Journalismus & Glosse
Kleinigkeiten aus der Großstadt - Teil 2

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"Wahre kleine Begebenheiten"
Veröffentlicht am 17. November 2013, 12 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
© Umschlag Bildmaterial: lynx, "Subway", http://piqs.de/fotos/129687.html
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Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
Wahre kleine Begebenheiten

Kleinigkeiten aus der Großstadt - Teil 2

Erschöpft

Früher Nachmittag. Er setzt sich in der S-Bahn neben eine junge lesende Frau. Das heißt, eigentlich gähnt sie schneller, als sie lesen kann. Nach einer Weile wird ihm das zu suggestiv und er blickt sie resigniert an: „Ich muß mich woanders hinsetzen!“ Sie lacht schallend, herrlich. Doch der Sauerstoffschub hält nicht lange vor, und sie gähnt und liest und gähnt...

Verstanden

Sprachkenntnisse sind nicht immer erstrebenswert. Zwei junge Frauen nehmen im kleinen nationalkulinarischen Bistro Platz und bestellen. Der Wirt weist in der offenen Küche den Sohn an: „Die zwei sehen gut aus, nimm die sauberen Teller.“ Er ahnt nicht, daß eine der beiden seine Sprache versteht.

Begeistert

Wer aus der kleinen Galerie herauskommt, schmunzelt. Aktuell wird sie bevölkert von Plastiken junger Mädchen, daumen- bis zeigefingergroß. Da stehen sie, überzart, jede in eigener Pose, mal die Beine gekreuzt, mal den Kopf gesenkt oder die Arme verschränkt. Zum Verlieben. Vielleicht schnattert und kichert die ganze Bande nach Mitternacht plötzlich los? Nein, so zwei, drei nähme man schon gerne mit, eine allein wirkte nicht. Man weiß auch genau, wo die Mädels stehen werden. Leider stellt sich die Künstlerin einen Preis vor, für den man zunächst einen

Beratungstermin in der Sparkasse nebenan brauchte. Dennoch, die gute Laune nimmt man mit.

Restauriert

In der prallgefüllten S-Bahn am frühen Morgen fällt eine junge Frau auf, die nicht liest, döst oder daddelt. Ihr Gepäck besteht einzig aus einer großen Kosmetiktasche, der sie nun Spiegel, Cremes und all das Handwerkszeug entnimmt, das ein Mann nie überschauen wird − dem eher Tucholskys Bonmot vom Kunstwerk einfällt, das man fertig gern sieht, dessen Entstehung man aber nicht beiwohnen möchte. Nur, wohin soll der Herr ihr gegenüber sehen? Was Tucholsky wohl nicht erlebte: Der schlingernde Zug kann der sicheren Malhand dieser Frau nicht das geringste

anhaben. Nach sechs Stationen ist das Zupfen, Pudern, Wischen und Grimasseziehen lange nicht fertig. Der Herr gegenüber darf aber aussteigen und verkneift sich den Rat, sie könnte doch mit einem Camping-WC die Zeit in der Bahn noch effektiver nutzen. Am Ende nähme sie es ernst.

ErgänzunG

In der Tokioter U-Bahn ist es aus-drücklich untersagt, zu telefonieren, sich zu schminken, alkoholisiert zu sein oder einen Regenschirm abtropfen zu lassen. Bebilderte Schilder verkünden das. Tjaja. © 2013 Brubeckfan

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Über den Autor

Brubeckfan
Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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FLEURdelaCOEUR Sehr hübsche Anekdoten aus der Großstadt! Als ich vorige Woche endlich mal wieder dort war - im eigenen PKW, sind mir vorrangig riesige Baugruben und Absperrzäune aufgefallen ....

Aber das Schminken, Zupfen .... und ganz besonders das Gähnen kenne ich noch gut aus der jeweils ersten Unterrichtsstunde .... ;-)))

Nachtgruß,
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Da wart Ihr wohl in... nein, Baugruben schmücken hier ja alles außer dem Teufelssee. Hab mir übrigens nach 10 Jahren einen neuen Stadtplan kaufen müssen und siehe, der Grunewald ist drauf, aber nicht Köpenick, Müggelsee, Marzahn... nur auf einer groben Autokarte, zum schnell Durchfahren. Tja.
Und das mit dem Schminken usw... da warst Du Lehrerin oder noch zu belehren? D.h. hast Du das Treiben vehement beendet oder triebest Du selbst?
Hemmungslos neugierig,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Lach, will dir deine Neugier gern befriedigen, es bleibt ja unter uns ;-)
Die Baugruben und -zäune sahen wir längs der Müller- und Chausseestraße in Wedding/Mitte bis hin zur Invalidenstraße und geschminkt haben sich die Schülerinnen der privaten Berufsfachschulen, die ich zu unterrichten hatte ... Ich habe das lieber zu Hause erledigt. Eine Kollegin hatte mal gefragt, was sie davon hielten, wenn sie sich während des Unterrichts die Fußnägel schneiden würde ... Sie fanden nichts dabei und boten ihr sofort ihre kostenlose Hilfe an! :-)))

Schmunzelnde Grüße
fleur

Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Die wandelnden Schminkspiegel sind mir tatsächlich auch schon in der U-Bahn begegnet. Hab auch nicht schlecht gestaunt, wie routiniert die Dame in ihrem Gesicht herumgemalt hat. Na ja, wenn daheim keine Zeit dafür bleibt ...
Schöne Anekdoten. So was ließe sich doch bestimmt auch irgendwie mit 'nem roten Faden zu was Größerem verbinden. Wäre zumindest mal 'ne Idee.

Viele Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Thomas, das wärs natürlich, ich verkleidet als Robert Altman oder Woody Allen. Jetzt hast Du mir was ins Ohr gesetzt. Tja wer weiß.
Gruß & Danke,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Gerne doch. Gerade in Berlin kriegt man ja so Einiges mit. Wie anderswo gesagt, jedenfalls dann, wenn man Smartphone und Co. in der Tasche lässt. Ich sollte auch mal wieder ein wenig mitlauschen.
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Nu bin ich mir nicht im Klaren, wo die kleienn Begebenheiten sich zugetragen haben, in Tokyo (wie ich bei Peka las) oder in Berlin. Is ja eigentlich auch egal, letztendlich passen sie wohl in jede Großstadt.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Da ist was dran... wo man anonym ist und sich doch auf die Pelle rückt. Dazu kommen dann die mentalen Unterschiede zwischen Berlin, München, Wien, Tokio, Karl-Chemnitz...
Danke Dir für alles.
Tschüs, Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Karl-Chemnitz kennen eigentlich doch nur Einheimische....., bist Du etwa?
Guts Nächtle
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Um das zu verstehen, reicht ja, die ganze Umbenennungsarie damals miterlebt zu haben. Ich, nee, isch bün ain Bärlinör seit der 11. Klasse. Hab natürlich die Bezirksstadt da unten öfter mal gesehen, dienstlich (Fritz Heckert, noch so ein Name) oder im Urlaub auf Durchreise.
Vor langer Zeit - Antworten
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