Biografien & Erinnerungen
Meine Heimat Papua New Guinea, Teil 4.

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"Meine Heimat Papua New Guinea, Teil 4."
Veröffentlicht am 20. August 2008, 6 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Das Lächeln, das Du aussendest, kehrt zu Dir zurück ;-)
Meine Heimat Papua New Guinea, Teil 4.

Meine Heimat Papua New Guinea, Teil 4.

In der Nacht lauert der Tod
 

Die schwarze Frau stand vor unserer Haustüre und wimmerte schmerzerfüllt vor sich hin. Meine Mutter sprach ruhig auf sie ein, während ich neugierig hervor sah. Der Arm der Neuginesin war blutverschmiert und in der Hand hielt sie ein mit Blut getränkter Stofffetzen. Weinend öffnete sie ihn und mir stockte der Atem. Da lag ihr Daumen, den sie sich gerade auf ihrer Arbeit auf dem Feld abgehackt hatte. Okay, Hunger hatte ich heute nicht mehr. Nicht auf Cowcow, kein Reis, kein Thon, keine verflixten Bananen, und auch das Zuckerrohr, den Daddy am Abend nachhause brachte, förderte meinen kindlichen Appetit nicht mehr.

Einige Meter von unserer Hütte entfernt war die Buschhütte der Krankenschwester. Sie hiess Christine, war dürr wie eine Bohnenstange und latschte immer mit staubigen Sandalen durch die Gegend. Ihre Haut schimmerte fast durchsichtig und ihre Armen waren mit blauen Adern durchzogen. Die eingefallenen Backen und das spitze Kinn gaben ihr das Aussehen einer Eule. Ihr feines, hellbraunes Haar das sie am Hinterkopf zu einem wuscheligen Knoten frisierte, sah aus wie ein Vogelnest. Christine hatte schmale Lippen wie ein Strich, doch sie lächelte immer und herzhaft. Ihr Lachen entlockte ihr die Power, die niemand in ihr vermutete, wenn man sie bloss nach ihrem Aussehen beurteilte. Ich liebte Christine. Sie war zäh wie ein alter Schamane und hatte jahrelange Erfahrung in der Medizin. Sie war nicht nur Krankenschwester, sondern hier im Busch (Urwald) auch viel mehr Aerztin, Hebamme und eine Friedensbringerin. Sie kämpfte täglich um Leben und Tod und wurde dabei selbst beinahe zum Opfer.

Aipapu schleppte seine Frau Bima das letzte Stück bis zur Hütte der weissen Medizinfrau. Bima biss sich auf die aufgesprungenen Lippen um nicht vor Schmerz laut brüllen zu müssen. Ihr Bauch hatte den Umfang des Regenfasses vor unserer Hütte. Ihr Mann zerrte sie am Arm und fluchte auf die Gebärende ein.

„Drei Babys hast du mir bereits tot geboren, du Schlampe! Ich werde dich umbringen wenn du mir jetzt nicht einen gesunden Sohn schenkst!“

Einen fürchterlichen Schmerz liess Bima vor Christines Haus im Staub zusammenbrechen. Sie atmete kurz und oberflächlich, röchelte und rang nach Luft wie ein an Land gezogener Fisch. Aipapu warf sich mit aller Gewalt an die morsche Brettertüre und zertrümmerte diese in zwei Teile. Christine erschien wie ein leichenblasses Gespenst im Türrahmen, blieb jedoch ruhig und gefasst stehen. Sofort erfasste sie die Lage, als sie das lange Buschmesser im Mondlicht aufblitzen sah und die Schwangere, die zusammengekrümmt und einer Ohnmacht nahe am Boden lag. Christine wollte auf die arme Frau zulaufen, doch Aipapu kam ihr zuvor. Blitzschnell schoss das Buschmesser des Kriegers an den kalkweissen Hals von Christine. Sie spürte die tödlich scharfe Klinge an ihrer pulsierenden Halsschlagader und hielt den Atem an.

„Wenn das Kind tot auf die Welt kommt, bringe ich euch um!“ Schrie der Mann jähzornig. In seinen finsteren Augen loderte das Feuer der Hölle. Christine verspürte unter Todesangst plötzlich eine unglaubliche Kraft, die sich in ihr entfaltete und sie zu Höchstleistung trieb. In dieser Nacht, während ich einige Meter von ihr entfernt auf meiner Matratze lag und von abgehackten Daumen träumte, vollführte Christine ein Wunder. Sie rettete die Frau, ihr Baby und sich selbst vor dem sicheren Tod!

Am nächsten Tag sass sie erschöpft aber lächelnd auf unserem Wohnzimmerboden und löffelte mit uns eine Gemüsesuppe aus alten Porzelantassen aus der Schweiz. Sie riss witze und lachte schallend und erzählte uns Kinder die unglaublichsten Geschichten. Ich hing an ihren Lippen wie eine Ertrinkende uns saugte begierig ihre Abenteuer in mich hinein. Draussen strahlte die Sonne in ihrer ganzen Kraft und liess den Boden noch dürrer werden als er längst schon war. Es war Trockenzeit.

(Eine wahre Geschichte!)

Conny B.


 

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FSBlaireau Ich lese noch eben den fehlenden Teil - dieser hat mir wieder sehr gut gefallen!
Die abgehackten Daumen hätten allerdings nicht sein müssen:-) Schaurig
Vor langer Zeit - Antworten
Rattenfaenger Papua, Teil 4 - ...Draussen strahlte die Sonne in ihrer ganzen Kraft und liess den Boden noch dürrer werden als er längst schon war...
Fein, fein, fein. Der Schluss zeigt sich meisterlich*****
LG
Karl-Heinz
Vor langer Zeit - Antworten
ConnyB Re: wow -
Zitat: (Original von aerztefan1412 am 21.08.2008 - 15:58 Uhr) wie die anderen teile eine geschichte die sich sehr schnell durchliest und spannend ist
hat eindeutig 5 sterne verdient
gruß
marina


Hallo liebe Marina
Ich danke Dir für Deine Sternchen und die tollen Worte!! Freue mich immer, Dich hier zu sehen :)!!
glg, Deine Conny
Vor langer Zeit - Antworten
ConnyB Re: coonnyy -
Zitat: (Original von Nera200 am 21.08.2008 - 14:06 Uhr) habe den 4ten teil verschlungen gefällt mir gut


Hi Nera
Schön, wenn man meine Geschichten gern verschlingt, das freut mich sehr!!! Danke!
lg von mir und ich wünsche Dir noch einen schönen Abend!
Conny
Vor langer Zeit - Antworten
aerztefan1412 wow - wie die anderen teile eine geschichte die sich sehr schnell durchliest und spannend ist
hat eindeutig 5 sterne verdient
gruß
marina
Vor langer Zeit - Antworten
Nera200 coonnyy - habe den 4ten teil verschlungen gefällt mir gut
Vor langer Zeit - Antworten
ConnyB Re: Teil 4 -
Zitat: (Original von sanktpauli am 20.08.2008 - 17:34 Uhr) Mann oh Mann. diese Maenner! wildes Leben unter Wilden..romantisch aus der Ferne aber hart und unbarmherzig wenn man mitten drin ist. Aber intensiv...das vermissen wir dekadenz- zivilisierten zivilisten scheinbar,m obwohl wir auch Maenner haben, die derart denken und agressiv sind. mann oh Mann, die arme Frau.


Danke fürs Schreiben. Also meistens ist es ja so, dass die Frau zum gebären in den Busch verschwindet und alles alleine macht, schafft sie es nicht, das Kind hinaus zu pressen, wenn es Komplikationen gibt, dann stirbt sie und das Kind. Ich denke das es heute oft noch so ist dort....
lg, Conny
Vor langer Zeit - Antworten
ConnyB Hallo Kim :) - Ja die gute Christine....lach! Die Frau und das Kind wären beinahe gestorben, den es war zu gross und blieb stecken, und während der Mann sie mit dem Buschmesser bedrohte, kämpften sie um das Leben. Ich danke Dir herzlich für die Sterne...lächel, je mehr ich anfange zu schreiben, desto mehr kommt mir auch wieder in den Sinn, Bruchstücke halt eben!
glg, Conny
Vor langer Zeit - Antworten
Mondsucht * luft hol * - Ich stellte mir das bildlich vor, auch wenn die Bilder meist aus Filme/Dokus herstammen. Grausame Situationen, zunächst Hoffnungslos. Wird er sie nun töten wenn sie es nicht schafft. Doch ihre Power trieb sie zu einer Hochleistung, das jeder Mensch erbringen kann der in der Not ist. Heisst es zumindest. Wow!!! Beneide ich dich um die Erfahrung ? Ja, ich beneide dich!! Ich sehe die Bilder nur im TV, du sahst die Bilder live. Ein Schatz voller Erinnerungen die du dokumentarisch wiedergibst. Selbstverständlich 5 *****!!!

LG Kim :)
Vor langer Zeit - Antworten
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