Hafen von Southampton 14. Juni 1911, 11.45Uhr Alle sind sie da! Alle wollen sie es sehen, wollen sie sehen wie das größte Schiff aller Zeiten zum ersten mal den Hafen von Southampton verlässt, um seine Reise nach New York anzutreten. Ein Blasorchester spielt allerlei maritime Musik, und die zahlreichen Ehrengäste recken neugierig die Köpfe in die Höhe, oder winken den vielen Passagieren zu, die da an der Reling stehen und dem Auslaufen entgegen
fiebern. Seit dem Ende Mai bereits erste Vertreter der Öffentlichkeit und der Presse auf die „Olympic“ gelassen wurden, überschlugen sich die Zeitungen mit Lobeshymnen auf das Schiff, in seiner gewaltigen Größe, seinem unsagbaren Luxus und der mächtigen Maschinen, welche künftig die drei gigantischen Schiffsschrauben antreiben sollten. Überall bezog man sich auf die Erklärungen des Chefkonstrukteurs Thomas Andrews, wonach die Olympic-Klasse unsinkbar sei. Dass Mister Andrews das so nicht ganz gesagt hat war den Zeitungen egal, was Mister Ismay wohl ganz recht war. Eine bessere Publicity hätte er für seine White
Star Line und deren Schiffe gar nicht bekommen können.
Die Zeitungen waren voll mit Berichten über das neue Schiff und läuteten bereits eine neue Ära der Passagierschifffahrt ein, noch bevor überhaupt auch nur ein Schiff der Olympic – Klasse in See gestochen war. Hier lag sie nun, die „Olympic“ in ihrer jetzt schwarzen Farbe mit schneeweißen Aufbauten. Eilig hatte man den hellgrauen Anstrich pünktlich zur bevorstehenden Jungfernfahrt übergestrichen, weil dies die Standardfärbung der White Star Lineschiffe und eigentlich fast aller großen Passagierschiffe in jener Zeit war.
Einige Kritiker waren jedoch der Meinung, dass der hellgraue Anstrich eigentlich besser zur „Olympic“ gepasst hätte. Man war der Meinung dass dieser helle Anstrich, den die „Olympic“ seit dem Stapellauf über die ersten Probefahrten hinweg trug, die Neuartigkeit und Jungfräulichkeit dieses einmaligen Schiffes noch mehr verdeutlichte. Sie lag nun an einem großen Kai im Hafen von Southampton und zu ihren Füßen standen, Ameisen gleich, die vielen hundert geladenen Menschen, die dieses von Menschenhand geschaffene Wunderwerk bestaunen und dabei sein wollten, wie die mit ca. 1300 Passagieren
beladene „Olympic“ zu ihrer ersten großen Reise ausläuft. Dass sie dabei einen kleinen Zwischenstopp im irischen Queenstown macht um noch ein paar Passagiere aufzunehmen ignoriert man in diesem Augenblick beflissentlich. Genau genommen ging die Jungfernfahrt der "Olympic" nicht nach New York sondern nach Queenstown. Dieses kleine Kuriosum nur mal am Rande. Auf der Ehrentribüne hat sich alles zusammengefunden was Gesellschaftlich von Rang und Namen und auch nur in entferntester Art und Weise mit diesem Schiff involviert war. Selbst der Besitzer der „Olympic“, also jetzt nicht Mister Joseph Bruce Ismay, der war ja nur der
Manager der White Star Line, sondern der große J.P. Morgan höchst persönlich, der Mehrheitseigner der IMMC und somit der White Star Line und deren Schiffe, gab sich beim Auslaufen der „Olympic“ zu ihrer Jungfernfahrt die Ehre. Umringt von Ismay, Pirrie, Andrews und Carlisle stand er in schwarzem Sakko, grauer Hose und einem glänzenden Zylinder auf dem Kopf an der Brüstung der Ehrentribüne und schaute hoch hinauf um einen Blick auf die Brücke zu erhaschen, was sich aus dieser Position als ziemlich schwierig erwies. „Mister Pirrie!“ „Ja Sir?“, antwortete Lord Pirrie eilig in einem ergebenen
Tonfall. „Ein schönes Schiff haben Sie mir da gebaut. Ich wäre zu gern mitgefahren. Aber wichtige unaufschiebbare Termine bei King George und beim deutschen Kaiser ließen mir keine Möglichkeit!“ „Das hätte der Jungfernfahrt gewiss einen noch größeren Glanz verliehen, Mister Morgan, Sir!“ „Aber die Titanic, darauf können Sie sich verlassen Mister Ismay, da werde ich auf jeden Fall mitfahren. Ich persönlich werde die Einrichtung ihrer Präsidentensuite beaufsichtigen!“ „Sehr wohl Sir!“ „Meine Herren, ich glaube wir schauen einer rosigen Zukunft
entgegen.“ Der Kapitän schaute, die Hände auf der Brüstung der äußeren Brückenplattform gestützt, hinab zu den vielen Menschen, die da klein wie Ameisen erschienen und seinem Schiff zu jubelten. Abschätzend schaute er zuerst auf seine Taschenuhr um dann die Zeit mit der des Chronographen im inneren der Brücke abzugleichen. Es war inzwischen zwölf Uhr. Mit einem Nicken betrat der Kapitän die Brücke. „Mister Murdock!“ „Ja Sir?“ „Alles klar machen zum Auslaufen!“ „Zu Befehl Kapitän
Smith!“ Southampton, 20. September 1911
drei Monate nach der Jungfernfahrt der "Olympic" Ganz untypisch für einen englischen Offizier saß Commander William Frederick Blunt in der Offiziersmesse an Bord seines schon etwas betagten Kreuzers "HMS Hawk" vor einem Gedeck mit einem Kännchen Kaffee und labberigem Weißbrot, auf welches er sich in einer dicken Schicht echte deutsche Erdbeermarmelade strich. Seit einem
Besuch in Deutschland hatte er dieses klebrige und überaus süße Zeug mit den herzhaften Fruchtstückchen liebgewonnen. Wann immer möglich organisierte er Mittel und Wege, um sich einen gewissen Vorrat an deutscher Marmelade zu besorgen, wobei das nicht immer so einfach war. Denn Marmelade war nun nicht gerade der Exportschlager des deutschen Kaiserreiches. Blunt schob sich gerade eine frische Scheibe Marmeladenweißbrot in den Mund, als polternd die Tür der Offiziersmesse aufflog und einer der Funker herein stolperte. Zackig stand er stramm und salutierte kurz. „Sir! Soeben ist eine codierte Depeche
von der Admiralität herein gekommen! Sir!“ Der junge Mann mit roten Haaren, er war wohl so um die zwanzig Jahre alt, trat einen Schritt vor und reichte dem Commander einen Zettel, der einmal in der Mitte geknickt war. Blunt erhob sich leicht und nahm dem jungen Mann den Zettel ab.
„Danke Simmons! Sie dürfen weg treten.“ „Zu Befehl Sir!“ Einmal salutierend verließ der Funker zügig die Offiziersmesse. Blunt drehte einmal bedächtig den Zettel in seiner Hand hin und her und stand auf. An dieser Stelle war sein Frühstück
beendet. Drei Stunden später im Solent zwischen Southampton und der Isle of Wight Die See des Solent zwischen Southampton und der Isle of Wight war trotz des schönen Wetters eher rau. Zum Teil kräftige Wellen brachen sich schäumend am Bug der „Hawk“. Dieser Bug zog sich in einer leicht schrägen Form nach oben. Er war nicht, wie zu jener Zeit üblich, senkrecht, sonder hatte eine leichte Neigung nach Achtern. Dem Leser mag diese Bugform doch recht
ungewöhnlich vorkommen. Doch das Geheimnis der „Hawk“ lag eben in diesem Bug. Denn unter dem Wasserspiegel entsprang dem Bug ein gewaltiger etwa zwei Meter langer Rammsporn aus stahlummanteltem Beton. Diese außergewöhnliche Waffe war bis zur Jahrhundertwende unter Militärschiffen noch weit verbreitet. Ihren Zweck wird sich jeder denken können, Was 1911 bereits die ersten Torpedos übernahmen erledigten damals noch die Schiffe selbst. Während einer Seeschlacht führte man mitunter absichtlich Kollisionen herbei um die feindlichen Schiffe wenigsten zu schwächen oder gar zu versenken. Da
waren solche Rammsporne ein geeignetes Hilfsmittel um den Schaden am gegnerischen Schiff noch zu erhöhen.Die eigentümliche Form des Bugs verbesserte noch die Stabilität und die Wirksamkeit des Rammsporns. Zum einen verlieh dieser Bug dem Rammsporn eine verstärkte Basis, zum anderen erlaubte er es dem Selbigen sich noch tiefer in das feindliche Schiff zu bohren und noch mehr Schaden zu verursachen. Wie bereits erwähnt, gehörte die „Hawk“ schon zu den alten Damen unter den Schiffen der Royal Navy und hatte längst ihren Glanz vergangener Tage verloren. Von den meisten älteren Schiffen der Royal Navy, die original noch einen solchen
Rammsporn hatten, trennte man diesen, mit Einführung der Torpedos, einfach ab und verpasste den Schiffen ihren typischen geraden Bug, weil dieser über bessere Fahreigenschaften verfügte wie ein schräger Bug ohne Rammsporn.
Heute war die „Hawk“ fast das einzige Schiff, welches noch über einen solchen Rammsporn und diesem charakteristischen schrägen Bug verfügte. Das nutzte aber alles nichts. Heute schipperte die „Hawk“ mehr oder weniger müde in den britischen Gewässern und diente nur noch als Ausbildungsschiff für angehende Schiffsjungen und Matrosen. Wie es sich so ergab, fuhr sie an diesem schönen sonnigen Spätsommertag über
den Solent um gegen Nachmittag Portsmouth, ihren Heimathafen anzulaufen. Der Steuermann James Cooley, der zur Stammbesatzung der Crew gehörte, hatte, wie eigentlich jeden Tag, alles im Griff und steuerte gekonnt die vorgegebene Fahrrinne entlang, welche links und rechts alle paar hundert Yards durch rote und grüne Seezeichen, sogenannte Tonnen, markiert war. Es mochte wohl so 11.30Uhr gewesen sein, als Commander Blunt die Brücke betrat. Sofort stand der vierte Offizier James Newmann stramm. „Kapitän auf der Brücke!!“, rief er lauthals. „Schon gut, schon gut! Status Mister Cooley?“, fragte Blunt
routinemäßig. Cooley schaute kurz auf den Kompas. „Kurs Nordostost liegt an Sir.“ Cooley schaute voraus und sah am Horizont vor ihnen einen schwarzen Punkt. Sogleich nahm er ein großes Fernglas zur Hand und visierte diesen schwarzen Punkt an. „Eye Sir! Voraus ein großer Passagierliner. Vermutlich ist das die Olympic Sir. Der Funker hat aufgeschnappt, dass sie heute morgen ausgelaufen ist.“ „Danke Mister Cooley! Mister Newmann!“ „Ja Sir!“ „Geben Sie der Maschine den Befehl, die Maschine unter Volldampf laufen zu lassen.“ „Eye Sir!“ Sofort stellte der Vierte den
Kommandohebel auf Volldampf voraus. Im selben Augenblick ertönte bei den Heizern im Kesselraum und beim technischen Offizier der Maschine ein lautes Signal mit dem Befehl die Maschinen auf Höchstleistung laufen zu lassen. „Wenn Sie die Olympic direkt voraus haben rufen Sie mich. Ich bin in meinem Bereitschaftsraum.“ Blunt verlies wieder die Brücke. Cooley schüttelte etwas verwundert den Kopf. Es war doch ungewöhnlich, so kurz vor dem Zielhafen die Maschinen noch einmal derart zu belasten. Doch die Befehle des Kapitäns wurden nicht
hinterfragt! Schnell hatte die „Hawk“ bei der ruhigen See ihre Höchstgeschwindigkeit von 25 Knoten erreicht. Recht zügig näherte sich das alte Schlachtschiff der „Olympic“, da diese ja eine geraume Zeit quer zu ihnen fuhr um die natürliche Hafeneinfahrt nach Southampton zu passieren. Erst anschließend wäre ihnen die „Olympic“ davon gefahren und hätte den Kurs nach Cherbourg eingeschlagen, wenn, ja wenn denn die „Hawk“ nicht auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigt hätte und der „Olympic“ nun auf den Fersen gewesen wäre. „Sir!“, rief Cooley zu Newmann rüber, der gerade über ein paar Seekarten
gebeugt stand. „Die Olympic ist jetzt etwa eine Meile voraus!“ „Ich sage dem Kapitän bescheid.“ Newmann verschwand durch eine Tür in den Bereitschaftsraum des Kapitäns. Cooley steuerte weiter die „Hawk“ auf die „Olympic“ zu. Größer und größer baute sich das schwarze Heck der „Olympic“ vor ihm auf. Deutlich konnte er bereits den tief in den Stahl der „Olympic“ eingravierten Schriftzug ihres Namens lesen. Cooley hatte die „Olympic“ noch nie in natura gesehen und war von ihrer erhabenen Gewaltigkeit schwer beeindruckt. Da flog auch schon wieder die Tür zum Bereitschaftsraum des Kapitäns auf.
Blunt und Newmann betraten die Brücke. „Mister Newmann zeigen Sie mir unsere aktuelle Position.“ Blunt und Newmann beugten sich über die Seekarte des Solent. Kurz und knapp, in unmissverständlichen Worten erklärte der vierte dem Kapitän die genaue Position. „Sehen Sie Sir! Wir befinden uns hier, da drüben ist Portsmouth und da vor uns fährt die Olympic.“ „Ich danke Ihnen Mister Newmann.“ Der Kapitän wandte sich Cooley zu. „Mister Cooley!“ „Ja Sir!“, rief Cooley zurück, ohne den Blick von See zu nehmen. „Passieren Sie die Olympic an
Steuerbord.“ „Aber Sir! Portsmouth liegt an Backbord. Ist es da nicht vorteilhaft...“ „Mister Cooley! Machen Sie´s einfach. Passieren Sie die Olympic an Steuerbord!“ Cooley war nicht ganz wohl bei der Sache. Hier stimmte doch was nicht! Was sollte das alles? Zuerst wird im Solent voll beschleunigt, dann lässt man den Heimathafen links liegen und passiert einen Ozeanriesen an Steuerbord. Was kam als nächstes? Würden Sie vielleicht bei der Olympic fest machen? Es war 13.30Uhr als die „Hawk“ Steuerbord einschlug und langsam die Spitze des Hecks der „Olympic“ passierte.
Die „Olympic“ war jetzt vielleicht noch hundert Meter an Backbord entfernt. Gewaltig reckte sich ihr schwarzer Rumpf in den Himmel. „Mein Gott!“, flüsterte Cooley ehrfürchtig. „Wie können Menschen so etwas gewaltiges bauen?“ Die „Hawk“ war jetzt gleich auf mit der „Olympic“.
Cooley konnte an der Reling des Ozeanriesen die vielen Passagiere erkennen, wie sie freudig der „Hawk“ zu winkten. „Sir! Wir passieren jetzt die Olympic!“ rief Cooley pflichtgemäß zum Kapitän. Blunt trat an das Kommandorad, wartete einen Moment, bis der Bug der „Hawk“
die „Olympic“ gerade eben so passiert hatte und stellte das Kommandorad auf halbe Fahrt. Mit einer Verzögerung von etwa einer Minute würde das Schiff reagieren und langsamer werden. In den Kesselräumen wurden jetzt in windeseile sämtliche Ventile gedrosselt, die Sauerstoffzufuhr in den Feuern reduziert und die Drehzahl der Antriebswellen verringert. Langsam verlor die „Hawk“ an Fahrt. Meter für Meter schob sich seiner statt nun die „Olympic“ an der „Hawk“ vorbei. „Hart Backbord!! Mister Cooley!!“, schrie plötzlich Blunt. Erschrocken darüber, wirbelte Cooley schnell das Steuerrad an Backbord. Wenn
der Kapitän so außer sich war, musste etwas schlimmes passiert sein, was kein Zögern zuließ. „Liegt an!“, schrie Cooley zurück. Zügig schob sich jetzt der Bug nach links. Erschreckend schnell kam die Schiffshaut der „Olympic“ dem Bug der „Hawk“ immer näher. Wenn nicht gleich ein Wunder geschah, gab es eine Katastrophe. Die „Olympic“ war jetzt vielleicht noch zwanzig Meter entfernt. Cooley konnte bereits die einzelnen Nieten in der Schiffshaut erkennen. „Sir!!!“, schrie Cooley entsetzt. „Wir kollidieren!“ „Halten!!!“, schrie Blunt zurück. „Unbedingt halten!!!“
Um Himmelswillen! Wir greifen die „Olympic“ an!, schoss es Cooley noch durch den Kopf, da schlug auch schon krachend der bewehrte Bug in die Schiffshaut der „Olympic“ und hinterließ ein riesiges acht mal drei Meter großes Loch in Dreieckform. Der Bug der Hawk wurde laut kreischend und knarrend förmlich zusammen gefalltet.
Die Besatzung der „Hawk“ flog durch die Wucht des Aufpralles nach vorn und schlug schmerzhaft irgendwo gegen. Es war geschehen! Langsam löste sich die, ebenfalls starkbeschädigte, „Hawk“ von der „Olympic“. Kapitän Blunt kam zu seinem Steuermann
gerobbt, der ebenfalls noch immer am Boden lag. Er packte sich Cooley am Kragen und zog ihn zu sich heran. „Hören Sie mir genau zu und merken Sie sich das, wenn Sie mit heiler Haut aus der Sache heraus kommen wollen! Sie haben Steuerbord mit Backbord verwechselt! Zu spät haben Sie ihren Fehler festgestellt. Wir mussten die Olympic zunächst passieren, durften sie aber nicht regelwidrig schneiden, also ließen wir uns zurückfallen, als uns der Sog der „Olympic“ erfasste. Ist das klar!? So und nicht anders verstanden!?“ Cooley war noch viel zu benommen um dieser offensichtlichen von langer Hand vorbereiteten Lüge etwas entgegen zu
setzen und nickte bloß. „Eye Kapitän!“ „Und als Sie gegen steuern wollten klemmte plötzlich das Ruder! Ist das verstanden worden?“ Blunt zerrte Cooley am Kragen zu sich ran. „Eye Kapitän!“ Etwa zur selben Zeit in New York. Bei einem feierlichen Bankett im Hause der Rothschilds, zu dem auch J.P. Morgan geladen war, feierte sozusagen das gesamte amerikanische Finanzkapital ausgelassen eine Feier. Alle,die Einfluss hatten und zudem ein unermessliches
Vermögen besaßen, waren an diesem Abend anwesend. Vielmehr waren sie fast Alle da. Ein paar hochangesehene und einflussreiche Persönlichkeiten, die finanziell nicht vom Morgan Trust unterwandert waren, glänzten durch Abwesenheit. Aber J.P. Morgan hatte auch nicht damit gerechnet, dass diese Herrschaften seiner Einladung zu jenem Bankett folgen würden. J.P. ärgerte es insgeheim sehr, dass sich diese deutsch – jüdischen Abkömmlinge seinem Einfluß zu entziehen versuchten. Mit ihrem Vermögen und dem politischen Einfluss den ein John Jacob Astor in der amerikanischen Politik hatte, könnten sie für die junge Fed Bank zu einem richtigen
Problem werden. Die Fed Bank wurde erst Ende 1910 von J.P. Morgan und seinen Geschäftsfreunden Frank Arthur Vanderlip, ein indirekter Rothschildspross, sowie Senator Aldrich, dem Schwiegervater von John D. Rockefeller, als private amerikanische Notenbank gegründet, welche mit ihrem Finanzvolumen zukünftig die amerikanische Währung und somit die amerikanische Wirtschaft stabil halten sollte. Das würde auch alles wunderbar funktionieren, wenn da nur nicht diese Querulanten wären, diese Astors, diese Strauss oder diese Guggenheims! Diese Abweichler könnten mit ihrer Finanz- und Wirtschaftsmacht, sowie ihrem
politischen Einfluss das ganze junge Machtsystem der Fed Bank zum Einsturz bringen. Um Sie irgendwie doch noch auf die Seite des Jekkyl-Island-Kartell (Morgan,Vanderlip und Aldrich) zu bewegen, lud J.P. sie eins ums andere mal zu diversen gesellschaftlichen Ereignissen ein oder unterbreitete ihnen lukrative Geschäftsangebote, die natürlich nur einem Zwecke dienten, jene Querulanten irgendwie an die Fed zu binden. Was bisher leider erfolglos geblieben war. Langsam gingen J.P. diesbezüglich die Ideen aus. Und so waren das Jekkyl-Island-Kartell wieder einmal unter sich beisammen und rauchten gerade im
Rauchsalon dicke Zigarren. Dazu genossen sie einen Brandy. Einige weitere Herren der New Yorker Oberschicht leisteten ihnen Gesellschaft, ohne das J.P. etwas mit ihnen auszumachen hätte. Allein ihre Anwesenheit und die Tatsache, dass sie mit J.P. eine Zigarre rauchen durften, sollte ihnen Ehre genug sein, womit sie denn auch künftig bei anderen Geschäftsfreunden angeben durften. J.P. saß neben Vanderlip in einem breiten mit schwarzem Leder bezogenen Sessel, der in dunklem Eichenholz gefasst war, vor einem prasselnden Kamin und pafft gerade ein paar Rauchringe. Dabei lächelte er und erfreute sich an der natürlichen Perfektion dieser kreisrunden
Ringe die sich langsam im Raum auflösten. „Wie ich sehe, sind einige geladene Gäste nicht der Einladung gefolgt.“ „Hmm!“, antwortete J.P., ohne Vanderlip an zu schauen, der im Sessel direkt neben ihm saß und gerade an einem Brandy nippte.
„Es ist bedauerlich, dass sich diese Herrschaften nicht unserer Gesellschaft erfreuen möchten.", fuhr Morgan fort, ohne seine Rauchspielchen zu unterbrechen. "Es geht ein Gerücht um, dass sie gerade dabei sind eine eigene Notenbank zu gründen.“ „Oh!?“, tat Vanderlip verwundert. „Das ist nicht gut! Da sind sie aber recht gut
informiert!“ J.P. schaute Vanderlip nur leicht von der Seite an, was so viel heißen sollte wie „Einem J.P. Morgan bleibt nichts verborgen.“ „Wie können wir denn diesem Vorhaben entgegen wirken, sollte denn das Gerücht der Wahrheit entsprechen.“ „Ich sage mal so, mein lieber Vanderlip, ist einem Konkurrenten weder geschäftlich noch auf der Verhandlungsebene beizukommen, muss man eben über andere probate Überzeugungsmöglichkeiten nachdenken.“ J.P. zog genüsslich an seiner Zigarre. „Was schwebt Ihnen da vor?“, fragte Vanderlip etwas verunsichert, nicht
wissend was J.P. Morgan damit gemeint haben könnte. „Oh! Ich habe noch keine konkreten Pläne! Nur Ansätze. Sie können sich vielleicht noch an den großen Eisenbahnkrieg von 1885 erinnern. Zwischen der Pennsylvania und der New Yorker Central war partout keine Einigung zu erzielen. Bei der einen Firma saß ich im Aufsichtsrat bei der anderen Eisenbahngesellschaft war die Morgan Bank die Hausbank. Sie können sich vorstellen, dass ich ein gesteigertes Interesse daran hatte, dass sich die beiden Kampfhähne endlich einigten und das Kriegsbeil begruben...“ „Ja ja! Ich weiß worauf Sie hinaus wollen
mein lieber Morgan.“, unterbrach ihn Vanderlip. „Sie haben die beiden solange auf Ihrer Yacht festgehalten, auf welche Sie die beiden zuvor eingeladen hatten, bis sie einen, von Ihnen ausgefertigten, Vertrag unterzeichnet haben. Ja aber die beiden waren von Ihnen abhängig, wirtschaftlich und finanziell. Mit etwas Derartigem brauchen Sie einem Guggenheim oder einem Astor nicht zu kommen.“ „Ich habe ja nicht gesagt, dass ich diese ehrenwerten Gentleman entführen möchte. Unorthodoxe Maßnahmen müssen her. Das meine ich damit. Was genau? Das weiß ich auch noch nicht. Ich muss Sie einfach und völlig unverbindlich an einen Ort
bringen, wo Sie sich frei fühlen, ich sie aber dennoch unter meiner Kontrolle habe, um mich persönlich um sie zu kümmern. Sie dürfen sich auf keinen Fall eingesperrt, übervorteilt oder irgendwie manipuliert vorkommen.“ „Da wir gerade bei Ihrer Yacht waren. Im nächsten Jahr soll doch eines ihrer Olympic Schiffe auf Jungfernfahrt gehen. Das wäre doch ein Ambiente, eines Guggenheim, Astor oder Strauss würdig meinen Sie nicht? Und es ist Ihr Schiff, mein lieber Morgan.“ „Das ist eine brilliante Idee!“ J.P. Morgan war von Vanderlips Einfall sogleich schwer angetan. Gleich morgen früh werde ich veranlassen, dass den
Herrschaften Einladungen zugeschickt werden, ebenso für weitere Herrschaften unserer amerikanischen Gesellschaft, um unseren speziellen Freunden die Sache nicht verdächtig erscheinen zu lassen. Als einer unter vielen fühlt man sich doch viel sicherer. Ich denke da an die Vanderbilts zum Beispiel. Mit denen haben wir doch immer sehr gute Geschäfte gemacht.“ J.P. Morgans Butler betrat den Salon, in der Hand ein kleines silbernes Tablett, auf dem ein Briefumschlag lag. Er schaute sich um, wo in diesem Zigarrendunst J.P. Morgan zu finden sei, und eilte schnurstracks auf ihn zu, als er ihm gewahr
wurde. „Entschuldigen Sie die Störung Sir! Ein Telegramm aus England ist soeben eingetroffen.“ Der Butler verneigte sich und hielt J.P. das Tablett unter die Nase. „Danke James!“ J.P. nahm das Papier vom Silbertablett und riss den Umschlag auf. Darin befand sich ein einfacher ungefalteter Zettel: „Olympic“ mit Royal Navy Kreuzer „Hawk“ vor Southampton kollidiert. +++ Stopp +++ Schwerste Schäden an „Olympic“ und „Hawk“. +++ Stopp +++ Keine Toten. +++ Stopp +++ Schiffe müssen geborgen werden. +++ Ismay
Ende „Verdammter Mist! Das fehlt mir gerade noch." J.P. zerknüllte das Telegramm, schmiss es in den Kamin, dessen Feuer vor ihm lichterloh brannte und nahm einen kräftigen Schluck Brandy.
welpenweste Gierig weiter zu lesen! LG Günter |