Kurzgeschichte
Die Statue

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"Die Statue"
Veröffentlicht am 31. Oktober 2013, 20 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Die Statue

Die Statue

Einleitung

Eine Statue beherbergt neues Leben. Wie lange noch?

Eine Zukunftsvision

Copyright G.v.Tetzeli Cover: Monika Heisig

www.welpenweste.de

An einem entfernten Berge, von Fäulnis, Pilz und Spinnweben eingehüllt, stand ein Denkmal. Es war über mannshoch und erinnerte ein bisschen an die Postmoderne. Die Bergflanke war eingedrückt, wie wenn ein Hallendach plötzlich unter zu großer statischer Belastung eingestürzt wäre, ähnlich einem halben Vulkankrater. Hier in diesem Krater stand diese Skulptur. Sie stand gerade und aufrecht, als ob sie unumstößlich sei. Das Einzige, das senkrecht stand. Alles andere bildete Wellen, Krater, Mulden, Zacken. Um sie herum bröckelte Schutt und Asche, fest gewordene Lava. Sie hatte sich wie eine Sanddüne niedergesetzt. In diesem Krater schien nur einmal am Tage die Sonne spärlich herein. Immer dann, wenn sie kurz zum Zenit

aufgestiegen war. Die restliche Zeit verwehrte der Kraterrand den Zugang der Sonnenstrahlen. Insgesamt stellte die stolz erhobene Statue gegenüber ihrer trostlosen Umgebung geradezu einen grotesken Gegensatz dar.

Früher einmal hatten die Menschen zu dieser Statue hoch geschaut. Sie hatten es als ihr Werk, ihre Passion, als Pseudonym für alles Erstrebenswerte angesehen. Die Statue zeigte die Kunstfertigkeit, welche die Menschen gehabt hatten, ihren Sinn für Formen und Farben, ihr handwerkliches Geschick. Allerdings war von dieser Gestalt nur eine Art Torso übriggeblieben mit einer Andeutung von Armbewegung. Nun machte sie einen steifen Eindruck. Steif und starr, wie wenn die Zeit

stillstehen würde.

Sie war in einem verbleibenden Luftloch zwischen Schlacke, verstrahltem Atommüll und Staub, der unirdisch glänzte, fast versteckt. Die Oberfläche war schon bucklig angeraut. Blasen erhoben sich aus den zum Teil noch glatten Umrissen, die wie zerfurchte Rinde aussah. Sämtliche Ziselierungen waren verschwunden und der Rost hatte bereits Löcher in die Bronzehaut gefressen.

Die Gestalt der Figur war nur noch undeutlich auszumachen, wohl ein menschliches Wesen darstellend. Der Zahn der Zeit mit samt seinen widrigen Umwelteinflüssen hatte sie schon arg in Mitleidenschaft gezogen. Die Ausbuchtung im oberen Drittel des unheimlich funkelnden Gerüstes mag einmal ein Arm gewesen sein.

Etwas Schmales, Langes schien in der geballten Faust des Denkmals umklammert. Was es gewesen sein könnte, lässt sich nur erahnen. Vielleicht eine Lanze, irgendeine andere Waffe, oder vielleicht ein Herrschaftsinsignum? Vielleicht sogar eine Fackel? Licht?

Das Seltsamste aber war, dass dieser menschlich anmutende Körper bewohnt war. Inmitten dieser Halde von Unwirtlichkeit gab es tatsächlich Leben. Dieser Korpus beherbergte es! Nicht nur einfaches Leben an sich, wie Bakterien, Mikroben, sondern sogar höherstehende Lebensformen, von dem die unwirtliche, zerstrahlte Umgebung des Kraters nur träumen konnte. Dort sah man sich vergeblich um, etwas lebendiges erspähen zu

wollen.

Menschen gab es hier in dieser Einöde natürlich nicht. Genauer gesagt nicht mehr. Auch grüne Pflanzen fehlten in dieser Mondlandschaft. Wie hätten sie auch Photosynthese betreiben sollen, da der Himmel gelblich war. Die Luft bestand zu großem Teil aus Methan und es war mit 50 Grad sengend heiß am Boden. Nur in diesem Krater schien es kühler. Sogar Wassertropfen waren zu sehen. Am kühlsten war es in der hohlen Statue selbst.

Im unteren Drittel schlürften Larven die oxydierte Schicht mit emsiger Geschäftigkeit. Zangen kratzten den darüber umwobenen Pilz weg. Ein ums andere Mal wurden die schwer Arbeitenden von neuen Mannschaften

abgelöst. Andere insektenförmige Lebewesen fingen die Späne auf. Erstarrt blieben sie etwas unterhalb sitzen bis ihre zu Eimern geformten Hauer mit der herunterfallenden Späne gefüllt waren. Sie machten sich auf und davon und wurden durch Neuankömmlinge ersetzt.

Die mit den gefüllten Eimern wanderten auf ihren sechsbeinigen Füßen, die wie Ausleger konstruiert waren, durch eine der vielen Öffnungen in das Innere der Skulptur. Sie marschierten durch den von Rost zerfressenen Eingang, um die aufgefangene Nahrung zu den innen gelegenen Waben zu tragen. Innerhalb der Statue war es deutlich kühler. Ein dunkler Ort. Sie orientierten sich offenbar nach Gerüchen. Es könnte aber auch

sein, dass andere chemische Signale sie leiteten. Niemand gab Befehle und trotzdem funktionierte alles prächtig. Jeder hatte seine Aufgabe und jeder schien auch dadurch zu profitieren, dass er in dieser gleichartigen Gemeinschaft leben konnte. Ohne diesen Zusammenhalt war wohl für das einzelne Individuum ein Überleben nicht möglich.

Die Hitze stammte von wuchernden, wärme erzeugenden Pilzen, die diesen Bottich umsäumten. Auch sie hatten sich nach der Katastrophe angepasst. Die Pilze ernährten sich dabei von einem Teil der hineingeschütteten Späne. Diese gallertartige Masse stellte nach der Erwärmung durch Osmose die Grundnahrung dieser merkwürdigen Insekten dar. Damit wurde auch

ihre Brut gefüttert, denn von dem großen Tiegel führten Kanäle an jede Brutwabe. Die Maden brauchten nur mit ihren löffel artigen Fühlern zuzugreifen.

Tief unten im Gewölbe gab es auch eine Königin dieses Staates. Genau so, wie wir es von unseren Insektenvölkern kannten. Sie war riesig im Vergleich zu ihren Untertanen und auch sie wurde von durch einen gesonderten Kanal mit diesem Pilzextrakt gefüttert, der aber noch durch den Speichel der Arbeiterinnen angereichert wurde. Die Königin hatte auch große Hauer und ab und an standen auch ein paar ihrer Untertanen auf dem Speiseplan. Sie brauchte diese kannibalische Nahrung zusätzlich, um genügend Kraft zu haben für ausreichenden

Nachwuchs zu sorgen. Die Arbeiterinnen gaben sich zum Wohle der Art buchstäblich selbstmörderisch hin, so wie wir es von einigen Spinnenarten kennen, wenn zum Beispiel die Mutterspinne sich ihrer eigenen Brut als Nährstofflieferant hingibt. In beiden Fällen ist dies ein effizientes Vorgehen zur Überlebensstrategie. Nichts wird verschwendet. Selbst Kadaver nicht.

 

Weiter oben, im mittleren Drittel der Skulptur gab es ebenfalls Lebewesen. Sie waren sehr viel größer, als die unten lebenden Insekten, doch nicht so zahlreich.

Dort waren schaben artige Wesen zu Werke. Sie trugen eine Art Panzer, wie wir es noch von den Schildkröten kannten. Sie waren im

Gegensatz zu den vorher genannten nicht staatlich organisiert. Es schien eher so, als ob sie so etwas ähnliches, wie Rudel-Verhalten an den Tag legten. Jedes einzelne Individuum musste selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen. Sie mussten auch keine Brutpflege betreiben, wie die Unteren, welche die gesammelten Pilzextrakte aufzubereiten hatten, damit ihr Lebensunterhalt gesichert war. Sie ernährten sich direkt von dem erodiertem Eisen. Es gab wohl auch weibliches und männliches Getier. Die Männchen legten offensichtlich die Eier. Aus ihnen krochen so etwas ähnliches, wie Raupen. Sie ernährten sich ausschließlich von Rost, das sich auf dem Eisen der Statue gebildet hatte. Dann verpuppten sie sich und

die Brut war nach dem Schlüpfen aus gehärteten Kokons sofort selbstständig.

 

Am Kopf der Figur war kein Leben. Allenfalls setzten sich ab und an merkwürdige Fluggeschöpfe, den Vögeln ähnlich, auf die Rundung, um auszuruhen, denn sie befanden sich voller Panik auf der Suche nach Lebensräumen, vor allem nach kühlen Orten. Obwohl auch sie sich schon etwas angepasst hatten, sie hatten zum Beispiel ihre Atmung umgestellt und ihre Flügel waren größer, damit sie genügend Auftrieb in der Gasatmosphäre hatten. Aber sie flogen immer schnellstmöglich ab. Sie ahnten wohl die Gefahr, die von diesem Ort ausging.

 

An sich wäre es eine schöne Gemeinschaft gewesen, wenn der Pilzbewuchs nicht den Rost der Statue zerstört hätte. Dies raubte den Wesen des oberen Drittels die Nahrungsgrundlage. Sie wurden des benötigten Eisens beraubt. Andererseits fraßen die eisenverschlingenden Insekten den Nährstoff der Pilze weg.

So rüstete man sich zum Kampfe!

Die Soldaten unter den Insekten wurden immer mächtiger. Sie hatten nun das Sagen im Insektenverband. Die Gemeinschaftsstruktur bei den unten lebenden Staatsgebilde begann sich zu verändern. Schließlich ging es um das Überleben. Zuerst hatten die Insekten des unteren Teils reagiert, denn mehrere

Abteilungen von Friedens- und Verhandlungsbotschaftern waren nur noch zerstückelt am Fuße des Denkmals gefunden worden. Die chemischen Signale waren von den oben lebenden Individuen nicht verstanden worden.

Nun wusste man Bescheid. Es galt Maßnahmen zu ergreifen, um das Überleben zu ermöglichen.

Es wurden Einzelne der Art zu Soldaten ausgebildet. Dies geschah durch die erhöhte Speichelbeimischung zum Pilzbrei. So schlüpften immer mehr Larven als Soldaten mit größeren Hauern und mit chemischen Kampfstoffen, die sie auf die Gegner verspritzten. Sie konnten nicht nur Niederlagen, sondern auch bedeutende Siege

über die Feinde im oberen Drittel vermelden. Aber trotz allem geriet die Ausgewogenheit des Insektenstaates aus den Fugen. Es waren nun nicht mehr genügend Arbeiter und Arbeiterinnen nach geschlüpft

Immer verbissenere, heftigere Kämpfe wurden geführt. Die Waben und deren Maden wurden von den Eisen fressenden Insekten geplündert. Auch sie hatten sich der Not gehorchend von Einzelgängern zu richtigen Heerscharen zusammengerottet. Stoßtrupps wurden ausgesandt die reifenden, hilflosen Maden waren Nahrungsquellen. Aber die beidseitig lebensnotwendige Nahrungsgrundlage wurde entrissen, damit der Feind nichts mehr davon haben sollte. Gegenseitig machten sich die Krieger die

Nahrungsgrundlagen zunichte. Und je verzweifelter die Situation sich zuspitzte, desto fanatischer wurde gerungen.

Eigentlich wäre es ein leichtes gewesen sich zusammenzutun, und sich mit Nahrungsangebot und Nahrungsnachfrage zu ergänzen, da sie nicht dieselbe Nische der Ernährung nutzten. Sie hätten sich in Eintracht ihr Überleben sichern können.

 

Mit einem dumpfen Knall stürzte schließlich die erhabene Statue zusammen, als die innere Festigkeit durch die Kämpfe und den Raubbau an Nahrungsmitteln für die Aufzucht der Soldaten verloren gegangen war. Langsam, aber unumstößlich krachte die Statue in einem Inferno zu Boden. Der Rost, die Struktur war

der Schwerkraft nicht mehr gewachsen. Eine aufsteigende Wolke begrub die beiden Insektenvölker, die das Überleben nicht gemeistert hatten.

Übrig blieb ein unbedeutender Schuttberg, wie er überall auf der Erde anzutreffen war. Ein Schuttberg innerhalb eines Kraters.

 

Niemand mehr würde von dem seltsamen, einstigen Leben erzählen können, das dort einmal entstanden war.

 

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welpenweste Dazu:
Es geht um ein kleines Stück der Verwüstung dessen übergeordneter Blick von dem aus die Geschehnisse betrachtet werden eben auch aus menschlicher Sicht ist.
Aber ich nehme es ernst und werde es nochmals querlesen!
Danke jedenfalls fürs Kommentieren.
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Lieber Günter,
eine Tolle Geschichte, die mich in ihrer Art sehr fasziniert hat. Einige Anmerkungen möchte ich doch machen: Wenn ich es richtig verstanden habe, sind die Menschen ausgestorben. Wie kann sich der Beobachter dann an menschliches Handeln erinnern? Ist die Statue jetzt aus Bronze (Zitat: bronzene Haut) oder aus Eisen? Und vielleicht liest Du das Ganze noch einmal gründlich unter der Beachtung von Feinheiten.
Lieben Gruß
Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
schnief Wozu eine Statue alle gut sein kann!
LG
Manuela
Vor langer Zeit - Antworten
Rajymbek Schade, mir fehlt etwas die Ruhe, um alles zu lesen. Das, was ich las, war vielversprechend.

VLG Roland
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Es beruhigt, wenn jemand die ersten Zeilen liest und nicht gleich sagt, oje!
(lach)
Günter
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Zwischenzeit Und...am Ende der Allee raucht eine Pappel Zigaretten.......Chapeau!

LG

Sabine
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