Auf halber Strecke zwischen unserer Wohnung und dem Supermarkt, da steht ein Biomarkt. Ich weiß nicht, wer ihn dort hingestellt und nicht wieder abgeholt hat, ich war es jedenfalls nicht! Nicht, dass ich was gegen biologisch einwandfreies Gedöns hinter grünen Schwindeletiketten hätte, mitnichten: Ich bin sicher, ohne Verpackungen mit BIO-Aufdruck wäre die Welt eine schlechtere. Der Wald stürbe, die Robbenbabys sowieso, und von den armen Walen will ich gar nicht erst anfangen. BIO ist toll. Nehmen wir etwa den Strom: Seit biologische Nachhaltigkeit ins Bewusstsein des hippen Konsumenten hineindiffundiert ist, lässt sich die
heimische Energiesparbirne mit Quecksilberfüllung sogar mit gesunder Energie betreiben. Dass der leckere Ökostrom vorher zum Franzosen umgeleitet und durch dessen Atommeiler genudelt wurde - geschenkt. Zählen tut schließlich, was hinten raus kommt, der Mistkäfer weiß das längst: Richtig, BIO!
Und nun macht seit geraumer Zeit auch der genannte Biomarkt samt vermutlich teuer kolorierter Riesenplakate von glücklichen Salatköpfen und inklusive BioBackHaus in hipper »Camel Case«-Schreibweise die von feinstaubfilter- und katalysatorfreien Taxis befahrene Hauptstraße zu einem gesünderen Ort.
Apropos hip, ist der Markt, wie könnte es anders sein, natürlich ein Eldorado für Hipster aller Art, die wie eine unaufhaltsame Zombiewelle aus der Ökobrutstätte Prenzlauer Berg längst auch ins schöne Schöneberg herübergeschwappt sind: So lässt sich, während der verirrte Kunde um Regale aus Omas Zeiten schlendert, allerlei Wandkunst(druck) bestaunen, das angebotene Sortiment lässt Ostalgiegefühle aufleben, gibt es von jeder Produktkategorie doch genau eine Marke zur Auswahl, und sollte der eine (!) Kassierer mal nicht zugegen sein, weil er mit der BackShopVerkäuferin über die gemeinsam besuchte Vernisage
vom Vorabend debattiert, so hat der Kunde das seltene Vergnügen, auf die kleine metallene Klingel an der Kasse zu hauen, die schon am Empfang des »Overlook«-Hotels in Stanley Kubricks »Shining« montiert war. Ping!
Das Einkaufen an sich macht, das muss ich zugeben, Spaß: Das ganze Brimborium des Preisevergleichens fällt ob der stark eingeschränkten Produktvielfalt natürlich flach, somit auch der Blick auf den Preis an sich, was den Spaß an der Kasse dann recht abrupt enden lässt. Ferner gestaltet sich das Shoppen angenehm stressfrei, bleibt doch aus regulären Supermärkten
bekanntes Gedränge, das gerade vor Feiertagen apokalyptische Ausmaße annimmt und schon mal mit Nervenzusammenbrüchen im Kassenbereich enden kann, komplett aus. Personal sucht man, als würden sich die Regale von selbst einräumen, wie einst im gemütlichen »Schlecker«-Markt vergeblich, und auch bei den vereinzelt auftretenden Kunden kann man nie sicher sein, ob der wild um sich blickende Proband das Gesuchte nicht finden kann, oder ob er einfach nur Sightseeing betreibt.
Das Einkaufserlebnis an sich sucht freilich seinesgleichen: Ich wollte nur
eine Packung Couscous erwerben, dieses krümelige Zeug für Leute, denen Reis einfach nicht mehr zeitgemäß genug ist, und sah mich einer schieren Armada unterschiedlicher Körnerarten gegenüber. Meine Fresse, wer frisst das alles? Es ist ja nicht so, als hätte der Mensch mehrere Mägen wie gewisse säugende Artgenossen, soll heißen, das Körnergedöns kommt leicht gepresst und um Gestank angereichert so hinten wieder raus, wie es zuvor oben reingekippt wurde. Bei so viel Gekörntem fragte ich mich glatt, ob das wirklich ein Supermarkt war oder doch eher ein Fachhandel für Kanarienvogelfutter. Würde man Honey
Sticks der Marke »Trill« mit ins Regal legen, ließen sich für den Sittichleckerbissen sicherlich ganz neue Kundenkreise erschließen.
Dafür geht man nach dem Einkaufen aber mit dem guten Gefühl nach Hause, seinem Körper was Gutes zu tun. Und das nicht nur, weil das deutlich leichtere Portmonee beim Gehen die Gelenke schont. Ist schon was anderes, als diese chemisch verunreinigte Pampe aus dem Normalomarkt in sich reinzustopfen, mit der die böse Industrie unsere Gesundheit zerstört. Dass die Menschen auch jenseits grün etikettierter Produktsphären immer älter werden, kann man schon mal
ignorieren, und so ein Johannes Heesters wäre sicher auch nicht schon mit hundertundsieben abgetreten, wenn er fleißig jeden Tag seinen Biodinkel zu sich genommen hätte. Tja, Pech gehabt.
Dennoch ist es, abseits jeglicher zynischer Betrachtung, natürlich schön, dass das biologische Bewusstsein so sehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Wahnsinn, was die anderen (beiden) Leute, die zusammen mit mir im Laden waren, so aufs Fließband geknallt haben: Der vor mir eine ganze Packung Müsli, der hinter mir eine satte Flasche Milch, dazwischen meine Portion Couscous ... Wow! Stellt
sich fast die Frage, ob der Biomarkt nicht doch nur der Notnagel für all jene ist, die zu faul sind, für eine Packung Klopapier aus naturbelassener Baumrinde dreihundert Meter weiter bis zum Edeka zu rennen und sich eine halbe Stunde an die chronisch verstopfte Kasse zu stellen. Was mich da angeht: Lesen Sie den ersten Satz dieses Textes noch mal.
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