Essenz nicht wiederbringe,

bin ich ein toter Mann. Und Ihr, der Ihr eine ganze Werft zum Einsturz gebracht habt, seid auch nicht besser dran!" Langley schnaufte. "Verstehe. Eintausend Goldmünzen und Freiheit in Seetor, wenn ich Euch helfe, diese Essenz zu finden." Er nickte dazu. "Einverstanden. Wie steht es um diese Fleischbrühe?"

Kapitel 2

Der Klang der schweren Panzerstiefel hallte von den hohen Steinwänden zurück, während ihr Besitzer den schattigen Gang entlangschritt. Jeder Schritt der Gestalt war begleitet vom lauten Klappern der zahlreichen Schnallen und Scharniere, die den schweren, gänzlich schwarz lackierten Plattenpanzer fixierten. Einem Beobachter mochte auffallen, dass die Gestalt sich trotz der schweren Rüstung äußerst elegant bewegte. Ein blutroter Umhang aus feinem Samt unterstrich die dunkle Erhabenheit, die der schwarze Ritter ausstrahlte, während er zielstrebig die Gänge der Abtei durchquerte. Zwei nicht minder finstere Gestalten folgten ihm mit etwas Abstand. Der schwarze Ritter erreichte die schwere Tür, die in die Kapelle der Abtei führte. Sie stand einen Spalt weit offen und gewährte auf diese Weise dem Wind etwas Platz, um sein schauriges Lied zu pfeifen. Beinahe

bedauernd stieß der Ritter die Tür auf und beendete das Lied des Windes. Wie zum Protest wehte ihm daraufhin eine kalte Brise entgegen und griff mit eisigen Fingern durch das Visier seines Helmes nach seinem Gesicht. Langsam ließ er den Blick durch den Kapellraum schweifen. Noch vor wenigen Stunden hatte hier ein erbitterter Kampf zwischen den Paladinen und seinen Gefolgsleuten geherrscht. Nun lagen die Soldaten der Abtei mit verrenkten Gliedern in ihrem eigenen Blut, welches durch das schwache Licht der Abendsonne leicht schimmerte. Ein anderer Ritter trat ihm entgegen. "Desmond. Ihr habt Euren Rundgang beendet?" "Horazio." Desmond verneigte sich knapp. "Ja, die Abtei ist durchsucht." Mit Befriedigung sah er zu, wie seine Wachen begannen, die Leichen der Paladine vor den Statuen der Waisen zu stapeln. Die steinernen Gesichter der Statuen waren

zertrümmert worden und boten nun einen grausigen Anblick. "Die Mönche warten im Vorhof auf ihre Hinrichtung. Das Vergnügen ist dir überlassen." Horazio nickte. "Wir warten bis zum Einbruch der Dunkelheit. Dann werden wir die Reinigung beenden." "Habt Ihr ausmachen können, welchen Kurs das Schiff genommen hat?" Marcus' Stimme zitterte vor Erregung. Langley hob hilflos die Hände. "Nach Süden, nehme ich an. Aber sie hatten gerade erst die Bucht verlassen, von daher lässt sich das nicht eindeutig sagen." "Das Schiff sah nicht so aus, als wäre es für die offene See geeignet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es tatsächlich Kurs auf die Südlichen Kontinente genommen haben sollte." "Wer segelt den Kahn überhaupt? Ich sah die Stadtwache die Piraten in Ketten legen und abführen", wandte Langley ein. "Schiffe

segeln doch nicht von selbst?" Marcus nickte bedächtig. "Ihr habt Recht. Lasst mich eine Weile allein. Ich muss Vorbereitungen treffen." "Wofür?", fragte Langley argwöhnisch. "Ein geheimes Ritual, wie?" "So ähnlich. Wenn schwarze Magie im Spiel ist, kann ich sie aufspüren. Aber dafür brauche ich Konzentration und Zeit." "Verstehe. Und was soll ich in der Zwischenzeit tun?" "Ihr könnt Nachforschungen anstellen." Marcus wandte sich um, während er sprach. Als er sich wieder zu Langley drehte, hielt er eine Schriftrolle in der Hand. "Hier habt Ihr eine Karte von der näheren Umgebung. Fragt Euch durch ein paar Fischerdörfer und seht zu, dass Ihr ein paar genauere Informationen über dieses Schiff bekommt." "Aber Ihr sagtet doch, Ihr könnt es aufspüren. Wozu die Mühe?" "Ich kann nicht für Erfolg garantieren. Außerdem dürfte Euch ein wenig

Abwechslung gut tun. Macht Euch auf den Weg!" Mit einer Handbewegung unterstrich Marcus seine Worte und Langley blieb nichts anderes übrig, als seiner Aufforderung zu folgen. Er ergriff also die Karte und verließ das Lager. Seine Schritte trugen ihn in die Richtung, in der er die Küste vermutete. Es dauerte nicht lange, bis er den Waldrand erreichte. Der alte Mann hatte sein Lager doch nicht so verborgen aufgeschlagen, wie Langley es bislang vermutet hatte. Er sah sich einen Augenblick um. Die Sonne stand inzwischen recht tief am Horizont und warf ihr letztes Licht auf die Ebene der Glorreichen Vier, welche sich von der Südküste bis hin zum Inneren des Kontinents, an das Ufer des Bronzesees erstreckte. Der Wind frischte auf und ließ Langley frösteln, dem nun erst das Fehlen seines Mantels auffiel. Missmutig schnürte er die

bestickte Tunika fester und ließ seinen Blick die Küste entlangschweifen. In der Ferne erkannte er eine Ansammlung ärmlicher Hütten, über denen schmale Rauchfäden aufstiegen. Entschlossen setzte er sich in Bewegung. Wenn er sich beeilte, könnte er das Dorf erreichen, ehe die Dunkelheit hereinbrach. Es dunkelte bereits, als er die erste Hütte passierte. Frierend näherte Langley sich der nächstbesten Tür und klopfte an. Er musste keinen Moment warten, bis ihm geöffnet wurde. Eine junge Frau blickte ihn erst überrascht, dann freundlich an. Sie trug ein Kleid aus grobem Leinen und verbarg ihr Haar unter einem Kopftuch. Eine einzelne, strohblonde Locke klebte an ihrer schmutzigen, doch ebenen Stirn. "Guten Abend, edler Herr. Was kann ich für Euch tun?" Langley brauchte einen Moment, um sich von ihren Augen zu lösen. Grüne, schöne

Augen. "Ich bin auf der Durchreise .. äh, ich brauche Informationen. Darf ich eintreten?" Ihre Worte hatten ihn verwirrt, doch die nächste Brise erinnerte ihn an seine Situation. "Gewiß, nur zu." Die junge Frau machte einen Schritt zur Seite und hielt ihm die Tür offen. Dankbar lächelnd betrat Langley die ärmliche Stube. Offenbar bestand die Hütte nur aus einem einzigen Raum. So wie die meisten Bauernsiedlungen der Gegend, war die Hütte aus Lehm erbaut und mit Stroh gedeckt. Eine Feuerstelle in der Mitte des Raumes verstrahlte angenehme Wärme und beleuchtete die kahlen Wände. Von einem verhältnismäßig großen Tisch blickten ihm zwei neugierig schauende Kinder sowie ein desinteressiert schnaufender Mann entgegen. "Was treibt denn einen Schnösel wie Euch in unser abgelegenes Dörflein? Und das zu

dieser Zeit." Der Tonfall des Mannes war keinesfalls abwertend. Langley musste lächeln, hätte er doch keine andere Frage gestellt. "Ich suche Informationen über ein Schiff, das gegen Mittag den Hafen von Seetor verlassen hat." "Schiffe verlassen Seetor zu hunderten am Tag. Warum glaubt Ihr, dass wir Euch weiterhelfen können?" Diesmal war es die junge Frau, die die Frage stellte. "Ich hatte es lediglich gehofft. Doch der Unmöglichkeit meines Unterfangens bin ich mir bewusst." Langley seufzte. "Tut mir Leid, dass wir nicht helfen können. Die anderen Dorfbewohner werden gewiss etwas gesehen haben." Nun sprach wieder der Mann, welcher am Ende des Satzes zur Tür deutete. Doch das Mädchen widersprach ihm. "Du willst den Herrn doch nicht etwa in die Kälte zurückschicken? Red keinen Unsinn,

Garwain!" Garwain zuckte mit den Schultern. Mit einer Handbewegung deutete er den beiden Kindern, sich wieder ihren Schüsseln zu widmen und schwieg fortan, während seine Frau sich Langley zuwandte. "Ich bin Violet. Dies ist mein Gatte Garwain sowie unsere Töchter Sarah und Evolet." Sie lächelte ihn erneut auf die unheimlich offene Art an, mit der sie ihn bereits an der Tür empfangen hatte. Langley deutete eine Verneigung an. "Langley, sehr erfreut." Violet schob ihn ohne weitere Umschweife zum Tisch. "Ihr seht völlig durchgefroren aus. Erweist uns die Ehre..." Sie warf einen strengen Blick gen ihren Gatten. "...und seid für diesen Abend unser Gast. Gewiss kann Eure Suche bis morgen warten." Schulterzuckend setzte Langley sich. "Ihr habt Recht. Habt Dank." Das letzte Licht der Sonne verblasste über

der Abtei, während Desmond und Horazio die Mönche vor dem Zugang zu den Katakomben aufreihen ließen. Die dunklen Soldaten bildeten ebenfalls eine Reihe hinter den Mönchen und zogen ihre Schwerter. Dann gab Desmond das Zeichen. Er hatte sich bereits umgedreht, als er die Mönche zu Boden fallen hörte. "Verbrennt sie und begebt Euch auf die Posten. Horazio, wir sehen uns in der Sakristei." "Ja, Bruder." Desmond öffnete die Flügeltüren und betrat die schattige Eingangshalle. Zu dieser späten Jahreszeit fegte ein eisiger Wind durch die Abtei und brachte selbst den schwarzen Ritter dazu, fröstelnd den Umhang enger zu binden. Er erreichte die Sakristei und ließ sich auf einem der Stühle nieder, ehe er den schweren Helm abnahm. Mattschwarzes Haar umrahmte sein ebenes, blasses Gesicht

und reichte ihm bis zu den Schultern. Mit zufriedener Miene nahm er einen tiefen Zug der Luft der Waisen und wartete. Horazio ließ nicht lange auf sich warten. Sanft schloss er die Tür hinter sich und setzte sich Desmond gegenüber, ebenfalls seinen Helm vom Haupt nehmend. "Wie weit ist der Handlanger mit der Essenz gekommen?", fragte Desmond. "Er hat das Gebirge bereits hinter sich gelassen. Im Laufe der nächsten zwei Tage wird er hier eintreffen." "Er ist schnell." "Das ist er." Desmond verschränkte die Arme. "Der Zauberer hat Verdacht geschöpft." "Woher willst du das wissen?" "Ich spüre es. Er bereitet einen Zauber vor." "Er wird uns nicht aufhalten." Horazio lächelte selbstsicher. "Niemand wird uns aufhalten." "Wir dürfen uns nicht von Hochmut blenden lassen. Dies ist eine einmalige Gelegenheit,

die ich nicht vergeben will. Marcus darf uns nicht aufspüren!" "Wovor fürchtest du dich?" Desmond seufzte und warf einen Blick zum Fenster. Er erkannte nichts als Schwärze hinter dem milchigen Glas. "Wovor fürchtest du dich?", wiederholte Horazio. "Es ist keine Furcht - ich bin nur vorsichtig." "Du kannst mir nichts vormachen." "Ich sage lediglich, dass wir kein Risiko eingehen sollten." "Jegliches Risiko ist nichtig, sobald die Essenz in unseren Händen ist." "Das stimmt. Was soll mit denen geschehen, die fliehen konnten?" "Lassen wir sie laufen. Der Orden der Waisen ist vernichtet, es spielt keine Rolle mehr." Desmond atmet durch. "Ich hätte es nicht für so einfach gehalten. Wir konnten den Sieg zu leicht erringen, meinst du nicht

auch?" "Sie waren unvorsichtig. Das war ihr Verhängnis", antwortete Horazio, dann erhob er sich. "Kümmern wir uns um Gregor." Er wandte sich ab und schritt zur Tür. Desmond nickte nur und folgte ihm. Sie durchquerten die Kapelle mit den zerstörten Statuen und folgten dem Gang dahinter, bis sie die Kammer des Abtes erreichten. Sanft öffnete Horazio die Tür und trat in den Raum. Desmond folgte ihm. "Dämonen!", schallte es ihnen von Gregor entgegen. Der alte, bärtige Mann saß gefesselt auf der Pritsche und spie ihnen entgegen. "Gewiss", antwortete Horazio und zog den Abt an den Haaren in den Stand. Ohne ein weiteres Wort stieß er ihn zur Tür, wo Desmond ihn in Empfang nahm. "Was habt ihr mit mir vor?", rief Gregor. "Ihr trefft Eure Brüder wieder." Es war Desmond, der die Antwort gab. Sein Ton

war ruhig und höflich und verfehlte seine Wirkung nicht: Gregor schwieg. "Verlieren wir keine Zeit", seufzte Horazio und nickte Desmond zu. "Keine Ungeduld, Bruder. Wir sollten diesen Augenblick genießen." Desmond stieß Gregor durch die Tür und griff ihn im Nacken, an welchem er ihn durch den Gang führte. "Möget ihr in der Unterwelt schmoren!", ächzte Gregor. Die Antwort erfolgte prompt in Form eines Stoßes in den Rücken. Der Abt keuchte und stolperte, doch Desmond hielt ihn mit eisernem Griff am Nacken fest. Sie erreichten das Portal zum Vorhof. Die Eingangshalle war erfüllt vom Gestank verbrannten Fleisches, welcher mit einigen Rauchfäden durch das offene Portal zog. Gregors Augen füllten sich mit Trauer. Desmond schob den alten Mann auf den Innenhof. Der Abt wandte die Augen vom brennenden Leichenhaufen ab. Sein Blick verriet Verbitterung, doch keine Furcht.

Desmond war enttäuscht über seine Reaktion. "Überlass mir die Ehre, Bruder", sagte Horazio und zog sein Schwert. Desmond nickte, ließ Gregor los und trat einen Schritt zurück. Ohne weitere Umschweife holte Horazio aus und trennte Gregors Kopf mit einem sauberen Hieb von seinen Schultern. "Das ging ein wenig schnell", stellte Desmond fest. "Der Anblick des vernichteten Ordens war genug für ihn. Weiterer Schmerz hätte ihm kein Leid bereiten können." Horazio schob die Klinge zurück ihn ihre Halterung. Ein Soldat trat heran, packte Gregors Körper an den Armen und zog ihn zum brennenden Haufen. Horazio lächelte. "Sie sind willenlos und doch so fleißig. Tote arbeiten nicht halb so effektiv." Desmond nickte. "Deine Künste sind uns nützlich. Ich schlage vor, dass wir weitere Soldaten in den umliegenden Dörfern

einholen. Wenn die Flüchtigen eine Burg erreichen, dürften wir uns bald mit vorbereiteten Paladinen konfrontiert sehen." "Ich .. ich kann nicht mehr! Halt! Pause!" Antonius ging in die Knie. Sein Atem ging stoßweise und sein gesamter Körper schmerzte. Beranz ergriff schnaufend seinen Arm. "Ich glaube nicht, dass sie uns noch verfolgen." Antonius antwortete nicht. Er entglitt Beranzs Griff und ließ sich ins kalte, nasse Gras sinken. "Ob noch jemand fliehen konnte?" Beranz wandte sich um und blickte zur Abtei, über der ein Feuerschein tanzte und die eine schwere, dunkle Rauchsäule ausspie. "Sie verbrennen etwas." "Wie?" "Irgendetwas brennt in der Abtei." Antonius stemmte sich schwer atmend auf. "Was hat uns dort heimgesucht?", lenkte er das Thema bewusst vom Feuer

ab. "Ich weiß es nicht. Aber es waren keine gewöhnlichen Marodeure." "Wir sollten nach Osten gehen und die Grenze nach Rethgar überqueren. Vielleicht finden wir in Siss Hilfe?" Antonius sah Beranz hoffnungsvoll an. Der Hauptmann nickte. "Das wäre möglich. Zumindest eher, als nach Süden zu wandern." "Dann lasst uns aufbrechen. Wenn wir zu lange hier bleiben, finden diese Dämonen uns noch." Antonius stemmte sich auf. "Wenn ich auch denke, dass ich in diesem Zustand kaum die Grenze erreiche." "In der Abtei sind Pferde", sagte Beranz nachdenklich. "Ihr wollt doch nicht etwa zurück? Das ist völlig unmöglich." Der Hauptmann wandte sich ihm zu. "Wir können die Straßen zu Fuß unmöglich nutzen. Wenn wir in diesem Zustand einer Patrouille begegnen, sind wir

tot." "Und wie wollt Ihr in die Abtei gelangen? Ganz zu schweigen, den Stall zu erreichen und mit Pferden zu entkommen, wenn denn noch welche leben", entgegnete Antonius. "Ich weiß es nicht", gab Beranz zu. "Schlagt Euch die Pferde aus dem Kopf, sonst schlagen diese Wahnsinnigen ihn Euch ein", drängte der Mönch. "Ich schlage vor, wir halten uns an die Straße, solange es dunkel ist. Vielleicht gibt es Pferde oder gar eine Botenstation im nächsten Dorf." Hauptmann Beranz nickte kaum merklich. "Ja, vielleicht." Sie waren kaum ein paar Stunden unterwegs, als hinter ihnen Hufgetrappel erklang. Hastig zog Beranz den überrumpelten Mönch ins Gebüsch am Wegesrand und bedeutete ihm, still zu sein. Regungslos verharrten sie dort, bis die Reiterei heran war. Es handelte sich um etwa zwei Dutzend

dunkel gerüstete Soldaten, wie sie auch beim Überfall auf die Abtei beteiligt waren. Einige hatten ihre Helmvisiere hochgeklappt und offenbarten im Fackelschein blasse, gleichgültig dreinschauende Gesichter. Einzig der Anführer stach durch den blutroten Samtumhang und den schwarzen, aufwändig verzierten Plattenpanzer hervor. Trotz dessen Gewicht saß er aufrecht im Sattel, das Haupt stolz erhoben. Der Anblick jagte dem Hauptmann einen Schauer über den Rücken. Sie warteten, bis die kleine Abteilung vorbei war und schoben sich aufatmend wieder auf die Straße. "Das war knapp", bemerkte Antonius. "Sie wollen in die gleiche Richtung." Beranz blickte den Reitern mit zusammengekniffenen Augen hinterher. "Ich glaube nicht, dass wir im nächsten Dorf an dieser Straße auf Hilfe hoffen

können." Die frische Seebrise war eine willkommene Ablenkung zu der stickigen, verrußten Luft in der Fischerhütte. Langley atmete tief durch und blickte aufs Meer hinaus, das den goldenen Schein der Morgensonne wiederspiegelte. "Warum habt Ihr nicht bei der Hafenverwaltung nachgefragt?", schreckte ihn Garwains Stimme aus den Gedanken. Eine Pfeife schmauchend trat der Fischer neben Langley und sah ihn prüfend an. "Die führen doch Listen über die ankommenden und abfahrenden Schiffe, nicht?" "Dieses Schiff nicht", antwortete Langley. "Seid Ihr Euch absolut sicher, dass Euch nichts absonderliches aufgefallen ist?" "Nein, bin ich nicht", gab Garwain zu. "Mein Weib hielt mich für verrückt, doch gegen Abend sah ich am Horizont ein unbeleuchtetes Schiff gen Westen segeln." "Das ist alles? Ein unbeleuchteter

Kahn?" "Um die Tageszeit..." Garwain unterbrach sich und nahm einen sachten Zug von der Pfeife. "...leuchten die Schiffe für gewöhnlich wie kleine Sonnen am Horizont. Diese Mannschaft aber hatte nicht einmal eine Laterne entzündet." Langley fasste sich nachdenklich ans Kinn. "Wie weit war das Schiff von der Küste entfernt?" Sein Nebenmann zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Weiß ich nicht. Es war dunkel", nuschelte er. Langley fluchte innerlich über die Uneinsichtigkeit Garwains, gab sich nach Außen aber ruhig. "Nun gut. Westen also." "Sonst hätte ich das Schiff wohl kaum gesehen, wenn es den Hafen verlassen hat, mein Herr."

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currywurschT Hört sich sehr spannend an. Sehr guter Schreibstil. Ich bin auf alle Fälle gespannt wie es weiter geht.
Erinnert mich irgendwie auch ein bisschen an ein Computerrollenspiel ;) Also nicht die Story an sich, sondern die Figuren darin.
Mach weiter so :D
Vor langer Zeit - Antworten
exguesi Ich habe mal durchgeblättert. Die Kapitel sind zwar uuuuh lange, aber trotzdem gerade richtig. Vor Allem hören sie am perfekten Ort auf. Ich bin gespannt, was das für ein Feuer ist ;) Und der Schreibstil ist perfekt. Vlt hin und wieder ein klein bisschen kürzen, mehr ist da nicht mehr nötig.

Ich hoffe nur, dass du dich nicht von einem Buch/Film inspiriert hast und es jetzt abschaust (mir fällt da "Der Name der Rose" ein...
Vor langer Zeit - Antworten
Zarus Das Ding war / ist ursprünglich als richtiges Buch geplant, daher die Länge der Kapitel :)
Was die Inspiration angeht - heh, ja. Das hoffe ich auch. Wenn es Ähnlichkeiten gibt, dann sind sie definitiv nicht beabsichtigt. Das ist tatsächlich das Wichtigste, was ich vermeiden wollte.
Vor langer Zeit - Antworten
exguesi ICh würde es auf jeden Fall versuchen rauszubringen ;) MIr scheinen die Kapitel zwar auch für ein "echtes Buch" Spannung verlierend. Es ist nicht so, dass die Spannung erst am Schluss verloren geht, sondern zwischendurch hängt sie manchmal etwas durch... Danke für die Coins. ;)
Vor langer Zeit - Antworten
Zarus Ich habe zu danken für die Kritik
Vor langer Zeit - Antworten
Apollinaris Solltest du weiterverfolgen, ist gut geschrieben was ich las. ;-)

Es grüßt dich

Simon
Vor langer Zeit - Antworten
MorganStrange Ich habe die ersten Seiten gelesen (was bei mir bedeutet das ich es interessant finde) und werde auch weiterlesen.
meiner Meinung nach hat das Werk Potential und ich hoffe das es so weiter geht.

Gruß
Morgan

PS: Ich hoffe du erweiterst bei Gelegenheit dein Profil, damit man etwas mehr über dich erfahren kann.
Vor langer Zeit - Antworten
Zarus Vielen Dank!
Ich werde beizeiten definitiv Kapitel 1 und was von Kapitel 2 fertig ist hinzufügen.
Freut mich sehr, dass der bisherige Teil dich ansprechen konnte!
Gruß Zarus
Vor langer Zeit - Antworten
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