Kurzgeschichte
Seelenwanderung

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"Seelenwanderung"
Veröffentlicht am 14. August 2008, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Seelenwanderung

Seelenwanderung

Seelenwanderung 

Mit geschlossenen Augen stehe ich in der Mitte des Raumes. Mein Kopf summt, mir ist schwindelig. Wie ein Baum im Wind wiegt sich mein Köper leicht hin und her. Höre wie in weiter ferne, das Plätschern des Wassers. Es ist als währe ich weit, weit weg und nicht so nah. So nah an der Unendlichkeit, so nah an der Antwort einer immer wieder gestellten Frage. Was passiert? Wie wird es sein, wenn er kommt? Für mich steht eines fest, er kann nicht schlimmer sein, als sein Bruder der Schmerz oder seine Schwester die Gleichgültigkeit. So gnadenlos ist er nicht. Vielmehr eine Befreiung, eine Erlösung von dem Elend.

Wieder flammt dieser Schmerz, der immer da ist, zu einem Feuer in meinem Innersten auf. Es ist als würde es mich aus den tiefen meines Körpers hinaus zerreißen. Das Atmen und Schlucken fällt mir schwer. Normal würden meine Augen jetzt feucht werden und die Tränen meiner Seele aus ihnen fließen. Doch jetzt habe ich kein silbernes Wasser der Traurigkeit mehr. Zuviel habe ich vergossen, dass mein Körper nur noch wie leer erscheint. Eine Hülle ohne Leben. Aber Tod kann ich nicht sein, denn ich spüre mein schmerzendes Herz. Die Qual, die Pein. Das rhythmische Pochen, jede Sekunde, immer und immer wieder.

Ich öffne meine Augen, stehe wieder inmitten dieser gnadenlosen Wirklichkeit. In diesem abscheulichen Badezimmer. Mit meinen Tränen, die ich in diesem Raum schon vergossen habe, hätte ich diese Badewanne füllen können. Welch Ironie, das mir gerade diese Stätte, meine lang ersehnte Erlösung schenken wird.

Benommen gehe ich auf die Badewanne zu und stelle das Wasser ab. Es ist genug. Prüfe mit der Hand die Temperatur des Wassers, damit wenigstens jetzt mein Körper von Wärme eingehüllt wird. Wärme, Liebe, Geborgenheit. Wie ist es wenn man wirklich geliebt wird? Wenn der Körper durch eine Umarmung von Inner heraus erwärmt wird? Nein, nicht denken. Schaue nicht zurück. Schaue nach vorn. Es bringt jetzt sowieso nichts mehr. Warum den Schmerz, das Feuer der Unbarmherzigkeit noch weiter schüren?

Ich lasse die Kleidung von meinem Körper gleiten. Steige ein in mein Bad für die Ewigkeit. Jetzt hat es begonnen, das Ziel ist das Ende. Nun gibt es kein zurück mehr. Langsam tauche ich ein in das warme Nass. Unglaublich was Wärme bedeuten kann. Für einen Augenblick bin ich entspannt, so als würde alle Last von mir genommen. Zu schnell geht es vorbei und mein Körper hat sich an das warme Wasser gewöhnt. Da bin ich wieder, in der Normalität der Dinge. Wie war es wohl, als ich auf die Welt gekommen bin? Was habe ich da empfunden, als ich dem warmen, nährenden Wasser meiner Mutter entrissen wurde? Als ich als kleines, hilfloses Wesen plötzlich aus dem wohligen Dämmerlicht in diese kalte, helle und laute Welt kam? Ob Babys schon spüren können, ob sie geliebt werden? Nein, frage dich nicht wie es ist ins Leben zu kommen. Für mich ist es unwichtig, denn dieser erste Akt liegt nun schon zwanzig Jahre hinter mir. Genug davon. Ich nehme die Rasierklinge in meine Hände. Drehe sie im Licht des matten Kerzenscheins. Es ist als würde sie mir zublinzeln. Mein letzter und bester Freund in der Not. Sie wird mir helfen. Setze mich etwas auf, merke wie mein Herz schneller zu schlagen beginnt. Aber es ist nicht wegen der von mir erwarteten Vorfreude, das alles nun endlich ein Ende haben wird. Nein, es ist Aufregung und Angst. Angst davor wie es wohl sein wird. Gibt es einen Himmel oder eine Hölle? Werde ich in der Hölle schmoren, weil ich mir dieses ach so kostbare Gut wie das Leben, selber genommen habe?

Ich setze die Klinge an, drücke sie tief in mein Fleisch. Schließe meine Augen und ziehe sie mit aller Kraft meinem Arm entlang hinunter. Da ist er wieder, der Schmerz. Aber dieser fühlt sich anders an, befreiend. Jappste nach Luft, es brennt fürchterlich. Schaue auf die lange klaffende Wunde. Sehe wie das rote Gold aus meinem Arm fließt. Auf einer Art macht es mich glücklich zu sehen, dass mein Körper doch nicht so leer war, wie ich mich immer gefühlt habe. Und noch einmal. Diesmal kann ich ein Stöhnen nicht unterdrücken. Der Schmerz wird immer extremer, mein Arm brennt wie Feuer. Schnell der andere, bevor mich doch noch der Mut verlässt. Muss an meine Eltern und meinen Freund denken. Unsagbare Wut, gemischt mit unendlicher Traurigkeit steigt in mir auf. Wie ähnlich sie sich doch sind in ihrer grenzenlosen Selbstliebe und Rücksichtslosigkeit. Setze die Klinge immer und immer wieder an. Kann den Schmerz kaum noch aushalten. Die Klinge fällt in das rot getränkte Wasser. Mir ist schwindelig, kann kaum noch Atmen. Es fließt und fließt wie Wasser aus mir heraus. Ich habe mühe meine Augen offen zu halten. Der Raum scheint zu flimmern. In meinen Ohren summt es, wird immer lauter. Ich merke wie meine Körperfunktionen nachlassen. Beginne zu zittern, kann es nicht mehr kontrollieren. Wieder steigt diese Angst in mir hoch. Doch diesmal ist sie viel größer und stärker. Habe das Bedürfnis zu weinen, warum wart ihr alle so zu mir? Warum konnte mich keiner lieben? Hierhin habt ihr mich gebracht. Jetzt ist alles zu spät. Was habe ich nur getan? Merke wie die Umrisse des Badezimmers vor meinen Augen verschwimmen. Alles wir nebelig, dann hüllt mich langsam Schwärze ein.
  

Der Schmerz hat aufgehört. Ich fühle nichts mehr außer einer unsagbaren Zufriedenheit. Es ist als würde ich schweben. Fühle mich so frei und glücklich. Von weit her höre ich leise und sanfte Klänge. Die Schwärze weicht einem leuchtendem Licht, einem Strahlen welches auf mich zuzukommen scheint. Diese einzigartige Melodie wird lauter. Aus dem Leuchten heraus wird schemenhaft eine Siulette sichtbar. Es kommt immer näher auf mich zu. Immer deutlicher zeichnen sich die Umrisse eines Körpers ab, der das gesamte Licht in sich aufzusaugen scheint. Der Melodie ist ein zartes Summen gewichen und vor mir steht eine leuchtende Gestalt die von den Konturen auszusehen scheint, als sei es ein Mensch. Sie steht, schwebt in der Mitte meines Badezimmers und manifestiert sich immer mehr. Ein leuchtender Mensch mit dem gütigsten Antlitz, welches ich je sehen durfte.

„Sehen wir uns so schnell wieder?“

Die Stimme, so sanft und gütig, scheint mir so vertraut. Verstehe nicht, was ist geschehen? Was geht hier vor? Instinktiv blick ich mich um, um mich zu orientieren. Erstarre, als ich das Bild sehe, welches sich mir darbietet. Mein Körper aschfahl in sich zusammen gesackt in einer Badewanne, aus einem Meer von Blut liegend. Die Augen geschlossen, das Gesicht wie versteinert, halb unter Wasser. Ich weiche zurück. Bin geschockt. Unendliches Mitleid über diesen Körper, für diesen Menschen, als sei es nicht ich, kommt in mir auf.

Wieso hast du nur aufgegeben?

„Als Mensch wirst du deine Gründe gehabt haben.“ Die Stimme des Wesens holt mich in eine andere Wirklichkeit zurück. Oder ist all dies hier nur ein Traum?

„Nein leider nicht. Diesmal ist es kein Traum. Zu sehr hat sich deine Seele gegen das Leben gewehrt. Du warst damals nicht davon abzubringen dieses Leben zu leben. Schwere Prüfungen liegen vor dir, die auch für eine reife Seele nicht einfach währen. In einem menschlichen Körper zu stecken ist nicht immer einfach und gerade für eine so sensible Seele wie du es bist, bringt es oft Schwierigkeiten mit sich. Zu deutlich spürst du den Schmerz der Welt, bist empfänglich für die Ungerechtigkeiten die das Leben mit sich bringt. Aber ich weiß du wirst es schaffen. Noch nehme ich dich nicht mit heim.“

Zarte Töne umhüllten mich. Die Gestalt schwebte mit ihrem strahlendem Licht auf mich zu und schien noch größer zu werden. Als würden sich riesig leuchtende Schwingen hinter ihr emporheben, die einer Art Flügel glichen.

„Vergiss nicht wie sehr wir dich lieben.“ Mit diesen Worten berührte mich das Lichtwesen sanft und strich zärtlich über meinen Kopf. In diesem Moment gab es keine Zeit und keinen Raum mehr. Ich verlor mich in der Unendlichkeit allen Daseins. Schwebte dahin in Güte und Liebe. Aus weiter Ferne von vollkommener Glückseligkeit hörte ich noch einmal diese weiche, sanfte Stimme.

„Ich werde Dir diesmal jemanden mit auf deinen Weg geben. Vertraue deiner inneren Stimme.“

Dann war wieder Dunkelheit.
 

Mit geschlossenen Augen stehe ich in der Mitte des Raumes. Mein Kopf summt, mir ist schwindelig. Wie ein Baum im Wind wiegt sich mein Köper leicht hin und her. Höre wie in weiter ferne, das Plätschern des Wassers. Schaue auf die sich füllende Badewanne. Mir ist als hätte ich all das schon einmal erlebt. Bin gefangen in diesen Moment. Sehe vor mir wie mein Körper leblos in dem Bad aus Blut liegt. Stelle wie in Trance das Wasser ab. Nein, ich werde mich dem Leben stellen und nicht aufgeben. Langsam öffnete ich die Badezimmertür. Ging zur Garderobe, nahm meine Jacke und ging hinaus in die Nacht.
  

Heute verstarb meine geliebt Mutter und Oma im Alter von 80 Jahren nach einem erfüllten Leben. Wir trauern sehr um sie. In Gedenken Deine Tochter.

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anteus Eine - ergreifende Geschichte!
Sehr realistisch geschrieben.
Doch ich hoffe, die Frage muß ich bangend stellen,wirst Du doch nicht auch in die Tat umsetzen wollen?
Denke es ist aus Deiner Fantasy entsprungen!
Liebe Grüße
Anteus
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