Noch nicht einmal meine Mutter kannte meinen Vater. Sie erzählte manchmal während unserer Plauderstunden, ich legte meine kleine Kippelschnauze neben ihr Ohr und sie knabberte mit ihren Lippen zärtlich dabei über meinen Rücken.
Meine Geschwister lagen dann meist schlafend in der Bucht, vom warmen Rotlicht besonnt. Manchmal trat eines um sich – wie in einem Traum von Freiheit – und schreckte dabei die anderen auf.
Mama erzählte, dass sie immer mal wieder eine Nacht mit anderen Sauen in einem großen Stall verbringe: „Dort können wir stöbern, herumlaufen,
wühlen und ausgiebig Schwein sein. Durch eine Öffnung geht es in einen anderen Raum, in dem von oben kleine Lichter funkeln oder manchmal Wasser herabtropft. Dort können wir mit unseren Rüsseln in feuchter Erde schnobern, nach Regenwürmern graben und uns gemütlich im Schlamm suhlen.“
Mamas Stimme raunte geheimnisvoll: „Am nächsten Tag zieht ein spannender Geruch durch die Luft, alle Sauen werden davon an das Gatter gelockt. Dicht an die Stäbe gedrängt schnüffeln alle Weiber nach dem Schweinemann, der im Gang stolziert, einsam und allein. Er schnobert überall zwischen den Stäben und Trögen. Wir Sauen drängeln
uns gegenseitig weg, jede will an ihm riechen.“
Es empfiehlt sich, einen Stimuliereber langsam durch den Kontroll- und Futtergang zu treiben. Er sollte im Gesichtsfeld der Sauen laufen und mit ihnen in Berührung kommen.
Danach würden die Sauen geschubst und drängelten alle in eine Richtung, erzählte Mama. Rechts und links werde es immer enger und von Gitterstäben begrenzt. Die Sauen könnten alle nur nach vorne laufen, und die Stäbe ließen immer weniger Platz, bis es so eng werde, dass sie sich gar nicht mehr bewegen könne.
„Jemand fummelt mir dann zwischen den Hinterschinken herum, während vor mir der Eber mit Schaum vor dem Kiefer steht.“
Dann verbringe Mama noch einige Zeit mit den anderen Sauen gemeinsam im Stall. Ihr Bauch werde immer dicker, und kurz bevor die neuen kleinen Ferkelchen geboren würden, bekomme sie ein Metallgitterbett ganz für sich allein in einem Stall.
Ich kann mich noch gut an meine Geburt erinnern: Auf einmal war Platz und Luft und ich begann zu atmen. Ich stand zum ersten Mal zitterig auf meinen eigenen kleinen Beinchen und habe gesucht, was so köstlich duftete. Allerdings war das
Gedränge in dem engen Stall groß. Während ich strampelte, um an meinen Geschwistern vorbeizukommen, löste sich die Nabelschnur an meinem Bauch. Endlich hatte ich meine Zitze im Schnäuzchen!
Neugeborene Ferkel stehen schneller auf, wenn ihre Nabelschnur intakt ist. Dann benötigen sie im Durchschnitt nur zehn Minuten, um an der Muttersau das Kolostrum zu saugen. Die Abferkelbuchten sollten so übersichtlich gebaut sein, dass rund um die Geburt ein schneller Kontrollblick in das Ferkelnest und den Genitalbereich der Sauen möglich
ist.
Ich versuchte, immer mit meiner Mama zu kuscheln, doch durch die Metallgitterstäbe kam ich nicht richtig an sie heran. Also schmiegte ich mich an meine Geschwister und lag wie diese unter dem roten, warmen Licht. An ihre Zitzen kommen wir aber gut. Jedes Ferkel hat seine eigene, die es vehement gegen die anderen verteidigt.
Besonders bei größeren Altsauen haben kleine Ferkel oft Schwierigkeiten, an die obere Gesäugeleiste zu gelangen. Die Rangkämpfe um die besten Zitzen führen dann häufig zum Wegrutschen der Ferkel auf den glatten Buchtenböden. Dagegen
gibt es Ferkelstarterblöcke, das sind nachrüstbare und am Boden angeschraubte, schuppenartige Kunststoffeinlagen. Mit ihnen werden den Ferkeln ein besserer Halt und eine bessere Lage am Gesäuge ermöglicht.
Plötzlich griff jemand unter meinen Bauch und hob mich hoch. Ich wurde mit etwas Warmem und Weichem abgerubbelt und fühlte mich großartig. Meine kleine Schweinenase schnüffelte und kippelte und roch rosige Haut, die ganz anders roch als der Stall. Jemand steckte mir eine dicke Zitze ins Maul. Aus lauter Neugier leckte und lutschte ich. Aus diesem Ding kam etwas heraus, ich schluckte. Gerade als ich mich so
richtig gemütlich zurechtruckeln wollte, durchfuhr mich ein heißer Schmerz am Hinterteil. Ich quiekte auf, vor Angst und Schreck, mein Herz raste und ich strampelte wie wild.
Nach dem Abferkeln häufen sich die Routinearbeiten. Dazu zählen das Verabreichen einer Eisenpaste und das Kupieren der Schwänze am ersten Lebenstag. Empfohlen wird ein Kupiergerät mit Elektroanschluss. Das ist zwar in der Anschaffung teurer, verfügt aber über eine höhere Brennkraft. Und nur wenn die Wunde am Schwanz gut verschlossen ist, können sich keine Infektionen
ausbreiten.
Es war immer eng. Meine Geschwister lagen oft dicht an dicht gekuschelt. Immerhin waren wir elf kleine Schweinchen und wuchsen unglaublich schnell. Na ja, doch nicht ganz: das zuletzt geborene Schwesterchen starb. Wir haben das gar nicht gemerkt, sie lag da wie immer, war aber nicht mehr so schön warm. Als wir sie anstupsten, bewegte sie sich nicht mehr.
Neugeborene Ferkel sterben manchmal an Erdrücken durch die Muttersau, an Lebensschwäche, Missbildungen,
Gelenkentzündungen, durch Totbeißen und Unterkühlung. Durch das Halten der Sau im Kastenstand kann der Ferkelverlust durch Erdrücken weitgehend minimiert werden.
Wir saugten und schliefen und schliefen und saugten wieder an Mamas Zitzen. Ab und an legte ich mich so hin, dass ich mich mit meiner Mutter unterhalten konnte. Ich hatte mir schließlich meine persönliche Zitze so ausgewählt, dass ich direkt am Kopf meiner Mama liegen konnte. Diesen Platz verteidigte ich gegen alle und jeden.
Wir liegen alle auf dem Fußboden, der ist bei uns schön weich und warm. Leider
haben meine Geschwister und ich so wenig Platz, dass kaum freier Boden zu sehen ist. Kleine Ritzen sind im Boden, in denen unsere Kacke recht schnell verschwindet. Das ist ein bisschen schade, ich würde gerne mit meiner Schnauze darin stöbern, aber irgendeiner von uns tritt meist gleich auf den duftenden Haufen oder legt sich hinein und dann plumpst alles nach unten.
Damit die Muttersau mit ihren Ferkeln gut untergebracht werden kann, sollten die Abferkelbuchten wegen der besseren Hygiene voll unterkellert sein. Spaltenböden mit warmwasserbeheizten Liegeflächen sorgen im Ferkelnest dafür,
dass der Kot schnell von den Schweinen in die Güllegrube heruntergetreten wird. 0,6 Quadratmeter, so viel wie eine aufgeschlagene Zeitung, schreibt der Gesetzgeber als Größe des Ferkelnestes für alle Ferkel zusammen vor. Um die günstigste Aufzuchttemperatur von dreißig Grad Celsius zu erreichen, werden neben Wärmelampen auch Fußbodenheizungen eingesetzt.
Als ich fünf Tage alt war, kam jemand zu uns, der auf zwei Hinterbeinen ging und eine weiße, weite Haut trug. Er streichelte einmal über den breiten Borstenrücken meiner Mama. Dann wurde ich hochgehoben. Ich zappelte vor
Aufregung so sehr, dass ich fast wieder herunterfiel. Fest im Nacken gepackt wurde ich auf den Rücken gedreht, irgendwo hingelegt und festgehalten. Ich konnte mich kaum bewegen und mein Herz raste. Erst kitzelte mich etwas zwischen den Hinterbeinen. Dann wurde es dort ganz kalt. Und auf einmal war da nur noch ein brennender Schmerz. Ich quiekte, so laut ich konnte. Doch dann wurde noch einmal richtig zugedrückt. Mir schwanden vor Schmerzen fast die Sinne. Ich wollte nur noch weg – hin zu meiner Mama. Nach einer Ewigkeit – wie mir schien – kam ich wieder auf den Boden. Danach waren meine Geschwister an der Reihe, die genauso verzweifelt
quiekten, wie ich.
Bisher kann man die Ferkel noch bis zum Alter von zwei Wochen ohne Betäubung kastrieren. Demnächst kann der Tierhalter das nur noch bis zum siebten Tag nach der Geburt selbst machen. Vor der Kastration sollten auf alle Fälle die Hände gewaschen werden. Besser noch ist es, Handschuhe zu tragen. Als erstes wird der Hodensack des Ferkels grob gereinigt, einfache Küchentücher reichen aus. Dann wird dieser zwei Mal mit einem Desinfektionsmittel eingesprüht und nicht abgewischt. Das männliche Ferkel wird auf den bäuerlichen Oberschenkel gelegt und mit dem linken
Unterarm fixiert. Mit einem Schnitt wird der Hodensack jeweils einen Zentimeter weit geöffnet. Nach Entfernen des Hodens werden die Gefäße fest zusammengepresst, um Blutungen zu stillen.
Seit zwei Tagen sind so kleine Näpfe in unserem Heim. Wenn ich mit der Schnauze daran stupse, fließt ein heller, süßer Brei. Zuerst schmeckte er nicht, er war einfach anders als Mamas Milch, aber inzwischen lecke ich immer mal daran und bekomme immer mehr Appetit auf diesen Pamps.
Der Ferkelsprinter ist ein
Rohrbreiautomat, speziell für kleine Ferkel bis zu einem Gewicht von circa fünf Kilogramm. Die Tiere können dort immer frische Portionen des Futterbreis abrufen. Mehrmals täglich gibt es kleinere Mengen, so wird ein Überfressen der Ferkel vermieden. Dadurch überstehen die Ferkel die Abstillphase besser. Ab der dritten Aufzuchtwoche sollten die Ferkel an herkömmlichen Breiautomaten weiter gefüttert werden. So lassen sich hohe Futtermittelverluste vermeiden.
Jetzt sind wir schon zehnmal schwerer und dicker, als bei unserer Geburt. Jeder von uns wiegt jetzt – nach drei Wochen
– mindestens fünfzehn Kilogramm.
Die Zahl der abgesetzten Ferkel pro Sau und Jahr ist und bleibt in der Ferkelerzeugung das Maß aller Dinge. Denn an ihr lässt sich direkt ablesen, wie erfolgreich ein Betrieb arbeitet. Im Schnitt werden 22 Ferkel pro Sau und Jahr erzeugt.
Den ganzen Tag ist hier große Aufregung, alles flitzt, wuselt und quiekt durcheinander. Warum, das weiß ich noch nicht. Aber es kommen immer wieder Menschen in den Stall und gucken und machen, aber was? Jetzt kommt ein Mensch zu uns in die Bucht und lässt dabei die Tür offen. Wir drängeln uns erst so weit weg wie
möglich und ganz eng zusammen. Doch der Mensch kommt direkt auf uns zu – fort hier! Uns bleibt nur der Weg durch die offene Tür aus unserem Zuhause, weg von Mama…
Was wird jetzt aus uns werden?