Vorwort
"Fest der Geschenke" - mit diesem Slogan überschrieben, flatterte mir heute morgen mit der Tageszeitung ein Hochglanzprospekt mit teuren Uhren und edlem Schmuck auf den Frühstückstisch.
Ja, sind wir denn wirklich schon soweit, dass wir das ganz unverhohlen hinausschreien: Leute, es geht um nichts anderes, als um den Konsum, um Umsatz, um Profit. Ihr, die ihr noch solch` veraltete Bezeichnungen wie "Fest der Christi Geburt" oder "Fest der Liebe" im Ohr habt - vergesst das. Das ist nicht mehr zeitgemäß! Ist das wirklich so? Oder spürt nicht auch der eine oder andere von Euch eine gewisse Sehnsucht nach einer anderen Art von Weihnachten in sich? All` denen wünsche ich viel Freude mit meiner Geschichte vom Schenken.
Es war Mitte November, als mich meine 14-jährige Sonja - bewaffnet mit Papier und Bleistift - beiseite nahm und flüsterte:
„Wir müssen jetzt mal ernsthaft darüber sprechen, was ich Papa, Alexander, Nina, Marco, Inka und Marcel an Weihnachten schenken könnte".
Nach kurzem, aber intensivem Nachdenken sagte ich ihr, dass ich zwar sehr wohl wüsste, was ich den Einzelnen schenken werde, aber so auf die Schnelle könne ich jetzt nicht auch noch Geschenkideen für sie aus dem Ärmel
schütteln. Ich versprach ihr aber, dass ich mir Gedanken machen werde..........
Drei Tage später sagte der 13-jährige Marcel - in ungewohnt gedämpftem Tonfall -, dass er mich mal alleine sprechen müsse. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass kein Anderer in der Nähe war, platzte es aus ihm heraus:
„Dieses blöde Weihnachten, ich hab` noch gar keine Geschenke und weiß auch überhaupt nicht, was ich kaufen soll. Du musst mir helfen."
Auch ihm versprach ich, dass ich mir Gedanken machen werde..........
Am darauffolgenden Sonntag rief mein erwachsener Sohn Alexander an und klagte mir - sichtlich genervt - „sein Leid", die Weihnachtsgeschenke für seine Geschwister betreffend. Selbstverständlich sagte ich auch ihm zu, dass er auf mich zählen könne und ich mir Gedanken machen werde.........
Es wird Euch nicht erstaunen, wenn ich Euch verrate, dass einige Tage später auch der 19-jährige Marco an mich appellierte, ihm behilflich zu sein, das „richtige" Geschenk für die einzelnen Familienmitglieder zu finden. Er steigerte das Ganze noch und fügte hinzu:
„Weißt du, Mama, ich will keine Nullachtfünfzehn Geschenke machen. Wenn, dann muss es schon etwas ganz Individuelles sein, also lass dir etwas Gescheites einfallen".
Das fand ich ganz schön fordernd! Nichtsdestotrotz - wieder sagte ich zu, mir Gedanken zu machen..........
In den letzten Novembertagen war ich also sehr beschäftigt - mir Gedanken zu machen........
Als dann am 1. Adventssonntag, Inka, die Freundin von Marco zu mir sagte:
„Da du doch auch eine Frau um die fünfzig bist, könntest du mir sicher
raten, über was sich meine Mutter an Weihnachten freuen würde..", platzte mir (innerlich) der Kragen!
Von da an machte ich mir wieder viele Gedanken. Nun aber darüber, wie ich meinen Lieben nahe bringen könnte, was Schenken im eigentlich Sinn bedeutet. Und ich hatte einen genialen Einfall. Ich erinnerte mich an das Grußwort eines Geistlichen bei einer Tagung zum Thema Biografiearbeit, die ich einige Monate zuvor besucht hatte. Dort hatte Pfarrer Kaufmann mit einer jüdischen Geschichte von einem Rabbi bei mir einen mächtigen und tiefgreifenden Eindruck hinterlassen. Ich erzählte sie jedem einzelnen meiner
Kinder:
Ein Rabbi sitzt im Tempel. Er hat eine Erleuchtung. Es wird ihm mit einem Mal klar, dass er den Armen helfen und ihnen etwas schenken muss. Er geht aus dem Tempel heraus, trifft auf einen Armen, geht auf ihn zu, will ihn umarmen und ruft: „Ich liebe dich, sag mir was Du brauchst, ich will es dir schenken!" Darauf der Arme: „Wie kannst du sagen, dass du mich liebst, wenn du nicht weißt, was ich brauche!"
Zugegeben - ich habe die Worte von Pfarrer Kaufmann ein ganz klein wenig abgewandelt, aber sie passten trefflich
auf das, was ich meinen Kindern vermitteln wollte. Und ich hatte den Eindruck, dass mir das hervorragend gelungen ist!
Auf alle Fälle waren nun sie sehr nachdenklich geworden..........