Beschreibung
Bild vom Billy-Gemälde mit freundlicher Genehmigung vom Künstler Michael Ernst / www.pop-art-galerie.de
Wir hatten uns seit etlichen Wochen drauf gefreut.. der Meister sollte nach Deutschland kommen – genau gesagt nach Düsseldorf. Und das nach fast 20 Jahren Abstinenz von der Bühne. Es gab plötzlich wieder eine Tournee und er sollte alte und brandneue Songs zum Besten geben. Der Veranstalter – ein großer Ausstatter für Motorradbekleidung – sammelte eine kleine Schar von ca. 6000 Fans auf seinem Firmengelände, wo eine Open-Air-Bühne aufgebaut war.
Der große Tag war da. Wir fuhren nach Düsseldorf und auf dem zugewiesenen Parkplatz angekommen, sahen wir an einer Häuserwand ein 2 Etagen großes Poster „POLO ROCKT – BILLY IDOL feat. Steve Stevens“. Den guten Steve musste ich jetzt klein schreiben, da er nach reiflicher Überlegung eher dazu anwesend war, dem Meister seine Verschnaufpausen zu verschaffen. Gut – Billy Idol ist erst 53 Jahre jung, in dem Alter haben die Stones gerade zum zweiten Rockfrühling angesetzt. Aber er ist einer derjenigen, die durch Drogen und Alk arg gezeichnet sind – jedenfalls im Gesicht, denn an seinem nackten Oberkörper, den er später auf der Bühne zeigte, hatte die Frauenwelt nix auszusetzen. Dies, und nicht zuletzt ein sehr schwerer Motorradunfall, haben ihn die musikalischen Zügel schleifen lassen und jetzt hält sich natürlich – wie bei so vielen, die nach so langer Zeit wieder auf den Bühnenbrettern stehen das Gerücht, dass er es nur wegen der Kohle tut.
Sei’s drum.. wir wollten ihn unbedingt sehen. Mein Mann – bekennender Billy-Fan seit zig Jahren, hortet seine CD’s und hütet sie wie seine kurzsichtigen Augäpfel. Er hatte ihn 89 zuletzt live gesehen und wollte sich jetzt vergewissern, ob er es immer noch drauf hat..
Die Leute strömten auf den Platz.. Punks, Rocker, die Angehörigen der 80er Szene, Jung, Alt und ganz Alt sammelte sich vor der Bühne. Vorneweg mein Göttergatte, der direkt vor der Bühnenabsperrung einen Klapphocker aufstellte. Mit todernster Mine erklärte er jedem, der ihn danach fragte, dass er nicht mehr so lang stehen könne. Er habe ein kaputtes Kreuz. Man ist ja nun auch mit fast 50 schon vom Leben gezeichnet und das Geld für Alk und Drogen, um es sich schön zu machen, habe ihm halt gefehlt…
Eine schrill schreiende Maid betrat die Bühne und erzählte mehr zum Verlauf des Abends. Die Sprache auf den MEISTER gebracht, schüttelte sie in gekonnter Headbanger-Manier ihre Mähne, spielte Luftgitarre und kreischte in die Menge. Dafür, dass sie keine professionelle Tourenplanerin, -managerin oder ähnliches war, tat sie alles, um das Publikum anzuheizen.. daher sei ihr das Gekreische verziehen.. Die Vorgruppe kam auf die Bühne.. ELKE.. deutsche Punkband, die insgeheim als die Nachfolger der Toten Hosen gehändelt wird und eine respektable Leistung brachte. Beim zweiten Titel tröpfelte es dann schon von genau dem Himmel, der vorher irre heiße Sonnenstrahlen gen Erde geschickt hatte.
Nachdem ELKE sich unter viel berechtigtem Applaus verabschiedet hatte, schüttete es bereits aus Kübeln und es wurden rote Regencapes für noppes an die Fans verteilt. Innerhalb kürzester Zeit waren 6000 rote Zipfelmützen zu sehen, nur die Rocker, die damit ja schließlich ihre Kutten verborgen hätten, standen in triefend nassen Bikerklamotten da – der Alkpegel hat es sie vergessen lassen. Den Punkern, die mit farbenfroh gefärbten und bretthart gesprühten Haaren angekommen waren, hingen die roten, lila und grünen Strähnen hässlich ins Gesicht und den Partygirls - mit extra knappem, bauchfreien und gestyltem Outfit angetreten – lief die Wimperntusche aus den Augen.
Ich stand mit dem Rücken zur Bühne, mein Mann auf seinem Hocker neben mir und der Meister noch nicht da – und beobachtete die Menschen um mich herum. Erstaunlicherweise waren auch viele Teenies da, die zu Zeiten Billy Idols noch als Quark im Schaufenster gelegen haben, aber gute Mukke setzt sich ja bekanntermaßen in allen Generationen durch.
„Ey Alter, wass’n mit dem Hocker? Hasse schon den Kragen voll?“ Solche und ähnliche Kommentare musste sich mein Gatte anhören, aber das erschütterte ihn überhaupt nicht. Ich war mir sicher, würde ich diese Geschichte im Freundeskreis erzählen, das Gelächter wäre groß.. aber mein Mann hat noch nie etwas auf Sprüche, Meinungen oder Gelächter von anderen gegeben. Stets auf sein Wohl und auf das seiner Lieben bedacht, tat er immer genau das, was ihm in den Kopf kam.. Es schüttete nach wie vor wie aus Kübeln und der Himmel versprach auch keine Besserung. Gräulich, grau am grausten schob eine Wolke die andere weg und leerte noch ein paar Kübel Regenwasser auf die roten Zipfelmützen.
Hinter mir auf der Bühne wurde es laut; die schreiende Maid war wieder da und verloste ein paar Backstage-Karten. Sie erzählte ein bisschen von der Polo-Konzert Historie und wer glaubts.. bekannte Größen wie die Scorpions und Deep Purple waren schon hier zu Gast – auf diesem kleinen Platz. Und dann war es endlich so weit.. unter dem wilden Geschrei von vielen Billy-Idol-Doubles und dem Rest der klatschnassen Meute, betrat der Meister die Bühne. ..was soll ich sagen.. ich war hin und weg. Ganz in Klamotten aus den 80zigern, die er öfter während des Auftritts wechselte. Die schräge Lippe hat er nicht mehr so gut drauf, aber ganz böööse gucken kann er immer noch. Dafür ist man im nächsten Moment von seinem super sympathischen Grinsen wieder versöhnt.
Es gab zwei größere Einlagen von Steve Stevens, die absolut geil waren.. Der Gitarrist mit der wilden schwarzen Mähne und mit Kajal geschwärzten Augen zeigte sein Können und langsam hörte es auch auf, so heftig zu schütten.. Ich wartete auf meinen absoluten Lieblingstitel, obwohl ich mir darüber im Klaren war, dass er ausgerechnet diesen Titel dann wohl als Halbplayback hätte spielen müssen. Auf „Adam in Chains“ musste ich dann zwar auch wirklich verzichten, aber schon beim ersten Titel ließ mein Herzblatt Hocker Hocker sein, streckte die Fäuste zum Himmel und schrie sein „Flash“ mit der begeisterten Menge in Richtung Bühne. Seine wundersame Heilung hatte eingesetzt – allerdings waren wir nass bis auf die Unterwäsche.
Nach gut eindreiviertel Stunden Billy Idol fuhren wir aufgedreht nach Haus und zogen uns um. Der Sohn eines Freundes hatte uns zu seinem 22. Geburtstag eingeladen und wollte reinfeiern. So kamen wir pünktlich zum anzählen bei ihm an. Umringt von Jungspunden erzählte mein Mann von dem wirklich tollen Konzert, das trotz des schweren Unwetters die Stimmung der Anwesenden nicht zum kippen gebracht hatte.. Natürlich gab’s unter den Geburtstagsgästen nicht viele, die mit Billy Idol überhaupt was anfangen konnten, aber für uns war es ein kleines Highlight des verregneten Sommers. Und dann war man sogar auf solche Sprüche stolz: „Für Euer Alter seid ihr aber ganz schön cool drauf..“
© Christina Maverik
08/2008