Tief einatmen. Sanft wieder ausatmen. Keinen Streit anfangen. Er hatte sich ausgeklinkt. Es war ihm zu blöd. Frauen halten eben zu Frauen. In seinen Händen hielt er einen Zeitungsartikel. Den wollte er eigentlich vorlegen. Aber spontan hatte er es sich anders überlegt. Sollten sie machen, was sie wollten. Fortan würde er sich aus allem heraushalten. Anfangen, an sich zu denken. Sein Geld nur für sich auszugeben. Er konnte wieder Geld zur Seite legen. Sich um Arbeit kümmern. Irgendwann von hier abhauen. Bestand nur die Frage, ob er es wirklich schaffen
würde, seine Gedanken von ihnen zu lenken. Schließlich waren sie jahrelang ein glückliches Paar gewesen. Hatten Kinder gemacht. Die ab sofort bei der Mutter lebten. Jene, die überfordert war, mit Haushalt und Kindern. Welche nicht in der Lage war, mit Geld umzugehen. Telefonate stets ihm überlassen hatte, weil sie nicht telefonieren wollte und nicht telefonieren konnte. Aber mit Internet kannte sie sich aus. Wer Tag und Nacht vorm PC sitzt, sollte sich auch irgendwann damit auskennen. Es war ja auch wichtiger, als Ordnung im Haushalt machen, sich um die Kinder kümmern, einkaufen, kochen, waschen...All das hatte er gemacht.
Sogar nach ihrer Trennung. Das wusste jeder. Bis auf die Dame vom Jugendamt. Obwohl es ihr mehrfach zugetragen wurde. Aber dafür war sie taub und blind. Der Zeitungsartikel, den er in Händen hielt, wurde durch seine feuchten Hände unlesbar. Ob es einen Sinn gehabt hätte, ihn ihr vorzulegen, war unwahrscheinlich. Schließlich hatte er ihr einst einen Brief von seiner Freundin gezeigt, in dem sie ihn tief beleidigte und Tatsachen verdrehte. Dafür bekam er von ihr Schelten. Nicht zu knapp. Es kam ihn vor, als hätte er den Brief seiner Freundin geschrieben. In dem Artikel ging es um eine
Drogentote. Neben ihr lag ihr Kind. Es hätte noch gelebt, wenn das Jugendamt... Nach dem Gespräch wollte er nichts mehr mit ihr zu tun haben. Er hatte noch Gefühle für sie. Wollte ihr gern helfen. Sie weiterhin unterstützen. Aber das konnte er nicht tun. Er musste lernen loszulassen. Für sich. Wenn er losließ, konnte er endlich an sich denken. Etwas für sich tun. Und die Frau vom Jugendamt würde endlich sehen, das seine Exfreundin nicht klarkam, ohne ihn. Weder mit ihrem Haushalt, noch mit den Kindern. Vor allem mit dem jüngsten Spross hatte sie Probleme. Ob es daran lag, das sie ihn, als er noch ein
Baby war, oft weggegeben hatte? Oft über Nacht? Er klammerte sehr an ihr. Plötzlich stand er in ihrer Wohnung und erwischte sich dabei, wie er das Geschirr in den Geschirrspüler stapelte und nebenbei kochte. Während sie in ihrem Zimmer saß. Rauchend vor ihrem PC. Für ihn war eines klar. Sie würde sich nicht weiter um ihre Gesundheit kümmern. Zumindest nicht über längere Zeit. Das hielt sie niemals durch. Er kannte sie. Daher fasste er einen Entschluss. Er würde ihr nicht mehr Jahre schenken, in dem er auf gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung achtete. Nein. Dafür war es eh zu spät.
Viel zu viel war geschehen. Er würde ihr Leben schenken. Alles tun, um ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Das hatte mehr Sinn. Und es würde beiden Freude machen. Was nütze es, wenn er ihr Blattsalat vorsetzte und sie es nicht aß. Schlechte Laune davon bekam. Sollte sie täglich ihre Schokoladencreme bekommen. Hauptsache, sie war zufrieden. Glücklich. „Schatz? Sehen wir uns morgen, oder kommt dein Neuer?“ „Er wollte heute Abend kommen. - Ich melde mich bei dir. Einverstanden?“ „Schlaf gut, mein Schatz.“ Deprimiert ging er nach Hause. Legte sich in sein Bett. Trank sein Bier.
Wartete darauf, das sie sich bei ihm meldete. Doch wie oft hatte sie versprochen, das sie sich bei ihm meldete und hatte es dann doch nicht getan?
Er hatte Geduld gelernt. Gezwungenermaßen.