Kurzgeschichte
Besessen und Verflucht

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"Besessen und Verflucht"
Veröffentlicht am 15. August 2008, 30 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Besessen und Verflucht

Besessen und Verflucht

Beschreibung

So, diese Geschichte hab' ich im zarten (?) Alter von 15 Jahren verfasst. Ich fürchte, das merkt man auch.

Besessen und Verflucht

Besessen und Verflucht
 
„Nein... Bitte! Lassen sie mich – Verschwinden Sie!“ Verzweifelt versuchte Virginia, sich aus dem schraubstockfesten Griff des kräftigen jungen Mannes zu winden, dessen keuchender, stinkender Atem direkt an ihrem Ohr Wellen der Übelkeit in ihr aufbranden ließ. Ihre ausweglose Lage und absolute Hilflosigkeit erfüllten sie immer mehr mit einer heiligen Wut, sie vergaß ihre Angst für einen kurzen Augenblick und biss mit aller Kraft in einen der dicken Wurstfinger, die gerade ihre Kehle hatten umschließen wollen. Mit einem Wutschrei, der ihr fast das Trommelfell zerriss, stieß der grobschlächtige Kerl sie von sich und starrte ungläubig auf den deutlich sichtbaren Zahnabdruck, dessen Kerben sich in Sekundenschnelle mit sprudelndem Blut füllten. „Verdammtes kleines Biest!“ schrie er und schüttelte die Fäuste in Richtung der rasch kleiner werdenden Gestalt. „Warte nur, dich krieg’ ich noch vor dem ersten Hahnenschrei!“ Mürrisch vor sich hinmurmelnd eilte er ein Stück weit hinter ihr her, bog dann jedoch schon bald in einen der vielen Seitengänge ab. Schweigend  durchquerte er  drei der vielen Dutzend Zimmer, über die die prächtig- düstere Villa seines Gebieters verfügte, und dachte mit einem verächtlichen Zucken des Mundwinkels an sein Opfer, das in seiner erbärmlichen Dummheit und Unkenntnis der vielen geheimen Verbindungsgänge des riesigen Herrenhauses ihm am Ende direkt in die Arme laufen würde. Das Zucken wurde zu einem widerlichen Grinsen, als er sich die entsetzte Miene der Kleinen ausmalte. Oh ja, sein Herr würde zufrieden sein mit ihm... Und vielleicht durfte er dann ja bereits in ein paar Stunden schon endlich seine Alicia wieder sehen. Dafür, dachte er bitter, würde ich alles tun. Auch noch einen weiteren Mord begehen. Darauf kommt es jetzt schließlich auch nicht mehr an...             

Währenddessen eilte das junge Ziel seiner finsteren Gedanken, so schnell es konnte, immer weiter den mit samtrotem Teppich ausgeschlagenen  Flur hinab, kam an Kreuzungen, entschied sich instinktiv für eine Richtung, jagte orientierungslos Treppen hinab und schließlich ungebremst in eine dunkle, weitläufige Halle hinein, die früher wohl einmal als Ballsaal gedient haben mochte. Ohne einen Blick für die verblichene Pracht hastete Virginia an imposanten Wandgemälden vorbei, erreichte die Stelle, an der sie das hintere Ende des Raumes vermutete, und musste zu ihrem Entsetzten feststellen, dass die Tür, hinter der es so verheißungsvoll schimmerte, erneut nur eine von vielen war. Mit wild pochendem Herzen verhielt die Jugendliche unter einem verstaubten Kronleuchter aus dem 18. Jahrhundert, stützte die Hände auf die Knie und versuchte keuchend, langsam und tief Luft zu holen, um sich zu beruhigen, und dieses scheußliche Gefühl des Erstickens niederzukämpfen. Bisher hatte sie nicht lange überlegen müssen, welcher Weg der Richtige war, sie war einfach stets einer Verzweigung des breiten roten Ganges gefolgt, der sich durch das gesamte Gebäude zu ziehen schien. Doch nun steckte sie in der Klemme. Nur zwei der vier Türen waren einen Spalt breit geöffnet und davon wiederum nur ein dahinter liegendes Zimmer spärlich erleuchtet. Woher sollte sie wissen, was sich hinter dem sorgfältig verarbeiteten Eichenholz verbarg? Einen Moment lang lauschte sie, doch die Welt um sie herum schien mit ihr zusammen die Luft anzuhalten und die bedrohliche Stille vermischte sich mit der Finsternis um sie herum zu einem unheimlichen Nebel, der sich über ihr zu verdichten schien, und  dessen Ausläufer mit eisigen Fingern nach griffen.                                                               „Oh, merde!“, flüsterte Virginia leise und kauerte sich zitternd auf dem Boden zusammen, versuchte sich an ihrem eigenen Körper zu wärmen. Doch ihre langen, kastanienbraunen Locken konnten ebenso wenig wie die dicke Pelzjacke verhindern, dass ihr ein kalter Schauer nach dem anderen den Nacken hinunterrieselte. Zögernd erlaubte sie ihren zuvor nur auf eine einzige Sache – die Flucht – programmierten Gedanken, sich nach und nach selbstständig zu machen, und suchte zugleich fieberhaft nach einer möglichst genialen Lösung für die im Moment brennendste Frage überhaupt: „Und was jetzt??“                                                    Leider schien die bedrohliche Atmosphäre, die sie umgab, eine effektive Nutzung ihres Verstandes ebenso zu verhindern wie ein Nachlassen der Angst, die mit bohrender Gewalt erneut von ihr Besitz ergriffen hatte. Stattdessen liefen vor ihrem geistigen Auge wie in einem makabren Kurzfilm noch einmal all die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit ab. In seltsam verschwommenen Bildern beobachtete sie sich selbst dabei, wie sie, beim Mittagessen unterbrochen, verärgert das beharrlich klingelnde Telefon zu sich heranzog und ein höchst eigenartiges Gespräch führte. Sprecher am anderen Ende der Leitung war eindeutig ein junger Mann, der vorgab, mit ihrem Bruder befreundet zu sein und ihn zu sprechen wünschte. Seltsamerweise schien er keineswegs erstaunt zu sein, als sie ihm daraufhin erklärte, das Ricky erst in einigen Stunden wieder von einem Arzttermin zurückkommen würde.                                                                                                                         „Oh, das ist aber schade!“ Die angenehm tiefe Stimme klang sonderbar spöttisch.                „Denn wissen Sie, wir sind Studienkollegen und in seiner Eile, die letzte Lesung zu verlassen, hat ihr Bruder dummerweise seinen Rucksack liegen lassen. Wenn sie wollen, können sie ihn hier bei mir abholen.“                                                                                                             „Wie soll das Fundstück denn aussehen?“, erkundigte sich Virginia misstrauisch. Soviel sie wusste, war Ricky als überzeugter Einzelgänger mit keinem seiner Kommilitonen näher bekannt. Andererseits konnte sie sich natürlich auch irren... Außer zum Schlafen kam er ja kaum noch nach Hause. Sie kannte ihn überhaupt nicht mehr. Bevor die Traurigkeit sie überwältigen konnte, lenkte ein verhaltenes Kichern ihre Aufmerksamkeit auf das Gespräch zurück. „Da ist aber jemand ganz besonders vorsichtig, was? Also schön, er ist giftgrün und neongelb, zudem hat er orangefarbene Streifen quer...“ „Schon gut, schon gut, ich glaube ihnen!“ Schmerzlich verzog Virginia das Gesicht. Wirklich niemand hatte solch einen verrückten Farbgeschmack wie Ricky. „Ich wohne in einer alten Villa ein Stück südlich der Mainzer Straße. Der Weg führt durch den Wald, ist aber beschildert, du solltest es also leicht finden.“                                                                                                                                   „He, Moment mal!“, protestierte Victoria. Hatte sie etwa schon zugestimmt?                       „Nun stell dich doch nicht so an.“ Langsam war in seinem Tonfall eine Spur von Ungeduld zu erahnen.                                                                                                                              „Du hast doch um vier Uhr Tanzstunde in der Sporthalle am Weimarer Platz, ganz in der Nähe meines Waldes. Da kannst du hinterher ...“                                                             „Augenblick mal, woher wissen Sie...“                                                                                      „Er hat es mir gesagt!“ Nun klang die Stimme eindeutig genervt.                                      „Wer? Ricky?“                                                                                                                                     „Ja!“                                                                                                                                              „Ach!“ Verärgert schwieg sie einen Moment lang. So war das also. Na, mit dem würde sie dringend mal ein Wörtchen reden müssen. Kurz erwog sie, der bösen kleinen Stimme in ihrem Kopf nachzugeben, und auf den Rucksack zu pfeifen, doch dann seufzte sie resigniert.                                                         „ Also gut, ich komme!“ Noch ein paar höfliche Floskeln, dann legten sie beide auf.                                                               Unwillig schüttelte Virginia im kalten Hausflur den Kopf. Schon jetzt ärgerte sie sich über ihr schnelles Nachgeben. Studienkollege, pah!
 
 
Als sie das große Haus dann endlich ausgelaugt und missgelaunt erreicht hatte, wartete eine Reihe böser Überraschungen auf das junge Mädchen. Kaum hatten ihre tastenden Finger den Klingelknopf gefunden, als auch schon das eiserne Tor aufgerissen wurde und wie aus dem Nichts der ungeschlachte junge Riese vor ihr stand, der zur Ursache ihrer wilden Flucht werden sollte. In der hereinbrechenden Dämmerung wirkten seine Augen wie leere Höhlen, und aus den im Schatten liegenden Gesichtszügen ragte lediglich die spitze Nase drohend hervor wie der Schnabel eines Raubvogels.                                                                          Instinktiv war Virginia vor der unheimlichen Erscheinung zurückgewichen. Ihr Rad landete polternd auf dem Boden. Der harte Griff um den Oberarm gab ihr augenblicklich  eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was diese Fleisch gewordene Schreckensvision von ihr wollte. „Ah, da bist du ja endlich, ein richtiges Püppchen, wie bei ihm nicht anders zu erwarten… wenn auch ein bisschen dünn für meinen Geschmack…“  Der Strahl seiner Taschenlampe leuchtete ihr direkt in die weit aufgerissenen Augen, und sein widerwärtiges Lachen brachte ihr Blut zum Kochen. „Lassen sie mich los, sie Grobian!“ beschwerte sie sich unwirsch und versuchte den kräftigen Arm abzuschütteln, den er wie selbstverständlich um ihre Schultern gelegt hatte.                                                                                                            „Ich kann alleine gehen, wenn ich es mir jedoch recht überlege, werde ich das zwar tun, aber ganz sicher nicht mir ihnen, sondern vielmehr  in die genau entgegen gesetzte Richtung! Hier gefällt es mir nicht. Soll Ricky seine Tasche doch selber holen!“  Das bisher ungerührte Gesicht des jungen Mannes wurde schlagartig zornig. „Oh nein, Süße, das wirst du nicht tun! Du kommst jetzt mit. Mein Herr hat gesagt, ich soll dich zu ihm bringen, also werde ich auch genau das... Hey!!!“ Virginia hatte es schamlos ausgenutzt, dass er von seinem eigenen inbrünstigen Gerede für kurze Zeit leicht abgelenkt war, und sich ruckartig von ihm losgerissen. Nun hetzte sie mit wehenden Haaren zurück zum Tor, doch zu ihrem Entsetzten war es inzwischen fest verschlossen, und während sie noch verzweifelt daran rüttelte, hörte sie schon die hastigen Schritte des Dieners direkt auf sie zukommen. Sie musste hier weg! Gehetzt blickte sie sich um, sah, dass es durch die Wildnis des umliegenden Gartens nur einen Weg gab, der direkt zum Herrenhaus führte, und ergriff entschlossen ihre einzige Alternative. Vielleicht waren dort ja noch andere Diener, Frauen, die ihr beistehen würden. Sie verspürte nicht mehr die geringste Lust, den mysteriösen Herrn dieses Anwesens kennen zu lernen, der war sicher genauso verrückt wie der Kerl dicht hinter ihr...                                                      Schon nach ein paar Minuten des Rennens und Springens über Äste, Steine, und endlich auch Treppenstufen meinte Virginia, ihre Lungen müssten jede Sekunde platzen, und ihre Kehle war eiskalt und schmerzte bei jedem japsenden Atemzug beinahe unerträglich. Zum Glück schien ihr spitznasiger Verfolger nicht wirklich der geborene Marathonläufer zu sein, er keuchte vielmehr wie eine altersschwache Dampfwalze und erleichterte es ihr damit erheblich, ihren Vorsprung vor ihm zu halten.                                                                              Und nun kauerte sie hier inmitten eines Meeres von bedrohlicher Dunkelheit, Kälte und Stille und fühlte sich wie eine Maus in der Falle. Nur, dachte sie zynisch, dass die wenigstens noch ein Stückchen Käse hatte, mit dem sie sich trösten konnte. Sie hingegen musste sich damit begnügen, ihren knurrenden Magen mit nichts als kühler, dünner Luft zu besänftigen. Wenn diese ganze Rucksackgeschichte nicht bloß einzige große Schwindelei war, würde Ricky sich etwas wirklich, wirklich Großartiges ausdenken müssen, um dieses Erlebnis wieder wett zu machen! Vorausgesetzt natürlich, sie sah ihn jemals lebend wieder... Ein kratzendes Geräusch aus einer Ecke schräg hinter ihr ließ sie aus ihren düsteren Überlegungen aufschrecken. Dem Kratzen folgte ein leises Klicken, und dann war das große Zimmer mit einem Mal bis in den letzten Winkel strahlend hell erleuchtet. Das grelle Licht durchdrang mühelos die in der Luft tanzenden Staubschleier und enthüllte erbarmungslos die zitternde Gestalt auf dem Parkettboden.
 
„...Wehe, du versuchst mir noch mal davonzulaufen! Er ist ohnehin schon zornig. Besonders geduldig war er ja noch nie. Hoffentlich darf ich trotzdem zu meiner...“ Sein Murmeln erstarb jäh, als er ihren interessierten, aufmerksamen Blick bemerkte, und sofort nahm seinen Gesicht einen verschlossenen Ausdruck an. Virginia erinnerte sein Verhalten stark an das einer wachsamen Auster, die beim geringsten Anzeichen von Gefahr blitzartig ihre Schalen zuschnappen ließ, um ihr verletzliches Inneres zu schützen.                                                  Einige erstaunliche Augenblicke lang erschien er ihr beinahe ein ganz normaler Mensch, mit Gefühlen und Ängsten wie jeder andere auch. Doch dieser Eindruck verflog spurlos, als er nun mürrisch und alles andere als sanft damit begann, sie in Richtung der oberen Stockwerke zu zerren. Er sprach kein Wort mehr, sondern schubste und stieß sie schweigend voran, bis sie eine dunkelblau gepolsterte Tür erreichten. Eindeutig furchtsam griff der kräftige Mann nach dem silbernen Klopfer, der die Form eines Pantherkopfes hatte, und ließ ein scheinbar verabredetes Signal ertönen. Zweimal kurz, dreimal lang. Das dumpfe Dröhnen war noch nicht verhallt, als auch schon mit quietschenden Angelnd die Tür aufflog, so heftig, dass Virginia der Sinn der Türverkleidung unvermittelt klar wurde. Der Hausherr besaß, wie es schien, ein ziemlich stürmisches Temperament. Na, das konnte ja heiter werden! Virginia grauste es davor, dem Blick desjenigen zu begegnen, der seiner eigenen Dienerschaft solche Furcht einflösste. Doch seltsamerweise war im Türrahmen gar niemand zu sehen… Unvermittelt traf sie ein kräftiger Stoß in den Rücken, und während sie noch, hilflos vorwärts stolpernd, um ihr Gleichgewicht rang, wurde die Tür hinter ihr mit einem dumpfen Dröhnen ins Schloss geworfen. Virginia zuckte heftig zusammen, und kam endlich zitternd vor dem flackernden Kamin zu stehen, der, wie es aussah, die einzige Lichtquelle im Raum darstellte.                                                                                           „Bitte!“, meldete sich ihr unheimlicher Gastgeber da plötzlich zu Wort, und sie fuhr entsetzt herum, „machen Sie es sich doch bequem…“  Sie sah, wie sich eine schemenhafte, dunkel gekleidete Gestalt langsam aus den Schatten direkt vor ihr löste, und plötzlich änderte sich sein Tonfall, wurde unvermittelt kühl und schneidend: „Setz dich!“                              Erschrocken wich Virginia vor ihm zurück, als er drohend auf sie zuschritt, stieß mit den Kniekehlen unerwartet auf Widerstand, und landete mit einem kleinen Laut der Überraschung in den Tiefen eines großen, weichen Ohrensessels. Mühsam kämpfte sie darum, sich aufrecht hinzusetzten, versank sie stattdessen nur immer weiter in dem nachgiebigen Polster. Mit höhnischem Lächeln verfolgte ihr schlanker Gegenüber das Wachsen ihrer Verzweiflung und ließ sich schließlich gnädig dazu herab, sie aufzuklären: „Bemüh dich nicht weiter – diese Sitzgelegenheit wurde von mir extra so konstruiert, dass man nur halb liegend darauf ruhen kann. Und außerdem...“ Er griff in einer fließenden, schnellen Bewegung nach einem kleinen Hebel an der rechten Sesselseite, den sie bis dahin nicht bemerkt hatte. Mit einem scharfen Klicken schossen unvermittelt drei breite Stahlbänder quer über die Armstützen, an denen sie sich festklammerte, und verankerten sich irgendwo in der Dunkelheit der inneren Polsterschlitze. Das ganze geschah in Sekundenschnelle, so dass sie nicht die geringste Chance hatte, zu reagieren. Doch das hässliche Quietschen der einrastenden Verschlüsse ließ ihren erlahmten Widerstand schlagartig wieder aufflammen. Ungläubig starrte sie einen Moment lang auf ihre fest verankerten Arme, dann begann sie zornig gegen ihre Fesseln anzukämpfen. Doch schon nach kurzer Zeit wurde ihr klar, dass sie sich damit nur selbst verletzte. Keuchend hielt sie inne und bohrte ihre Finger tief in den dunkelgrünen Samtbezug, während sie ihren amüsierten Widersacher wütend anfunkelte. „Ihr seid wirklich komplett wahnsinnig, nicht wahr?“ Sie verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und sprach verächtlich weiter.              „Ist Euch eigentlich überhaupt bewusst, was ihr hier treibt? Geiselnahme nennt man das im Fachjargon und nur falls es euch entfallen sein sollte: Das ist strafbar!! Ihr seid ein an Inkontinenz leidender, tattriger alter Greis, bis ihr wieder aus dem Gefängnis freikommt, falls sie nicht extra euretwegen die Todesstrafe wieder einführen! Wie kann man nur so blöd sein!“ Sie hielt nach Luft schnappend inne und warf sich mit einer ungeduldigen Kopfbewegung einige verschwitzte Haarsträhnen aus dem Gesicht. In ihrer Wut merkte sie nicht, wie lächerlich ihre Drohungen auf ihren Gegenüber wirken mussten. Er hingegen hatte mittlerweile große Mühe, den immer stärker werdenden Lachreiz zu unterdrücken. Diese kleine Wildkatze war wirklich zu amüsant. Schade nur, dass ihr das nicht das Geringste nutzen würde…                                                                                                                      „Soooo“, meinte er gedehnt, „ihr wollt mir also drohen. Nur kann nun mal mir rein gar nichts passieren, solange ihr nicht die Polizei verständigen könnt. Und im Moment seid ihr - nur falls es Euch entgangen sein sollte – ein klein wenig eingeschränkt in Eurer Bewegungsfreiheit…“                                                                                                             „Ach neeee!“, giftete sie ihn sarkastisch an. „Woran liegt das nur?“ Mit einem Satz war er bei ihr und versetzte ihr einen Schlag gegen die Wange. Virginia verstummte augenblicklich. Es war nur eine leichte Ohrfeige gewesen, dennoch brannte der Handabdruck scheußlich auf ihrer empfindlichen Haut. Ihr junger Entführer beugte sich gefährlich nah über sie und zischte verärgert: „Werd bloß nicht frech, kleines Kätzchen! Wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann sind es Spott und Ironie. Merk dir das besser!“ Sein plötzlicher Stimmungsumschwung brachte Virginia vollkommen aus dem Konzept, und sie spürte, wie die schützende Wut in ihr ebenso schnell verrauchte, wie ihr Pulsschlag sich beschleunigte. Bevor ihr auch noch der letzte Tropfen Courage davonschwamm, griff sie ihrerseits an.  „Und was ich absolut das Letzte finde sind Verbrecher, die einerseits vor ihren hilflos erniedrigten Opfern in ihrer eigenen glanzvollen Skrupellosigkeit baden, andererseits aber nicht einmal den Mut haben, die Betreffenden über ihre Beweggründe aufzuklären!“                                                                                           „Ooh!“ Nun lachte er doch, und es klang genauso grausam und schaurig, wie Virginia es sich vorgestellt hatte. „Wie gewählt du dich ausdrückst! Kein dummes kleines Gänschen wie dein Vater, hm?“                                                                                                                           „Was reden sie da für einen Unsinn? Paps ist seit seinem fünfzigsten Lebensjahr leitender Bankdirektor eines der größten...“                                                                                             „Ach!“, unterbrach er sie höhnisch, „und weiß sein süßer Liebling auch, dass er sich dieses Amt allein durch Korruption und Erpressung ergaunert hat? Oh nein, halt, Vetternwirtschaft spielte natürlich auch  noch eine Rolle...“                                                                                      „Das ist eine Lüge!“ Doch obwohl sie es niemals zugegeben hätte, beschlich sie ein unbehagliches Gefühl. Dieser Wahnsinnige da vor ihr war felsenfest von dem überzeugt, was er sagte. Vielleicht steckte ja doch ein Funke Wahrheit darin…                                           Verärgert über sich selbst schüttelte Virginia diese unwillkommenen Gedanken ab und fuhr den zu allem Übel auch noch entschieden gut aussehenden Kriminellen zähneknirschend an: „Und was bitte schön hat er mit dieser ganzen  besch… ämenden  Angelegenheit zu tun?“                                                                                                           „Alles!“                                                                                                                            „Hä?“                                                                                                                                                    „Das heißt: „Wie bitte?“!“ Mit hochgezogenen Brauen warf er ihr einen kritischen Blick zu. „Er scheint doch ein bisschen auf dich abgefärbt zu haben, was?“ Er musterte sie kalt. Dann trat er einige Schritte von ihr weg und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.          „Also gut, ich werde dich aufklären. Vielleicht gibst du dann endlich Ruhe. Eigentlich hast du den einzig wirklich wichtigen Grund für dieses interessante kleine Theaterstück, deren Hauptgestalten wir  sind, ja schon genannt.“                                                                                                    „Ich finde das alles überhaupt nicht...“                                                                                  „Ruhe!“ Virginia zuckte unter dem Wutschrei zusammen wie unter einem Peitschenschlag. Vor allem aber der irre Glanz, der seine seltsamen, grünen Augen einen Moment lang erglühen ließ, überzeugte sie davon, dass es für den Moment um einiges gesünder für sie war, zu schweigen. Zumindest für die nächsten zehn Sekunden.                                                       Da beugte  ihr Feind sich auch schon wieder über sie.                                                                                                                                    „Wenn du mich noch ein einziges Mal unterbrichst...“, flüsterte er beinahe liebevoll, „dann pfeif ich auf das Geld und werde…“                                                                                                    „Geld? Welches ...?“ Gerade noch rechtzeitig biss sie sich auf die Zunge. Bis auf ein warnendes Funkeln in ihre Richtung überging er ihren Einwurf kommentarlos.            „...dich zu einer lieblichen kleinen Geisel degradieren. Das wäre eine ganz wundervolle Möglichkeit, deinen Vater zu erpressen!“, beendete er seine Drohung leise. Dann breitete sich langsam ein schmales, böses Lächeln auf seinen Lippen aus und er musterte seine hübsche junge Gefangene mit einem Ausdruck in den Augen, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.                                                                                                                           „Und in der Zwischenzeit… werde ich mich mit dir vergnügen… auf eine ganz besondere Art und Weise… ich möchte dich leiden sehen…  lass dir versichert sein, ich kenne viele ausgesprochen wundervolle Arten zu quälen...“ Ausnahmsweise glaubte sie ihm aufs Wort. „...Schmerz ist wirklich etwas ungemein Faszinierendes... Virginia zitterte inzwischen wie Espenlaub, doch sie musste einfach fragen.                                                                             „Aber... können sie mir nicht sagen, warum sie ausgerechnet gegen meinen Vater solch einen Hass hegen?“  Sie verzog gequält das Gesicht, dann überwand sie sich. „…Bitte?“               Der hoch gewachsene junge Mann blinzelte sie einen Moment lang verwirrt an, als hätte sie ihn unvermittelt aus einem herrlichen Traum gerissen. Virginia schauderte. Sie hatte da so eine Ahnung, worüber er fantasiert hatte.                                                                            „Dein... Ah!“ Sein Blick klärte sich allmählich. „Ja, das interessiert dich natürlich, nicht wahr… Nur geht diese Sache dich dummerweise nicht das Geringste an. Es ist ein Geheimnis…“ Gedankenverloren spielte er mit einer seiner langen, hellblonden Locken.      „Ein hässliches kleines Geheimnis zwischen deinem Vater und mir… Von dem Moment an, in dem er…“ Schlagartig verfinsterte sich seine Miene, und er riss so heftig an der Strähne in seiner Hand, dass Virginia allein vom Zusehen gepeinigt zusammenzuckte. Der Schmerz schien ihn jedoch wieder zur Besinnung zu bringen. Er runzelte die Stirn und massierte sich langsam die Schläfen. Dann atmete er tief durch und begann erneut zu sprechen: „Da ich den Alten wie gesagt gut kenne und weiß, was ihm alles nicht zuzutrauen ist, sind schon einige Unterlagen zu ihm unterwegs, die seiner Kreativität bezüglich kriminellen Bankaktivitäten ein wenig auf die Sprünge helfen werden.“ In seine Augen trat ein seltsam besessener Glanz: „ Mit dem vielen Geld werde ich endlich mächtig genug sein, mir ein Geschäftsimperium aufzubauen... Tausende werden unter meinem Befehl stehen… Alle werden mich anbeten und dabei zittern vor Angst… Und am Ende...“ Er schien sich nun völlig in seine fanatische Traumwelt zurückgezogen zu haben, sein Blick ging durch sie hindurch, und er wanderte unruhig im Zimmer auf und ab. „...wird selbst der Präsident vor mir auf den Knien liegen, und mich anflehen...“ Unterdrücktes Gekicher holte ihn jäh in die Realität zurück. Da saß seine hübsche Gefangene und lachte doch tatsächlich Tränen über ihn und seine Träume! In Sekundenschnelle war er bei ihr und riss ihren Kopf so erbarmungslos nach hinten, dass sie erstickt aufschrie vor Schmerz. Doch trotzdem lachte sie weiter. Sie konnte einfach nicht mehr damit aufhören, all die aufgestaute Anspannung des langen Tages entlud sich auf einmal in hilfloser Heiterkeit und heißerem Schluchzen. Schweigend wartete er, bis sie sich wieder etwas beruhigt hatte und brachte seinen Mund dann ganz nah an ihr Ohr. „Ich hoffe...“ Das eisige Wispern ließ sie erschaudern, „...dass nicht meine Person den Grund deiner Belustigung darstellt, denn über ein Genie...“ Er schien jedes seiner Worte bitterernst zu meinen, „...lacht man nicht!“ Mühsam zwang Virginia ihren keuchenden Atem wieder in geordnete Bahnen, und atmete zittrig tief durch. Sie fühlte sich vollkommen leer und ausgelaugt, doch zugleich war ihr, als sei ein riesiger Druck aus ihrer Brust gewichen, und sie könne endlich wieder frei atmen. Erleichtert stieß sie einen tiefen Seufzer aus, schloss die Augen, und lehnte sich betont entspannt zurück in die weichen Polster ihres Sessels. Dabei spähte sie verstohlen unter ihren langen Wimpern hindurch zu ihm auf, und musste ein Grinsen unterdrücken, als sie seinen entgeisterten Gesichtsausdruck sah. Sie hatte es also tatsächlich geschafft, ihn aus der Fassung zu bringen. Wie interessant.                                                                                                          Äußerst interessant….

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