schokokuss
Ein sinnlicher Genuss
Als sich die Tür des Cafés wieder öffnet, schaut sie nur kurz von ihrer Zeitschrift auf. Sie nimmt eben noch den jungen Mann wahr, der bei ihr vorbei geht und sich dann zwei Tischchen weiter niederlässt. Dann vertieft sie sich erneut in den soeben begonnenen Artikel über die Handelsbilanz jenes Konzerns, in welchem sie arbeitet. Ab und zu nippt sie an dem Glas mit Rotwein, welches sie sich vor etwa einer halben Stunde bringen ließ.
Der junge Mann bestellt sich sogleich eine Portion Kaffee und dann gleitet sein Blick so unauffällig wie möglich zu der jungen Frau hinüber. Versonnen lässt er seine Augen einen Moment zu lange auf ihr ruhen. Wieder und wieder versucht er sich loszureißen, aber es gelingt ihm nicht. Ungewollt beginnt er, mit seinen Blicken den zarten Konturen ihres Körpers zu folgen. Sie muss wohl bemerkt haben, dass er sie so intensiv betrachtet, denn unvermittelt schaut sie hoch und ihm direkt in die Augen. Ein Leuchtfeuer entzündet sich augenblicklich darin.
Dann ruhen ihrer beider Blicke endlos
erscheinende Sekunden ineinander und können sich offenbar nicht mehr lösen. Während ihre Pupillen sich weiten und einen seltsam fremden Glanz annehmen, versucht sie vergeblich, ihre Augen zu senken. Er hat längst damit begonnen, sie mit seinen Augen zärtlich zu streicheln. Zuerst ganz vorsichtig über die Stirn, dann folgt er tastend ihrer Nase und zeichnet endlich die weichen Linien ihrer Lippen nach. Sie errötet ungewollt und fährt sich mit einer Hand leicht durch die Haare, ohne ihren Blick von ihm lösen zu können. Ihre Augen folgen seinem Blick, der jetzt auf ihrer Hand ruht. Er streift wie zufällig ihre Fingerspitzen, fährt dann langsam und
genießerisch zu ihrer Schulter hinauf, verweilt dort ein wenig länger, ehe er sich weiter zu ihrem Hals hinauftastet. Leise öffnet sie die Lippen, während der Kranz ihrer seidigen Wimpern ihre Augen, die eine Spur mehr Glanz bekommen haben, leicht beschattet.
Ihr Mund verrät sie mit einem unhörbaren Seufzer, doch Ihre Hände ruhen schwer auf dem Tisch, ihre Schultern sind entspannt nach unten gesunken. Mit dem Wimpernkranz seiner dunkelbraunen Augen scheint er leise über ihren roten Mund zu streicheln, während er genießerisch seine Lippen befeuchtet. Sie kann ihren Blick nicht mehr abwenden, obwohl auch ihre Lider
wieder wie ein zarter Vorhang ihren Blick verbergen sollen. Ihre Hand hat sich unbewusst zum Dekolletee bewegt und nestelt am goldenen Kettchen mit dem Herz. Dann sinken ihre Blicke wieder ineinander, saugen sich an den Augen des anderen beinahe fest und trinken fast schon gierig aus dem Kelch der Sehnsucht, der sich in ihren Augen deutlich spiegelt.
Wieder nimmt er mit samtweichen Blicken die Reise auf, während leise Schauer über ihren Körper rieseln. Vorsichtig tastend öffnet er mit seinen Augen, die Hände zu haben scheinen, ihre Kleidung, um ihrer Haut ein wenig näher zu kommen, während leises
Erstaunen über seine Keckheit ihre Pupillen erneut weitet. Sie kann nichts tun, ihre Augen nicht abwenden, ist wie gebannt. Dann fühlen auch ihre Blicke suchend nach den Knöpfen an dem seidenen Hemd, das seinen schönen Körper umhüllt. Seine Blicke nehmen es voller Erstaunen wahr. Während ihre Augen sorgfältig und hingebungsvoll Knopf für Knopf öffnen, befeuchtet sie ihre voller scheinenden Lippen fast unmerklich mit der Zunge und ihre Brust hebt sich in einem lautlosen Seufzer.
Mit Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand umschließt sie zart den Stiel ihres Weinglases und beginnt, daran ganz langsam und äußerst sanft
auf und ab zu streichen. Er schließt überrascht die Augen, sein Kopf hat sich fast unsichtbar nach hinten gelehnt. Da zeigt sein leicht geöffneter Mund kaum merklich, wie sehr er genießt. Aber auch seine Blicke sind weiter gewandert und beginnen leise fordernd einen scheinbar feurigen Streicheltanz an einem neuen Ort, der nur halb durch den Tisch verborgen wird. Seine Hand hat das Stückchen Schokolade vom Tellerrand genommen und mit einer unnachahmlichen Geste zwischen seinen Lippen platziert, wo es sanft zu schmelzen beginnt. Ein wohliger Schauer nach dem anderen, ein stummer Seufzer nach dem anderen
überrollen sie beide und ihre Blicke ruhen tief ineinander und wollen sich scheinbar nicht mehr lösen.
Da läutet mit einem schrillen Ton ein Handy auf einem der Nachbartische. Die junge Frau schreckt auf, nimmt den letzten Schluck von ihrem Wein und hebt umständlich ihre Handtasche auf, die ihr schon vor einiger Zeit gänzlich unbemerkt vom Schoß gerutscht ist. Als sie wieder aufschaut, um zu bezahlen, liegt eine Visitenkarte vor ihr auf dem Tisch und die Tür des Cafés schließt sich mit einem leisen Plopp.
© HeiO 29-08-2011
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