Es ist dunkel und ich fürchte mich. Schon wieder. Jeden Tag. Jede Nacht. Zur selben Zeit. Ich lege mich ins Bett, um meinen müden, erschöpften Körper zur Ruhe zu legen. Und doch weiß ich, dass ich mich ins nächste finstere Alptraum stürze, aus dem ich niemals wieder erwachen könnte. Ich lege mich zum Schlafen. Eine simple Vorgehensweise für jeden Menschen. Für mich ist es aber ein Spiel zwischen Leben und Tod. Jedes Mal wenn ich morgens aufschrecke und mein verschwitztes, blasses Gesicht im Spiegel erblicke, breitet sich eine beruhigende Welle der Erleichterung in mir aus.
Gleichzeitig aber erzittere ich vor der kommenden Nacht, in der mein Kampf ums Dasein von vorne beginnen wird.
Ich glaube ich bin verrückt oder ist alles doch bloß Schein und ich bin lediglich etwas verwirrt. Ich habe Angst. Angst, dass mich jemand verfolgt. Mich sucht und dann aufspürt. Angst vor der Müdigkeit. Am meisten aber habe ich Angst vor diesem anonymen Etwas. Irgendjemand muss mich endlich hier rausschleusen. Bitte!
Nervös starre ich in den Spiegel und putze mit zitternden Händen meine Zähne. Um meine Augen haben sich hässliche, dunkle Ringe gebildet. Schon seit einem halben Jahr zieren sie neben der Blässe meiner sonst so dunklen Haut mein Gesicht. Ich bin mir sicher, dass diese Hässlichkeit erst verschwindet, wenn mich diese unheilvollen Alpträume loslassen. Ich merke allmählich wie mich die Kraft, dagegen zu kämpfen mehr und mehr verlässt. Mit jeder Nacht spüre ich wie mein Körper stets schwächer wird. Nachdem ich meinen Mund gründlich ausgespült habe, begebe ich mich
mulmigen Gefühls in mein Schlafzimmer. Als ich die Tür öffne, donnert es plötzlich und der Regen lässt auch nicht lange auf sich warten. Diese Nacht würde demnach schwieriger werden als die Letzte, denn wenn es regnete waren meine Visionen am Schlimmsten. Ich wusste nicht woran das lag. Es war mir schon ein Rätsel genug, wieso ich überhaupt von solch ungewöhnlichen Geschehnissen in meinen Träumen aufgesucht wurde. Zögerlich schlüpfte ich unter die flauschig-weiche Daunendecke, dessen Präsenz ich aber sobald ich diese dunkle Welt betrat überhaupt nicht mehr spürte. Heute war ein anstrengender Tag gewesen. Immerhin steckte ich gerade inmitten der
Abiturvorbereitungen fest. Es war nicht mehr weit bis zu den Staats-Prüfungen. Noch 6 Monate blieben uns Schülern übrig zum optimalen Abschluss. Während ich meinen Mitschülern zusah, wie sie sich auf den Abi-Ball freuten, konnte ich nicht anders als seufzen. Ich war hilflos. Verzweifelt und hilflos. Vergebens versuchte ich die schlaflosen Nächte mit Nickerchen aufzuholen, die ich tagsüber abhielt. Aber dieses Monster namens Yami war ebenfalls nicht auf den Kopf gefallen. Es folgte meinen Gedanken. Spürte mich auf und schlich sich gemächlich auch tagsüber in meinen Schlaf. In der Klasse war ich eine der besten Schülerinnen. Bis vor kurzem.
Dieses mysteriöse, gruselige Wesen verriet mir seinen Namen einst als mich die Finsternis mit seinen Pranken beinahe in den Tod getrieben hatte. Eines Windhauches gleich erfüllte ein leises Flüstern die Dunkelheit. Yami. Der kalte Griff des Nichts um meinen Hals. Yami. Die immer dünner werdende Luft. Yami. Der Druck meines Blutes, dass sich bedrohlich in meinen Fingern anstaute. Yami. Das ängstliche Zittern meiner Lider, die sich mit letzter Kraft gegen den Tod sträubten. Yami.
Ich verstand immer noch nicht wie ich diese Geschehnisse überlebte. Ich war mir noch nicht einmal im Klaren, ob sie real oder doch nur Schein waren. Eins
wusste ich aber ganz sicher:
Ich brauche Hilfe! Jemand muss mir helfen!
Langsam aber sicher würde ich sonst nämlich den Verstand verlieren.
Wie dem auch sei. Mein Körper zitterte wie Esbenlaub unter der warmen Decke. Ablenkung. Ich brauche Ablenkung. Völlig verzweifelt blickte ich mich wie verrückt im Zimmer um. Von einer Ecke zur anderen huschten meine Augen. Hauptsache ich erhaschte etwas, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog und mir somit den Schlaf raubte. Einen Anruf würde ich wohl auch nicht mehr um Mitternacht bekommen. Ich gab mir die größte Mühe, doch die Müdigkeit siegte
und ich schlief ein ...
Meine Augen waren geschlossen. Ich spürte wie ich schon wieder in einer luftleeren, weiten Dimension stand. Einer Dimension zwischen Raum und Zeit. Einer Dimension der Finsternis. Des Unbekannten. Auch wenn ich die Augen öffnete, sah ich nichts als schwarz. Es war ein grauenvoller Ort. Man sah nichts, fühlte aber dennoch, dass etwas um dich herum schlich. Eines Löwen gleich der auf der Pirsch war, lauerte es nach mir. Ich sah nichts. Mein Sinne waren aber noch nie realer gewesen. Ich roch tausend Mal besser
als ein Hund. Sog die Kälte wie ein ängstliches Tier ein. Obwohl meine Augen nichts als die unheimliche Dunkelheit sahen, konnten sie diese dennoch durchbohren. Dazu waren sie gezwungen. Durch mich. Denn ich wollte immer auf der Hut sein. Vorhersehen, was vielleicht auf mich zukam oder zukommen könnte. Ich redete mir oft ein, dass das genau der springende Punkt war: Ich bildete mir alles ein. All das hier war pure Einbildung. Ein Relikt meiner hirnlosen Phantasie. Diese unheimlichen Geräusche, die irgendwoher kamen und deren Quelle ich verflucht nochmal nicht deuten konnte, da mich die
Dunkelheit in einem dicken Nerzmantel fest umschlossen hielt. Meine Ohren hörten Dinge, die unmöglich in unmittelbarer Nähe sein konnten. Das Hallen eines tropfenden Wasserhahns aus einer frostigen, alten Küche. Das Rauschen von riesengroßen Tannen. Zerbarsten von Knochen. Ich erinnerte mich nun, dass ich gestern Nacht einen Mann schmerzhaft schreien gehört hatte. Bis jetzt war nur ich hier gewesen. Dass es außer mir noch andere Menschen gab, war mir verborgen geblieben. Wer war das? Ich wollte ihn unbedingt suchen. Vielleicht kannte er ja diesen Yami. Vielleicht könnte er mir helfen. Oder ...
Nein ich wollte gar nicht an diese Option denken! Es wird sich alles herausstellen, wenn ich ihn gefunden habe. Fest entschlossen setzte ich zum Rennen an. Wohin war mir noch fraglich. Himmelsrichtungen konnte man schließlich hier schlecht deuten. Egal. Wenn ich erst einmal etwas rumgerannt war, würde ich mich eventuell besser orientieren können. Blind war das zwar sehr schwer aber versuchen wollte ich es trotzdem. Nachdem ich einige 'Meter' hinter mir gelassen hatte, sprach jemand zu mir:
>>Wohin denn so eilig, Rina?<<
Erschrocken blieb ich aprubt stehen und drehte mich um. Diese Stimme. So rau,
lieblos und kalt. Ich hatte eine grausame Vorahnung um wen es sich dabei handelte. Meine Knie fingen plötzlich an zu schlottern, während Schweißausbrüche sich dazu gesellten.
>>Wer bist du und woher kennst du meinen Namen?<<
Meine Stimme schwankte immens und ein lautes Echo antwortete zuerst darauf. Wieso echote es hier auf einmal? Ein eisiger Luftzug wehte an mir vorbei.
>>Wie unhöflich von dir meine Frage zu ignorieren, Rina Daywalker. Ich dachte ich hätte mich dir schon längst vorgestellt.<<
Ein Lachen hallte.
>>Wer sind Sie? Klären Sie mich auf!
E-etwa dieses Yami?<<
>>Bingo! Schlaues Mädchen. Einst die Beste in ihrem Jahrgang und jetzt nichts weiter als ein ängstliches kleines Kind. Das ist Rina Daywalker. Einst ein selbstbewusstes, vernünftiges, junges Mädchen, heute eine kranke Person, die unter Schlafproblemen leidet und paranoide Wahnvorstellungen hat. Das ist Rina Daywalker. Einst lief sie mit einem bezaubernden Lächeln durch den Schulflur, heute versucht sie ihr hässliches Antlitz schamvoll vor demütigenden Blicken zu verstecken. Das ist Rina Daywalker.<<
>>Hör auf!<< Zum ersten Mal hörte sich meine Stimme mir fremd an. Mein
Schrei verließ meinen Mund fluchtartig. Es konnte nicht länger hinter schaudernden Gittern im Rachen sitzen. Ein Schluchzen folgte darauf.
>>Nicht weinen, Rina Daywalker! Dafür gibt es doch gar keinen Grund. Noch nicht.<<
Was sollte das? Machte sich dieses grausame Etwas über mich lustig?
>>Bist du der Ursprung dieser schrecklichen Nächte, Yami?<<
Das leise Tropfen meiner Tränen auf den Boden des Nichts unter mir, begleitete den verzweifelten Klang meiner Stimme.
>>Wenn du so fragst. Ja. Ich schreibe
das ganze Szenario. Du machst dich wunderbar als Schauspielerin. Doch bist du nichts weiter als ein weiteres meiner Opfer. Eine billige Marionette.<<
>>Du schreibst? Marionette?<<
Schon wieder erklang ein dumpfes Kichern.
>>Du wolltest ihn suchen, stimmts? Aber ich kann dich beruhigen. Er kann dir nicht helfen. Und weißt du warum?<<
Sein Lachen wurde nun immer vergnügter und lauter bis er ganz verstummte.
>>Weil auch er eines meiner Opfer ist Rina Daywalker<< flüsterte er ins schwarze´Unbekannte.
Immerzu murmelte ich, dass das nicht
wahr sein konnte.
>>Und soll ich dir noch etwas verraten? Du bist Schuld daran. Wegen dir kann auch er nicht schlafen.<<
>>Wer ist er? Kenne ich ihn?<<
Schon wieder dieses verächtliche Lachen.
>>Ihr Menschen seid wahrhaftig dumme Wesen. Mach die Augen auf Rina Daywalker! Blind stolpert man öfter.<<
>>Ich mache ja die Augen auf. Ich sehe aber trotzdem nichts anderes als schwarze Leere. Jede Nacht dasselbe gruselige Nichts voller unbeschreiblicher Geräusche, die mir Angst machen. Zeig du mir wenigstens, als Herr dieser Dimension deine Gestalt.
Das ist äußerst feige und unfair von dir<<
>>Du willst mich also sehen?<<
>>Ja.<<
>>Dazu musst du nur deine Augen aufmachen. Das sagte ich doch bereits.<<
Die Augen aufmachen? Waren sie denn nicht die ganze Zeit über geöffnet? Was ging hier vor? Als ich mit meinen Händen meine Lider betastete, stellte sich wirklich heraus, dass sie geschlossen waren.
Zaghaft öffnete ich die Augen und wurde sogleich von gleißendem, hellen Licht geblendet...
Ich öffnete die Augen und wurde sogleich von gleißendem Sonnenlicht geblendet, dass durch die weißen Vorhänge das gesamte Zimmer erhellte. Der Morgen war also angebrochen.
Er hatte mich reingelegt. Da war ich mir sicher. Dieses Yami hatte mir vorgetäuscht sich zu zeigen und dann aber im letzten Moment meine Seele für den nächsten Tag frei gegeben.
Er hatte gar nicht die Absicht gehabt sich mir zu zeigen. Dieser Widerling hat mich die ganze Zeit über bloß an der Nase herumgeführt.
Ja, ich war wütend. Stinkwütend sogar. Erfüllt von Aggressionen putzte ich energisch meine Zähne, ließ dann aber mit einem tiefen Seufzer die Schultern hängen. Nachdem ich ein letztes Mal ausgespuckt hatte, spülte ich meinen Mund gründlich aus und machte mich fertig für die Schule. Nachdenklich streifte ich mir die Klamotten über den Körper, knöpfte meine taubenblaue Bluse zu, bevor ich durch meine schwarze Jeans einen Gürtel zog. Wenn dieser Yami dachte, dass er von uns beiden der Schlauere war, dann hatte er sich definitiv geschnitten. Er sollte mich auf keinen Fall unterschätzen. Zwei wichtige Dinge waren nun auf dem
Tagesplan eingraviert:
Informationen über diesen Yami sammeln und diesen Kerl finden. Er soll laut der Aussage dieses Psychopaten auch einer seiner Opfer sein. Demnach leidet er bestimmt unter den selben Beschwerden wie meine Wenigkeit. Zudem meinte er ja auch, dass ich daran Schuld sei. Ich müsste ihm also schon mal über den Weg gelaufen sein. Und das war genau die Schwierigkeit.Ich hatte wenig Kontakt zu Schülern, geschweige denn Jungen oder Lehrern. Abgesehen von der Menschheit außerhalb der Schultoren und meiner friedlichen Haustür. Das würde also sicher kein Zuckerschlecken für mich
werden. Dennoch. Ich fühlte mich stark und erfrischt wie schon lange nicht mehr. Irgendwie würde ich schon mein Ziel erreichen. Irgendwas würde mir bestimmt einfallen. Mit dem Rucksack über der Schulter ließ ich die Tür leise ins Schloss fallen und machte mich auf den Weg in die Graymore High School.
>>Die Arme! Sie sieht immer noch total schrecklich aus.<<
>>Vielleicht hat sie psychische Probleme...<<
>>Das kann gut möglich sein. Man kann nun mal nicht immer an der Spitze stehen, stimmts?<<
Flüster, flüster, flüster. Wie ich dieses
Geschnatter in den frühen Morgenstunden hasste. Sobald ich die Schule betrat und mich ins Klassenzimmer begab, durfte ich, ob ich wollte oder nicht, erst einmal an diesem Wall an sinnlosem Gelaber vorbeilaufen. Immer dieses aufgesetze Mitleidsgetue. In Wahrheit aber freuten sie sich doch alle darüber, dass ich endlich meinen Posten als Jahrgangsbeste an jemand anderen abgegeben hatte. Dafür verabscheute ich diesen Yami noch mehr. Der Drang seine Fährte aufzuspüren und ihn dingfest zu machen wuchs immens.
***
>>Entschuldigung! Haben Sie dieses
Mädchen mal irgendwo gesehen? Sie soll hier in der Umgebung wohnen.<<
Ein alter Mann musterte das Bild gründlich. Nahm seine Brille ab, putzte sie sauber und setzte sie sich wieder auf. Dann bat er den jungen Mann um Erlaubnis, dass kleine Foto mal aus nächster Nähe zu begutachten. Er drehte es ein paar Mal in seinen runzeligen Händen.
>>Ich bin nicht mehr der Jüngste, mein Junge. Aber soweit ich ihre Gesichtszüge erkennen kann ist sie die Tochter einer sehr berühmten Professorin, die tatsächlich in diesem Viertel wohnt. Wie war ihr Name noch gleich? Doom...Dooms...<<
>>Das Mädchen müsste im Moment ihr Abitur machen. Ich weiß jedoch leider nicht an welcher Schule geschweige denn wer sie ist.<<
>>Tut mir leid, mir fällt gerade der Name beim besten Willen nicht ein. Es liegt mir auf der Zunge. Ach, zum Teufel mit dem älter werden. Wieso möchtest du das alles denn unbedingt wissen, Jungchen? Deine Nachforschungen klingen für mich sehr verdächtig.<<
>>Das müssen sie aber nicht alter Mann. Ich betreibe Erkundigungen in Bezug einer sehr wichtigen Sache, die der Wissenschaft noch zu Gute kommen könnte. Der Ruf dieses Mädchens hat
mich zum Nachdenken gebracht. Sie scheint talentiert zu sein.<<
>>Und Sie erhoffen sich wohl von ihr einen Schluck Inspiration und Unterstützung. Schon verstanden. Ich vertraue Ihnen Mal vorerst. Aber sollte ich in Erfahrung ziehen, dass Sie etwas Böses im Schilde führen, werden Sie mich vor Ihnen finden. Verlassen Sie sich darauf!<<
>>Ich habe kein Problem damit. Wie Sie es für richtig halten.<<
>>Mir fällt ihr Name zwar immer noch nicht ein aber ich kann Ihnen ja eine Wegbeschreibung mitgeben. Wenn Sie diese Straße durchgehend geradeaus gehen, werden sie irgendwann ein gelbes
Haus zu ihrer Linken finden. In diesem wohnt sie mit ihrer Mutter. Ihre Mutter müsste aber zur Zeit auf einer Forschungsreise in China sein. Ich bin mir jedoch nicht sicher.<<
>>Vielen Dank, mein Herr. Sie haben mir wirklich sehr weitergeholfen.<<
Der junge Student führte seinen Weg auf der Suche nach dem Mädchen, die ihn am Tage seiner Ankunft am Flughafen versehentlich angerempelt hatte, fort. Im Vergleich zu den vergangenen Tagen war er heute ein ganzes Stück weitergekommen.
***
ShiningEnzian Dieses Yami ... Was es ist wirst du baldig erfahren. Mir ist gestern ein grauenvolles Unglück beim Schreiben passiert. Mein Kopf sprießt nur so vor Ideen und BÄM! ich drücke ohne zu speichern auf 'Enter' Demnach alles weg! T^T Auf schleimige Tentakel? xD Ganz sicher nicht! Jetzt muss ich lachen xDDDD |
ShiningEnzian Oh Mann v___v Mir ist das soooo oft passiert. Das liegt aber auch zum einen daran, weil ich in der Hinsicht einfach kein Glück habe. Entweder stürzt der Laptop ab oder es passiert was anderes. Okey ;) |