„Du hier? Mit dir habe ich gar nicht mehr gerechnet. Was ist mit deinen Freunden? Erlauben sie dir wieder den Umgang mit mir? Tut mir leid, wenn ich das so direkt sage.“
„Ich habe keine Freunde mehr.“
„Wie kommt es denn? Hast du es endlich geschafft, dich von ihnen zu trennen? Oder ließen sie dich in Stich? Oh, tut mir leid. Ich bin wieder mal sehr unhöflich. Komm rein. Mach es dir bequem... Hast Hunger? Soll ich dir was machen? Ich mach dir eine Kleinigkeit. Der alten Zeiten wegen. Und weil ich eh grad dabei war, was zu machen. Die Frau ist übrigens meine Flamme. Wir sind schon ein ganzes Weilchen zusammen. Ihr könnt ja ein wenig plaudern, während ich in der Küche beschäftigt bin. Ich brauche nicht lange. Ein bis zwei Minuten. Der Kaffee ist schon fertig. Er ist, wie früher. Du trinkst ihn immer noch mit Milch, stimmt's? Bin gleich wieder zurück.“
Völlig überraschend hatte sie sich vor kurzem bei ihm gemeldet. Nach wie vielen Jahren? Schon lange hatte er vorgehabt seine Nummer zu wechseln. Aber immer wieder hatte er es hinausgeschoben. Das sie seine Nummer behalten hatte, wunderte ihn. So, wie sie drauf gewesen war. Ihr Umgang war schon immer das letzte gewesen. Schade, das sie so viel Wert auf ihn gehalten hatte. Seinetwegen ging es zwischen ihnen auch auseinander. Sie mochten ihn nicht. Aus Gründen, die er nicht kannte.
„So, da bin ich wieder. - Ach, vergessen. Kommst du mal bitte mit? Ich möchte nicht zweimal laufen und auch nicht alles aufzählen müssen, was ich da habe.“
In der Küche waren sie unter sich. Er war sich nicht sicher. Aber er war sich ziemlich sicher, das sie wieder zu ihm zurück wollte. Ihr Blick. Er konnte sich auch täuschen.
„Wie kommt es, das du dich nach so langer Zeit wieder bei mir meldest? Ich dachte, du hasst mich. Zumindest sah es so danach aus, als wir uns das letzte mal gesehen haben. Die harten Worte. Der finstre Blick. Oder war es der Einfluss von deinen Freunden?“
„Keine Ahnung. Zu lange her.“
„Du hattest mir sehr wehgetan. Ich habe Wochen gebraucht, bis ich mich wieder halbwegs gefangen hatte. Fast zwanzig Kilo hatte ich abgenommen. Kein Appetit gehabt. Ich stand kurz davor ins Krankenhaus zu kommen, wegen unterernährt. Sie hat mich gesehen, als ich gerade einen Spaziergang durch den Wald machte. Es war anstrengend. Meine Beine wollten nicht mehr so, wie sonst.
Um es kurz zu machen. Sie half mir dabei, an mich zu denken. Daran, was ich erreichen will im Leben. Und so kamen wir zusammen. Wir verstehen uns sehr gut. Gehen aufeinander ein. Lassen uns nicht in unsere Beziehung reinreden. Ich bin glücklich mit ihr.
„Wie geht es dir eigentlich? Warum meldest du dich nach so langer Zeit wieder bei mir?“
„Hatte in letzter Zeit oft an dich gedacht. Weiß nicht, warum.“
„Du warst mir gegenüber schon immer sehr schweigsam gewesen. Ist auch egal. Zumindest kann ich dir eines sagen. Du und ich, das wird nichts. Falls du daran gedacht hattest. Oft genug waren wir getrennt und wieder zusammen.“
Mit traurigen Augen sah sie ihn an. Mühevoll unterdrückte sie ihre Tränen. Was hatte sie gedacht? Das er sich freut sie wieder zu sehen, alles vergessen ist und sie wieder ein Paar sind? Sie hatte es sich selbst versaut. Schließlich hatte sie auf ihre Freunde gehört, nicht auf ihn. Hatte es zugelassen, das sie in ihre Beziehung reinreden. Sie hatten es geschafft, das sie sich von ihm trennte. Nun stand sie alleine da. Hatte niemanden. Er hatte recht gehabt, als er zu ihr sagte, das er der einzigste Freund sei, den sie habe. Denn es hatten zwar viele versprochen, ihr zu helfen, aber es kam niemand. Er war immer für sie da gewesen.
„Der Kaffee wird kalt. - Solltest du mal jemanden brauchen. Ruf mich.“
„Wir haben uns geschworen, immer die Wahrheit zu sagen. Ganz egal wie hart, wie peinlich, oder...
Am besten fange ich von vorne an. Ich möchte dich darum bitten, mich ausreden zu lassen und mir ganz genau zuzuhören. Hinterher darfst du mich alles fragen. Falls du dann noch mit mir reden solltest.
Was ich dir jetzt zu sagen habe, ist nicht leicht zu verstehen. Es fällt mir äußerst schwer, es dir zu beichten. Aber es muss sein, da ich möchte, das du dennoch Vertrauen zu mir hast. Mir wäre es außerdem sehr unangenehm, wenn du es von jemand anderem erfahren würdest. Davon abgesehen weiß ich jetzt schon, das es dir noch jemand anderes erzählen wird. Aber anders. Nicht ganz so, wie es wirklich war.
Du bist die Frau, die ich über alles liebe. Vor dir gab es auch Frauen, die ich geliebt habe. Aber nicht so sehr. Nie zuvor gab es eine Frau, der ich so viel Vertrauen entgegensetzen konnte. Um so mehr schäme ich mich vor dir. Keine Frau vor dir, war so unglaublich schön. Intelligent. Bezaubernd. Anmutig. Atemberaubend...Entschuldige bitte, ich schweife ab. Wie du siehst, fällt es mir wirklich schwer, dir zu sagen, was geschehen war.
Also. Gestern Mittag klingelte unser Telefon. Deine Vorgängerin war dran, mit der ich schon seit geraumer Zeit keinen Kontakt mehr hatte, weil ich es nicht wünschte. Ich hatte meine Gründe. Du kennst sie. Das Vergessen hatte ganz gut funktioniert, bis zu jenem Anruf. Ich war wirklich glücklich gewesen. Und das lag an dir. Weil du eine großartige Frau bist. Du gibst mir all das, was mir die anderen Frauen nicht gaben, oder nicht geben konnten.
Sie weinte. Zumindest klang es so, als würde sie weinen. Ich bekam Mitleid. Du weißt, das ich ein sehr weiches Herz habe. Eine einzige Träne reicht aus, um... Naja. So kam es jedenfalls, das ich mich mit ihr traf. - Bei ihr. - Mit deiner Erlaubnis.
Anfangs war sie noch die hilflose Frau, die sie am Telefon vorgab zu sein. Sie jammerte mir die Ohren voll. Ganz automatisch umarmte ich sie. Tröstete sie. Eine Träne entrann meinem Auge. Die arme Frau, dachte ich mir. Und ehe ich es realisieren konnte, klebten ihre Lippen, an den meinigen.
Ich möchte es nicht auf den Alkohol schieben. Auch wenn wir Wein getrunken hatten. Sie verträgt eine ganze Menge. Ich vertrage zwar auch viel, aber zu dem Zeitpunkt, als ihre Lippen meine Lippen berührten, war ich nur leicht beschwipst. Mehr nicht. Dafür mit meinen Gedanken woanders. Denn als ich sie in meine Arme nahm und sie ihre Arme um mich schlang, schlug ich meine Augen zu und dachte an dich. Ich schwöre.
Vielleicht ist das der Grund gewesen, warum ich es zugelassen hatte, das sie mich küsste. Weil ich dich vor mir sah. Ich weiß es nicht.
Leider war es nicht beim küssen geblieben. Immer noch hatte ich das Gefühl, dich zu spüren. Es war schon dunkel geworden. Sie hatte kein Licht angehabt. Ich sah nur ihre Silhouette. Viel zu ähnlich sah sie dir. Die ganze Zeit dachte ich nur an dich. Sah deutlich dein Gesicht vor mir. Hatte Sehnsucht nach Nähe. Wärme.
Bevor ich registrierte, was vor sich ging, war es schon zu spät gewesen. Laut stöhnte sie auf. Glitt von mir runter. Legte sich neben mich. Kuschelte sich an mich. Ich lag nur stocksteif da und wusste nicht, wie mir geschah. Was gewesen war. Ob etwas gewesen war.
Als ich sie leise schnarchen hörte, zog ich mich leise an und schlich mich davon. Ich beschloss, in eine Kneipe zu gehen. Mich zu betrinken. Das tat ich dann auch. Es tut mir aufrichtig leid, was ich getan habe. Mir ist bewusst, das es dir sehr viel Überwindung kosten wird. Aber kannst du mir verzeihen? Ich liebe dich wirklich von ganzem Herzen. Nur dich und keine andere.“
„...“
„Danke für alles. - Auch wenn wir nur zusammen waren, weil keiner von uns alleine sein wollte. Ich bin froh, dich kennengelernt zu haben. Liebe habe ich nie für dich empfunden. Wahrscheinlich ging es dir mit mir genauso. Dennoch genoss ich die Zeit mit dir. Jeden Augenblick, den wir gemeinsam verbracht hatten.
Wir hatten es beide nicht leicht gehabt. Pech mit unseren Partnern. Unsere gesetzten Ziele haben wir nur äußerst selten erreicht. Zu viele Steine wurden uns in den Weg gelegt.
Wir haben stets zusammengehalten. Alles gemeinsam gemeistert. Das getan, was richtige Paare tun. Es fehlte nur die Liebe. Vielleicht liebe ich dich und merke es gar nicht. Ist es möglich, das ich die anderen Frauen gar nicht geliebt habe? Das ich mich im Gefühl geirrt habe?
Du bist eine großartige Frau. Bist immer ehrlich. Für mich da. Jetzt, in meiner letzten Stunde, stehst du neben mir und hältst meine Hand. Lässt sie nicht eher los, bis ich...
Ich glaube, ich habe mich wirklich geirrt, was meine Gefühle für dich betrifft. Wie konnte das geschehen?“
„Du wurdest zu oft verletzt. Hast es nicht zulassen wollen, dich wieder zu verlieben. Aus Angst, wieder verletzt zu werden.
Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich saß hier und betrachtete dich die ganze Zeit. Streichelte über dein Gesicht. Dein Haar. Sah dir beim Schlafen zu. Als der Gedanke kam, das du bald von mir gehst. Das ich dich nie wieder in meinem Armen spüren würde. Nie wieder mit dir reden kann. Da habe ich es gemerkt. Ich liebe dich. Hatte dich die ganze Zeit geliebt. Nur hatte ich es nicht wahr haben wollen, aus Angst, ich würde wieder verletzt werden.
Du warst ein wunderbarer Mann. Und ich möchte die Zeit mit dir nicht missen. Du warst für mich immer da gewesen. Hast mich nie zu irgendetwas gezwungen, was ich nicht wollte. Ganz egal, um was es ging. Wie sehr du es gern gewollt hättest, das ich es tue. Häufig habe ich mich selbst dazu überredet. Denn oft genug hast du etwas für mich getan, was du nicht mochtest. Und dafür danke ich dir.
In deiner letzten Stunde möchte ich bei dir sein. Gemeinsam haben wir gelebt, geliebt und gelitten. Nie hatte der eine den anderen allein gelassen. Wenn ich an deiner Stelle wäre, ich würde nicht alleine sterben wollen. Ich wollte, das du an meiner Seite bist und mich begleitest, so weit wie möglich.“
„Du warst mein erster Gedanke, wenn ich aufwachte und mein Letzter, bevor ich einschlief. Auch am Tage dachte ich oft an dich. Ich habe dich die ganze zeit über geliebt, ohne es zu wissen. Erst jetzt wird es mir bewusst.
Ich erinnere mich, wie es mir ging, als du im Krankenhaus lagst. Weder konnte ich schlafen, noch hatte ich Appetit. Du hattest mir gefehlt. Damals dachte ich, das ich einfach nur nicht ausgelastet war. War ich auch nicht. Denn ich hatte zu nichts Lust. Ständig fragte ich mich, wie es dir geht. Obwohl ich dich jeden Tag besuchen kam und dich gesehen hatte. Wieso war mir damals nicht schon klar geworden, das ich mich in dich verliebt hatte?
Es tut gut, dein Hand zu halten. Dich bei mir zu wissen...“
Leise Tränen liefen. Als er seine Augen schloss. Ein letzter tiefer Atemzug.
Noch einmal streichelte sie sein Haar. Berührte sanft seine Lippen. Der Abschied fiel ihr schwerer, als sie sich eingestehen wollte. Aber sie war glücklich, das sein Leidensweg endlich ein Ende gefunden hatte. Das sie von ihm gehört hatte, das er sie liebte. Nicht erst seit jetzt. Sondern schon viele Jahre lang. Er wollte es nur nie wahrhaben, aus Angst. Ihr erging es ebenso.
Die Trauer saß tief. Zu tief. Im angrenzenden Park, ließ sie sich auf einer Bank nieder. Nur kurz wollte sie die Augen schließen und sich ausruhen.
„Schatz, würdest du bitte mal kurz zu mir kommen und dir vorher etwas drüber ziehen? Ich sehe dich gern nackt. Aber im Moment wäre es mir lieber, wenn mein Blut im Kopf bleibt.“
Sie war gerade an der Küchentür gewesen, als ich sie darum bat. Noch total verschlafen, aber ansprechbar. Ich saß schon seit über einer Stunde am Küchentisch und dachte darüber nach, ob ich es ihr sagen sollte, oder nicht. Es war nicht ganz einfach. Kompliziert aber auch nicht. Die Möglichkeit bestand, das ich damit meine Beziehung kaputt machte. Ein Risiko, welches ich eingehen musste, da es schon so lange aus mir heraus wollte. Unsere Beziehung baute auf Ehrlichkeit auf. Das war unser Geheimnis. Natürlich war die Wahrheit nicht immer leicht zu ertragen. Aber wir gaben uns gegenseitig Rückenhalt.
Sie hatte sich ein Shirt von mir drübergezogen. Es bedeckte zwar einiges, aber nicht alles. Aber das musste vorerst genügen. Sie sollte nicht genervt sein, wenn ich es ihr beichtete.
„Kommst auf mein Schoß?...Mir fällt es nicht leicht, dir die Wahrheit zu sagen. Ich hätte es dir aber schon vor Jahren sagen sollen. In der Zwischenzeit hat sich auch einiges geändert, was die Gefühle zu dir angeht. - Bevor du jetzt etwas Falsches denkst – Nein, ich habe nicht vor Schluss mit dir zu machen. Die letzten Jahre mit dir waren dafür einfach zu schön. Ich hätte nicht gedacht, das ich noch einmal glücklich werde. Vor allem nicht, das ich es mit dir werde. Denn damals...
also es war so. Vor etwas mehr als zehn Jahren heiratete ich eine Frau. Sie war nicht normal gewesen. Das gefiel mir so sehr an ihr. Ich liebte sie über alles und wollte für immer mit ihr zusammen sein. Von Anfang an war mir klar, das wir nie Geld haben würden. Ihr war auch klar, das ich nie wirklich Geld haben werde. Wir gehörten zu den wenigen Paaren, die aus reiner liebe zueinander geheiratet hatten. Heute früh fiel mir das wieder ein. Frag mich nicht warum. Plötzlich bemerkte ich meinen Ehering und sie kam mir in den Sinn. Eine leichte Traurigkeit überfiel mich. Denn es waren Neider, die meine ehe zerstörte. Lange habe ich um sie gekämpft. Selbst als meine Gattin in eine andere Beziehung geflüchtet war, gab ich nicht auf. Ich liebte sie wirklich. Und es war damals nur eine Flucht gewesen. Später hatte sie es zugegeben. Ich meine, der Typ sah scheiße aus und laberte genauso. Einmal hatte sie mir zugestimmt, als ich aus Spaß sagte, das sie ihn sich schöngesoffen hatte.
Und nun komme ich zu meinem Geständnis. Zu viele waren gegen uns. Während sie Trost in fremden Betten suchte, flüchtete ich in den Alkohol. Doch das war keine Lösung. Es tat mir zu sehr weh, wenn ich daran dachte, das sie mit anderen...Ich wollte mich wirklich totsaufen, weil ich das alles nicht mehr ertrug. Dann kam ich auf den Gedanken, ihr es nachzumachen. Mich in die nächstbeste Beziehung stürzen. Und hier kommst du ins Spiel. Du warst diejenigewelche, zu der ich flüchtete. Das es dann so lange hält, ich mich unsterblich in dich verliebe, weil du einfach nur wunderbar bist, hätte ich damals nicht gedacht. Du hast mich von ihr befreit. Hast mir die schönen dinge des Lebens gezeigt. Durch dich bin ich nicht mehr ganz so pessimistisch. Die habe ich es zu verdanken, das ich glücklich bin. - Danke. Ich danke dir von ganzen Herzen, das du in mein Leben getreten bist. Und es tut mir aufrichtig leid, das unsere Beziehung so verlogen angefangen hat. Aber ich schwöre dir aufrichtig, das dies das einzigste Geheimnis war, was ich vor dir hatte.“
Noch einmal roch ich an ihrem Hals. Schloss dabei die Augen, um mich voll auf ihren Geruch zu konzentrieren. Denn nachdem ich ihr gestanden hatte, das sie nur ein Fluchtmittel gewesen war, würde ich nie mehr an ihr riechen können. Nie mehr ihre zarte Haut an meiner spüren.
„Wow. Du hattest damals wirklich einen totalen Blackout.“
„Nimm das eklige Ding weg, bitte.“
„Was meinst du?“, fragte er sie.
„Dein Pipimann. Ich möchte nicht, das du mich damit berührst.“
„Was ist los mit dir? Seit über einen Monat sind wir zusammen. Tagsüber lächelst du mich an. Schmiegst dich an mich an. Ich kein Mann, der gleich in der ersten Nacht mit einer Frau schläft. Zuerst möchte ich die Frau näher kennenlernen. Herausfinden, ob wir zueinanderpassen. Ihre Bedürfnisse kennenlernen. Was mag sie und was nicht. Ich bin nicht nur auf das Eine aus. Aber ab und zu möchte ich mit der Frau schlafen, die ich liebe. Und das bist du. Mein Glied sieht genauso aus, wie jedes andere männliche Glied. Da ist nichts ekliges dran. Und sauber ist er auch. Gerade eben habe ich ihn gewaschen.“
„Ich habe eben eine Abneigung gegen Penisse. Frag mich nicht warum. Deswegen konnte ich auch keine Beziehung halten. Vor ein paar Jahren war ich einmal auf der Suche nach einen Psychiater, um herauszufinden, warum ich eure Dinger so abstoßend finde. Aber ganz egal wo ich anrief, nie ging jemand ran. Oder es war ständig besetzt. Mir wäre es lieb gewesen, persönlich einen Termin zu machen. Aber bei jedem Doktor stand das Gleiche. Termine nur nach telefonischer Absprache.
Irgendwann habe ich aufgegeben. Lange zeit war ich allein. Bis ich dich zufällig traf. Du strahltest etwas aus, das ich nicht beschreiben kann. Vom ersten Augenblick an zogst du mich in deinen Bann. Ich dachte nicht daran, das du auch so ein Ding zwischen deinen Beinen hast und es bei mir benutzen willst. Sonst hätte ich mich nie auf dich eingelassen.
Bitte verstehe mich nicht falsch. Es ist nichts gegen dich. Mir kommt es nur hoch, wenn ich auch nur daran denke. Ich kann nichts dafür. Wenn du jetzt gehen willst, dann geh. Denn ich glaube nicht daran, das ich jemals meine Meinung dazu ändern werde.
Es bricht mir das Herz, wenn du mich verlässt. Aber...“, schluchzte sie.
„Schon mal darüber nachgedacht, das du was verdrängst. Irgendwas aus deiner Vergangenheit? Möglicherweise bist du auch lesbisch und weißt es nur noch nicht. Fühlst du dich von Frauen angezogen?“
„Lesbisch? Ich? Nein. Das wüsste ich. In dem Punkt bin ich mir hundert prozentig sicher. Ich stehe nicht auf Frauen.“
„Dann war bestimmt was in deiner Vergangenheit. Ein Vorfall, den du verdrängt hast, weil es so grausam war.“
„Du denkst, das ich als Kind missbraucht wurde?“
„Hast du eine andere Idee? Ich liebe dich von ganzen Herzen. Bin glücklich mit dir. Daher werde ich dich zu nichts drängen. Wenn du möchtest, suchen wir gemeinsam einen Psychiater für dich. Oder ich lass mich kastrieren. Letzteres würde ich nur tun, wenn du mir versprichst, das wir bis zum Ende unseres Daseins zusammenbleiben. Es soll eine Versicherung für dich sein, das ich dich nicht hintergehe. Ich liebe dich wirklich.“
„Du bist ein wundervoller Mann. Ich liebe dich auch, aus ganzen Herzen. Doch bevor ich es zulasse, das du dich, für mich, unters Messer legst, versuche ich lieber, doch noch einen Psychiater zu finden. Vielleicht geht es auch übers Internet? E-mails sind schnell geschrieben.“
„Und wenn der dir nicht helfen kann, dann...“
Erschrocken sah sie ihn an. Nur einen winzigen Augenblick. Dann lief sie weiter. Den Kopf gesenkt. Drei Meter weiter, machte sie halt. Drehte sich langsam um. Hoffte, das er weitergegangen war. Doch er war stehengeblieben. Sah ihr hinterher. Überlegte, warum sie ihn so erschrocken angesehen hatte und nun da stand. Ihn ansah, anstatt weiterzulaufen. Plötzlich erkannte er sie wieder. Auf einem Schlag kam alles wieder.
Ganz langsam ging er auf sie zu. Sah ihr direkt ins Gesicht. Wie viele Jahre waren wohl vergangen, als er sie das letzte mal gesehen hatte. Das letzte mal in ihren Armen gelegen hatte. Ihre Wärme gespürt. Sie geküsst. Was war aus ihr geworden? Genau das, was er vorhergesagt hatte. Sogar noch schlimmer. Nur mit Mühe konnte er seine Tränen zurückhalten. Sie war seine große Liebe gewesen. Sein ein und alles. Doch sie hatte alles zu Nichte gemacht.
„Es ist eingetroffen, was ich dir prophezeit habe.“, hauchte er.
Beschämt sah sie zu Boden. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Wie sehr hatte sie ihn geliebt. Warum hatte sie es zugelassen, das ihre Freunde sie dazu brachte, jene Gefühle zu unterdrücken. Sich selbst zu belügen. Mit anderen aus- und ins Bett zu gehen. Oft – zu oft – hatte er ihr verziehen. Sie angefleht zu ihm zurückzukommen. Mit ihm ganz neu anzufangen. Am Ende der Welt.
„Es lag...“, sie konnte nicht sprechen. Nichts konnte sie. Auch nicht wegrennen. Dabei war ihr die Situation so unangenehm, das sie am liebsten ganz schnell und weit weg gerannt wäre. So, wie damals. Man war sie dumm gewesen. Anstatt vor allem wegzulaufen, hätte sie dableiben und über die Probleme reden sollen. Wie oft hatte er recht gehabt, mit dem, was er gesagt hatte. Aber sie wollte nie auf ihn hören. Lieber hörte sie auf ihre freunde und Familie. Dabei hatte er sie vergöttert. Den Boden geküsst, auf dem sie lief.
„Es ist kalt. Lass uns in die Kneipe da drüben gehen. ICH zahle.“
Am Anfang ihrer Trennung hatten sie sich noch sehr gut verstanden. Da hatte sie auch noch keinen anderen Typen. Sie war großzügig gewesen. Zahlte des öfteren seinen Einkauf mit. Viel war es nie gewesen. Aber es summierte sich. Vor allem, da er auch oft bei ihr gewesen war und dort gegessen hatte. Mit ihr geduscht. Seine Wäsche waschen ließ. Bis...
„Tut mir leid, wenn ich das so direkt sage: Aber du siehst scheiße aus. Was ist nur aus dir geworden?“
„Das, was du damals gesagt hattest. Ja, du hattest recht. Aber es ist auch deine Schuld. Schließlich warst du einfach gegangen, bevor...“
„Moment.“, unterbrach er sie. Wie früher, wusste er, was sie sagen wollte. Konnte ihre Gedanken lesen.
„Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie es damals war. Wir drei standen in deinem Wohnzimmer. Du, ich und der andre Typ, mit dem du mich hintergangen hattest. Es war kurz nach deinem Urlaub, den ich dir geschenkt hatte, damit du über dich nachdenken kannst. Ganz in ruhe und ohne Ablenkung von deinen sogenannten Freunden. Was hatte er bei dir zu suchen? Woher wusste er, das du zu Hause warst?
Weißt du, wie ich mir vorkam? Er laberte irgendwas, und du hingst an seinen Lippen. Sahst ihn die ganze Zeit an. Mich hattest du ignoriert. Keines Blickes gewürdigt. Deshalb war ich gegangen. Weil für mich klar war, das du dich für ihn, und dadurch gegen mich, entschieden hattest. Es waren mindestens fünf Minuten gewesen, wenn nicht gar noch mehr, die wir so dastanden. Auf deine Entscheidung gewartet hatten. Wie lange hätte ich, deiner Meinung nach, noch warten sollen, bis du einen Ton gesagt hättest?“
„Ich wusste nicht wie.“, sagte sie kaum hörbar, „ich wollte mich für dich entscheiden. Aber ich konnte es nicht vor ihm.
Blöde Kuh, lag ihm auf den Lippen. Er kannte es noch von Früher. Er war der Einzigste gewesen, dem sie ihre Meinung sagen konnte. Bei dem sie stets ihren Kopf durchsetzte. Bis auf wenige Ausnahmen. Ganz selten durfte er seinen Kopf durchsetzen.
„Du gabst mir aber ein anderes Gefühl. Ich wollte keine Szene machen. Deshalb ging ich klammheimlich. Willst wissen, was dann war? Ich soff. Und ich saufe immer noch. Jeden Tag. Was macht eigentlich dein Kerl?“
„Der ist weg. Schon lange. Durch ihn habe ich angefangen jeden Tag zu trinken. Nicht nur mein Diesel. Auch richtiges Bier. Wein und Sekt. Ich konnte ihn nüchtern nicht mehr ertragen. Ständig musste ich an dich denken. Fragte mich, warum du gegangen warst. Irgendwann verstand ich es. Zumindest glaubte ich, das ich es verstanden hatte.
Er hatte mich ziemlich schnell verlassen. Ich kam mit anderen zusammen. Aber die Beziehungen hielten nie lange. Nun lebe ich auf der Straße.“
Den letzten Satz wollte sie nicht sagen. Er sollte nicht wissen, das sie so tief gesunken war. Sie schämte sich zutiefst dafür.
„Wir hatten uns so gut verstanden. Unsere Ehe war nicht die Beste gewesen. Zugegeben. Aber unsere Ehe basierte auf Liebe. Keiner von uns beiden hatte Geld, oder Aussicht darauf. Warum hast du ständig auf die Idioten gehört, anstatt auf mich?“
Die frage stand im Raum. Es wurde stickig. Alte Erinnerungen kamen wieder hoch. Ungewollt und unerwünscht. Tränen und Wut wurden in Alkohol ertränkt.
„Könntest...“, fing sie an.
„Nee. Nicht nachdem, was war. So viel ich auch in den letzten Jahren auch gesoffen habe, so habe ich nie geschafft zu vergessen, was du mir angetan hast. Es tut immer noch weh, wenn ich daran denke. Es tut mir leid. Aber ich kann keine Beziehung mit dir anfangen. Es würde nicht mehr so sein, wie früher. Wie stellst du dir das überhaupt vor?“
Sie gab keine Antwort. Schaute nur beschämt zu Boden.
Die Biere flossen. Sie redeten über sich und was sie in den letzten Jahren getrieben hatten. Beide waren abgestürzt, nachdem sie sich völlig getrennt hatten. Auch wenn er noch eine Wohnung hatte, und sie nicht, war er sozial am Boden. Trank jeden Tag. Von morgens, bis abends. Hatte wieder mit dem Rauchen angefangen. Ab und zu kam es vor, das er auch andere Drogen nahm, wie Gras.
Sie hatten beide genug. Er zahlte. Schwankend verließen sie die Kneipe. Kalter Wind peitschte durch die Straßen. Schnee stiebte hoch und ihnen mitten ins Gesicht.
Er henkelte sich bei ihr ein und brachte sie mit zu sich. In seine Wohnung. Sein Bett.
„Hab ichs dir nicht gesagt?“, schrie er, „Passe auf. Rase nicht so. Aber du wolltest ja nicht auf mich hören. Dein Rad ist Schrott und du auch. Durch deine Raserei bist du nun gelähmt. Auf Lebenszeit. Nie wieder wirst du laufen können. Ist dir das bewusst? Ich habe dich gewarnt. Immer und immer wieder. Aber warum auf mich hören? Ich bin doch eh das Letzte.
Wo ist denn dein Schatz überhaupt? Sollte er nicht bei dir sein, anstatt ich? Dein Supertyp sollte jetzt bei dir sein. Genau hier, wo ich jetzt stehe. Nicht ich. Er. Ich bin dein Ex. Das hast du mir lange genug eingetrichtert. Aber das ist wieder mal typisch du. In guten Zeiten kennst mich nicht. Wenns dir scheiße geht, weißt wo ich zu finden bin. Du bist das eigentliche Arschloch und nicht ich. Denn ich habe stets alles gemacht. Du hast dich nur von jedem flachlegen lassen. Ich hatte die Arbeit und die anderen bekamen die Belohnung. Sogar nach Sonstwo bist gefahren, um zu vögeln. Was hattest du zu mir gesagt? 'Ich brauchte Luftveränderung. Wollte was anderes sehen. Hab mir nur die Stadt angesehen.' Deine Worte. Und ich Esel habe dir auch noch geglaubt. Dafür hattest du Geld. Oh Gott, wenn ich daran denke. Wie oft habe ich dir was zugesteckt, weil du nichts hattest. Ich glaubte ernsthaft, das du Rechnungen zahltest und deshalb kein Geld hast. Aber die stapelten sich bei dir. Was für ein Vollidiot ich doch bin. Jeder andere hätte dir schon längst in den Arsch getreten. Dich geschlagen, das dir hören und sehen vergeht. Aber ich nicht. Ich stand immer zu dir. Nahm dich vor jedem in Schutz. Leck mich doch.“
Er zog sich seine Jacke an und ging. Etwa eine halbe Stunde später war er im Krankenhaus angekommen. Zaghaft klopfte er an ihrer Tür. Hasste sich selbst dafür, was er schon wieder tat. Warum konnte er nicht Nein zu ihr sagen. Schließlich waren sie schon eine Weile getrennt. Sie hatte seit geraumer Zeit einen anderen. Nicht die beste Wahl, die sie da getroffen hatte. Auch wenn er ganz passabel aussah. Aber er kam sich so obercool vor. Eingebildet, bis zum Gehtnichtmehr. Das sie wirklich auf ihn stand, konnte er nie glauben. Nicht so was.
„Na du.“, flüsterte er fast, als er neben ihren Bett stand.
„Na du. - Deine Nummer stand noch drin. Hab vergessen sie zu ändern. Tut mir leid.“
„Verarsch deine Mutter und nicht mich. - Er hat dich also verlassen. Und nun kommt wieder der Ex zum Einsatz.“
„Du...“
„Was? Versuchst du mir zu sagen, das ich recht habe. Wieder ein mal? Erspare dir das. Es ist ja nichts Neues. Weißt du, wie lange du noch hier bleiben musst?“
„Ein paar Tage bestimmt. Morgen erfahre ich mehr. - Danke, das du hergekommen bist. Nach all dem, was war...“
„Im Gegensatz zu dir, halte ich meine Versprechen. Ich habe dir gesagt, das ich immer für dich da sein werde. Es ist nur traurig...Verdammt.“, er drehte sich um, damit sie seine Tränen nicht sah.
Es tut mir so unendlich leid. Ich weiß, das ich es nie wieder gutmachen kann, was ich dir angetan habe. Das du hergekommen bist, ist wirklich eine große Tat. Womit habe ich dich nur verdient? Du bist so lieb zu mir. Und ich? Sieh mich an. Immer wieder hast du mir gesagt, ich soll nicht so rasen. Einen Fahrradhelm tragen. Hast mich vor den Folgen gewarnt. Ich hätte auf dich hören sollen. Bei dir bleiben sollen. Scheiße. Jetzt darf ich ein Leben lang im Rollstuhl sitzen. Klasse. Da habe ich mir was eingebrockt.
Du siehst gut aus. Süß. Die Hose ist bestimmt neu. Darin hast du endlich einen Arsch.
„Beinahe hätte ich es vergessen. Ich hoffe, du stehst noch auf den Süßkram.“, murmelte er.
„Danke für alles.“
„Schon gut. Ich bin nur froh, das ich im Erdgeschoss wohne. Denn ich hätte keine Lust, dich jeden Tag die Treppe rauf und runter zu tragen.“
Niagarafälle.
„Meine Ehe geht nicht in die Brüche, weil ich saufe. Ich saufe, weil ich es nicht verkrafte, das meine Ehe in die Brüche geht. Warum willst du das nicht kapieren? Es bringt nichts, wenn du mich wieder zur Entgiftung schickst. Sobald ich draußen bin und mit der Realität konfrontiert werde, mir klar wird, das ich allein bin, werde ich wieder anfangen mit saufen. Die Ursache muss behandelt werden. Nicht das Ergebnis. Sobald ich mit der Situation klarkomme, das meine Ehe gescheitert ist und ich wieder alleine leben kann, höre ich automatisch mit dem Saufen auf. Aber wenn ihr mir nicht helft, mich dahin zu begleiten, werde ich wirklich noch zum Alkoholiker.“
„Ich wiederhole mich nicht noch einmal. Sie sind rückfällig geworden. Entweder gehen sie für drei bis vier Tage zur Entgiftung, oder sie werden entlassen.“
„Ihr wollt es nicht kapieren. - Ich werde zu meiner Psychologin gehen.“
„Also wollen sie gehen?“
„Mir bleibt nichts anderes übrig. Ihr wollt ja nicht die Ursache behandeln. Den Auslöser. Ihr habt gehört, das ich trinke und mich sofort als Alkoholiker abgestempelt. Jetzt wollt ihr, das ich nie wieder einen Tropfen zu mir nehme. Wenn ich so ehrlich bin und es zugebe, darf ich gleich wieder zur Entgiftung.
Meine Schlafstörungen hatte ich schon vorher. Bevor ich den ersten Kontakt zum Alkohol hatte. Das meine Hände zittern, ist auch normal bei mir. Habe ich schon, seit dem ich denken kann. Sie sind oft kalt und schwitzen recht leicht. Den Nachtschweiß, habe ich herausgefunden, den habe ich, wenn ich die Satinbettwäsche benutze. Nur dann. Aber das will mir alles keiner glauben. Für euch bin ich ein Alkoholiker und alles was ich habe, hängt mit dem Konsum von Alkohol zusammen. Zuhören. Das müsst ihr lernen. Richtig und vollständig zuhören. Gib mir den Entlassungsschein zum Unterschreiben. Wenn ich euch noch länger ertragen muss, habe ich noch einen anderen Grund zum Saufen.“
Es stand ihn bis oben hin. Ganz egal, was er sagte, sie hörten nur das, was sie hören wollten. Einen Tag länger und er würde Amoklaufen. Er bereute, das er mit seinem Problem zum Arzt gegangen war. Aber er wollte es nicht so weit kommen lassen, das er eines Tages Alkoholiker wird. So weit war er nicht mehr davon entfernt gewesen.
Er dachte nicht über irgendwelche Folgen nach, die mit seiner Entlassung auf ihn zukommen könnten. Es war ihm alles zu viel und zu blöd. Die Engstirnigkeit der Ärzte und Psychologen trieb ihn an den Rand des Wahnsinns. Sie wollten ihn einfach nicht verstehen. Für sie war er Alkoholiker und dieses Problem musste gelöst werden. Die Ursachen dafür, wurden in den Hintergrund geschoben. Nicht beachtet. Und das verstand er nicht. Warum taten sie das? Waren sie Fachidioten? Hatten sie zu wenige Patienten? Ehrlichkeit war nicht angebracht. Dies musste er sich eingestehen. Obwohl er nach der Entgiftung nicht mehr so viel getrunken hatte, wie zuvor. Aber das reichte ihnen noch nicht. Um bei der Tagesklinik aufgenommen zu werden, musste man völlig trocken sein. Denn die Tagesklinik diente nur als Unterstützung trocken zu bleiben. Sobald man auch nur einen winzigen Tropen zu sich nahm, war man da raus. Musste zurück zur Entgiftung. Aber dahin wollte er nicht noch einmal. Die Tage hatten sich zu sehr in die Länge gezogen. Sie durften ja nichts. Keine sportliche Betätigung, kein fernsehen, kein Ausgang. Knast konnte nicht schlimmer sein. Dennoch waren einige des Öfteren zu Besuch. Er hatte sie wiedererkannt, als er an jener Station vorbeigelaufen war. Dabei waren gerade mal drei Wochen vergangen.
In Gedanken versunken, machte er sich auf den Weg nach Hause. Dachte an seine Frau, die ihn verlassen hatte. An seine Wohnung, wo ihn niemand erwartete. Er fühlte sich missverstanden. Allein.
Entgegen den Behauptungen meiner Freunde, lief es spitze. Für mich, zumindest. Ich hatte meinen Willen durchgesetzt und gewonnen. Wahrscheinlich lag es daran, das ich weder die Hoffnung hatte, noch irgendwas andres. Ich hab einfach irgendwas gemacht, ohne darüber nachzudenken. Es hatte geklappt.
Ihre eifersüchtigen Blicke regten jede Frau auf, die mich ansprach. Dabei hatte sie gar keinen Grund dazu. Erstens waren es alles nur gute Freunde. Die meisten waren in einer festen Beziehung und hundertprozentig treu. Zweitens hatte sie doch mit mir Schluss gemacht. Angeblich deswegen, weil wir uns nur streiten. Das sie an unseren Streits Schuld war, wollte sie nie einsehen. Wer hatte mich stets angelogen, kaum mit mir gesprochen. Ihr musste ich förmlich alles aus der Nase ziehen. Nur äußerst selten unternahmen wir etwas gemeinsam. Denn sie wollte lieber zu ihrer Familie oder ihren Freunden. Angeblich hatte es ihr gefallen, wenn wir mal gemeinsam einen Tag verlebt hatten. Warum taten wir es dann so selten? Wenn es ihr bei mir so gut ging, warum machte sie dann Schluss mit mir?
Wie oft hatten wir uns etwas ausgemacht und sie hatte es sich spontan anders überlegt. Ohne mir Bescheid zu geben. Ich wartete dann. Versuchte sie zu erreichen. Ihr war es vollkommen egal. Sah nicht ein, das ich deswegen stinkig war. Das ich allen Grund hatte, stinkig zu sein.
Zu mir hatte sie immer gesagt, das sie kein Sex brauche und will. Nachdem sie mich verlassen hatte, trieb sie es wild. Jeden Tag mindestens ein anderer. Sie machte nichts anderes, als vor ihrem Rechner zu sitzen, nach Typen zu suchen, die Lust auf sie hatten und sich dann von ihnen flachlegen zu lassen. Aus ihrem Bett kam sie nur noch selten. Außer, der Typ wohnte woanders. Außerhalb. Ich bekam von alledem nichts mit. Hatte zu viel zu tun. Arbeit, Kinder, ihren Haushalt, mein Haushalt. Ich habe dieses Helfersyndrom. Deswegen tat ich so viel für sie, obwohl wir getrennt waren. Außerdem war sie nicht wirklich selbstständig. Und ich war ihr einzigster Freund. Auf alle anderen war kein Verlass. Wenn sie sich durchringen konnte, jemanden um Hilfe zu beten, hatte jener keine Zeit. Oder versprach und kam nicht. Mich brauchte sie nicht zu fragen. Ich sah es und machte es. Ich wusste ja nichts von ihrem Hobby.
Nachdem uns, dank ihr, die Kinder weggenommen wurden, war ich sehr deprimiert. Aber ich kämpfte darum, sie so schnell, als möglich aus dem Heim zu bekommen. Fragte tausendmal beim zuständigen Jugendamt nach, was ich machen muss, um sie wieder zu bekommen. Ich wollte nichts falsch machen. Ihnen beweisen, wie wichtig sie mir waren. Sie glaubten mir sonst nicht. Hatten auch nicht geglaubt, das ich mich in erster Linie um sie gekümmert hatte. Wunderten sich, das ich meine Kinder regelmäßig besuchen gehe. Ein Wunder war es nicht gewesen. Schließlich hörten sie mir nie richtig zu. Die Familienhelferinnen hörten nur auf die Lügen der Kindesmutter. Mir schenkten sie kein Gehör. Wollten, das ich alles mache und meine Damalige mehr entlaste. Das Jene stinkenfaul war und nur putzte, wenn Besuch anstand und ich ihr stets alles hinterhergeräumt hatte, interessierte keinem. Ich konnte daher mit denen nicht zusammenarbeiten. Als ich dann auch noch erfuhr, das sie selber keiner Kinder hatten und mir etwas über Erziehung beibringen wollten, stellte ich die Mitarbeit ganz ein. Schon lange hatte ich gemerkt, das sie keine Ahnung von dem hatten, was sie taten. Wie oft hatten wir sie gefragt, wenn wir nicht weiter wussten und sie hatten keine Antworten. Wussten selbst nicht, wie wir damit umgehen sollten. Ich sage nichts dazu. Ich war derjenige, der stets versuchte, das wir eine richtige Familie werden. Aber damit stand ich alleine da. Unsere Kinder waren noch zu klein, um ihren Beitrag zu leisten. Meine Damalige sorgte eher dafür, das wir immer weiter auseinandergehen. Tja, und dann machte sie Schluss. Alle standen hinter ihr. Redeten auf mich ein, das die Kinder die Leidtragenden sind. Wie es mir dabei ging, interessierte Keinem. Mir wurden immer nur meine Pflichten vorgehalten. Da ich dies nicht ertrug, die Trennung so wie die Vorhaltungen, fing ich an, abends heimlich zu trinken. Jeden Tag ein bisschen mehr. Tagsüber kümmerte ich mich um sie und die Kinder. Legte mich immer mehr ins Zeug. Verringerte meinen Schlaf immer mehr. Selbst am Wochenende stand ich beizeiten auf, weil meine Kinder Frühaufsteher waren und die Mutter nicht mitbekam, wann sie wach waren. Sie meckerte dann nur, wenn der Nachwuchs Blödsinn angestellt hatte. Wollte nicht einsehen, das es nur aus Langeweile war. Sie wollte nie was einsehen.
Ich war ihr verfallen. Deshalb tat ich alles für sie. Wollte sie wieder zurück. Ich wollte trotzalledem, das wir eine Familie werden. Glaubte fest daran, das ich es schaffen konnte. Ab und zu sah es auch so aus, als ob ich Glück hätte. Irgendwie führten wir auch eine Beziehung. So groß war der Unterschied nicht. Doch sie wollte nicht wieder zurück. Sträubte sich dagegen. Wollte lieber frei sein und die Männer wechseln, wie andere ihre Socken.
Ich weiß, das sie krank war. Dringend Hilfe brauchte. Aber sie wollte sich nicht helfen lassen. Oft hatte ich mich gefragt, was sie überhaupt wollte. Denn jedes mal hörte ich sie nur sagen: „Ich will nicht.“
Ich genoss die Momente, wenn ich ihr Nahe sein konnte. Im Hinterkopf hatte ich all die Typen, mit denen sie es trieb. Versuchte die Bilder zu verdrängen. Ihr zu beweisen, das ich der Richtige bin. Stand zu ihr, als sie erfuhr, das sie sich von irgendeinem Typen was eingefangen hatte. Da dachte ich, sie würde damit aufhören. Machte mir Hoffnung, das sie wieder zu mir kommt und treu wird. Aber da irrte ich mich. Sie machte weiter. Mit dem Unterschied, das sie von da an Kondome benutzte.
Ich stand zu ihr, als sie operiert wurde. Wenn ich mich recht erinnere, war es ein Virus in ihrer Gebärmutter. Die halbe Gebärmutter hatten sie ihr entfernt. Ich war für sie da. Stand an ihrer Seite, hatte wieder die Hoffnung. Zumindest die Hoffnung, das sie endlich aus ihren Fehlern lernt. Aber das tat sie nicht.
Ich sah ein, das ich ihr nicht helfen konnte. Auch wenn sie sagte, das sie unsere Kinder liebte und sie schnell wieder bei sich haben wollte, glaubte ich ihr nicht, da sie nichts dafür tat. Wochen und Monaten vergingen und sie machte nichts in ihrer Wohnung. Wir hatten angefangen sie neu zu streichen. Irgendwann verwehrte sie mir immer mehr den Zutritt. Wenn ich mal bei ihr war, sah ich keinen Fortschritt. Sah sie nur vor ihrem Rechner. Ich durfte nichts machen. Denn sie wollte es alleine tun.
Ich bekam eine andere Hoffnung. Das ich die Kinder zu mir holen konnte. So, wie ihre Wohnung aussah, hatte sie keine Chance. Theoretisch nicht. Außerdem sagte sie immer öfter die Besuche bei den Kindern ab. Angeblich, weil es ihr nicht gut ging. Aber zum Arzt ging sie nicht, weil sie Ärzte hasste. Aber im Hilfeplan stand drin, das sie sich um ihre Gesundheit kümmern soll, wenn sie die Kinder wieder haben will.
Es war reiner Zufall gewesen. Ich ging spazieren und sah plötzlich ein kleines Kind. Weinend. Allein. Es suchte seine Mutter. Ich nahm mich seiner an. Es fand sofort zutrauen zu mir. Gemeinsam suchten wir nach seiner Mutter. Jene fanden wir völlig aufgelöst vor. Panisch. Ich redete beruhigend auf sie ein. Als sie sich wieder gefangen hatte, lud sie mich auf einen Kaffee ein.
Wir kamen ins Gespräch. Redeten offen über uns und unser glücklosen Beziehungen. Es war merkwürdig gewesen. Bevor ich sie kennengelernt hatte, dachte ich, das ich mich nie wieder verlieben würde. Aber als ich ihr gegenüber saß und sie ansah, während ich ihr zuhörte, flog der Funke über. Die andere war verdrängt worden. War mir egal. Auch wenn es die Mutter meiner Kinder war.
Sie machte mir den Vorschlag, das wir uns wieder sehen könnten. Ich hätte es mir nicht getraut. War zu feige dazu. Umso erleichterter war ich, als sie den ersten Schritt machte. Ich war wirklich Feuer und Flamme. Es schien, als hätte ich endlich einmal Glück im Leben.
Als ich merkte, das sie Interesse an mir hatte, legte ich meinen Ehering ab. Vor ihren Augen zog ich ihn mir vom Finger, legte ihn in einen Briefumschlag und schickte ihn meiner Ex. Mir war egal, was aus ihr wurde. Mit wem sie schlief und wie oft. Ich hatte es geschafft, sie aus meinem Herzen zu nehmen. Aber meine Kinder hatte ich nicht vergessen. Mit Unterstützung meiner neuen Flamme, bekam ich sie schnell aus dem Heim. So ganz passte es der Dame vom Jugendamt nicht, das sie mir meine Kinder überließ. Aber ihr blieb nichts andres übrig. Schließlich hatte ich alle Auflagen erfüllt. Im Gegensatz zu meiner Ex. Jene heulte zwar. Aber ob es echte Tränen waren, mag ich zu bezweifeln. Es klingt fies. Aber was hatte sie getan, um die Kinder aus dem Heim zu holen. Nichts.
Ich hatte auch das Glück, das die Heimleiter wirklich neutral und ehrlich waren. Wären sie, wie die Familienhelferinnen und jene Dame vom Jugendamt, genauso parteiisch gewesen, hätte ich wohl immer wieder neue Ausreden zu hören bekommen, warum ich meine Kinder nicht bekomme. So hatte ich sie. Wir sind eine Familie und glücklich.
Ab und zu denke ich schon noch an die Mutter meiner Kinder. Frage mich, wie es ihr wohl geht. Ein wenig fehlte sie mir. Anfangs hatten wir noch ein wenig Kontakt. Aber es ließ immer mehr nach. Ich weiß nicht, warum. Hatte sie vollkommen das Interesse verloren? Konnte sie es nicht ertragen, mich glücklich zu sehen? Bereute sie es, mit mir Schluss gemacht zu haben? Alles war möglich. Vielleicht sorgte sie auch endlich für ihre Gesundheit. War in einer Klinik, wie sie es sich vor langer Zeit mal vorgenommen hatte. Es würde mich für sie freuen.
Trotz allem, was sie mir angetan hatte. Wie sie zu mir war. Ich wünsche ihr nichts Böses. Ganz im Gegenteil. Auch sie soll ihr Glück finden. Irgendwo wird es ihn geben, der sie so lieben wird, wie ich es getan habe. Ich hoffe für sie, das sie zu ihm ehrlich sein wird. Das sie ihre Fehler nicht wiederholt. Im Grunde ist sie eine ganz Liebe. Durch ihre Krankheit...
„Bist du zu blöd dazu, dir den Arsch richtig abzuwischen? Wie alt bist du? Zwei? Ich dachte, du wärst fast dreißig. Das ist echt eklig. Das du dich da wohl fühlst, mit Kacke in der Schlüpfer...“, schimpfte er.
Es war nicht das erste mal, das er sich so über sie aufregte. Nicht das erste mal fragte sie sich, was sie an ihn fand. Weshalb sie immer noch bei ihm blieb. Ständig hatte er was an ihr auszusetzen. Warum konnte er sie nicht so akzeptieren, wie sie war? Er hatte sie doch angemacht. Damals. Wie lange war das her? Ein knappes Jahr. Er hatte sie angeschrieben. Immer und immer wieder, bis sie ihn nicht mehr ignorieren konnte. Damals war er noch nett gewesen. Nannte sie Süße. Jetzt, ein Jahr danach, … Was war von dem netten Mann noch geblieben? Außer sein gutes Aussehen, nichts weiter. Seinetwegen hatte sie ihren damaligen Freund verlassen. Der hatte sich wenigstens Mühe gegeben, ihr alles recht zu machen. Im Nachhinein stellte sie fest, das sie es ihm nie leicht gemacht hatte. Irgendwie war sie wie ihr jetziger Freund gewesen. Nur am meckern. Stets wechselte sie ihre Meinung. Stellte Ansprüche. Nun spürte sie, wie es sich anfühlte, so behandelt zu werden.
Ab und zu kam es schon vor, das sie sich sauber glaubte, weil nichts mehr am Papier zu sehen war, aber sie noch nicht ganz sauber war. Das klebte dann in ihrem Schlüpfer. Ihr Ex hatte nie ein Ton dazu gesagt, sondern einfach nur in die Waschmaschine gesteckt. Manchmal hatte er ihr angeboten, ihr den Po zu säubern. Aber sie hatte stets abgelehnt. Schließlich war sie kein kleines Kind mehr.
„Nimm endlich ab, dann schaffst du es vielleicht...“, hörte sie ihn von fern maulen.
Wenn das nur so einfach wäre. Oft genug hatte sie es versucht. Es kam vor, das sie zwei bis drei Kilogramm Körpermasse verlor. Aber es war nie von Dauer. Ganz egal, was sie auch anstellte. Wie viel sie sich bewegte. Was sie aß. Dabei achtete sich schon auf ihre Gesundheit. Nahm nur wenig Fett zu sich. Nur selten gönnte sie sich etwas Süßes. Und dann auch nur in geringen Mengen. Bewegung hatte sie jeden Tag. Mindestens eine Stunde pro Tag, fuhr sie mit ihrem Rad durch die Gegend. Einkaufen war auch nicht gleich um die Ecke. Und da ihr Freund keine Lust dazu hatte, musste sie es alleine machen. Der Einkauf musste dann vier Etagen nach oben gebracht werden. Kein Fahrstuhl. Treppen.
„Dich hatte es nie gestört, das ich fett bin. Du hast mich aufrichtig geliebt. Begehrt. Ich brauchte nur nackt zu sein, schon stand dein Kleiner.“, seufzte sie, „Hab ich dich wirklich nur deshalb verlassen, weil er geiler aussieht, als du? Wie blöd war ich denn?“
Die Tür knallte zu. Bestimmt war er wieder auf dem Weg in die Kneipe. Mitten in der Nacht würde er wieder zurückkommen und weitermachen, wo er aufgehört hatte. Nur lauter.
Ihr Handy klingelte.
„Ja?“, meldete sie sich zögernd.
„Hast dir ja was Feines geangelt. Die ganze Welt weiß jetzt von deinen Bremsspuren. Warum hast du mich nochmal verlassen?“, sagte er mit sanfter Stimme. Ihr Ex. Er hatte sie nicht vergessen.
„Wie...“ Mehr brachte sie nicht heraus.
„Brauchst Hilfe beim Packen?“
Eigentlich war es ihre Wohnung. Er war bei ihr eingezogen. Einfach so. Ohne zu fragen. Sie konnte doch nicht einfach so ihre Wohnung ihm überlassen. Sie zahlte Miete dafür. Er ließ sich nur aushalten.
„Nein. - Es ist lieb von dir. Aber es ist meine Wohnung. Er hat zu gehen.“
„Schaffst du es allein?“, fragte er.
„Nein.“, gab sie zu, „Im Moment ist er wahrscheinlich in der Kneipe. Vor Mitternacht wird er nicht zurück sein.“
„Pack seine Sachen und stell sie vor deine Tür. Ich wechsle dir das Schloss aus, damit er nicht mehr in deine Wohnung kann. Danach gehen wir zur Polizei und erstatten Anzeige. Ich habe dir versprochen, immer für dich da zu sein. Dir zu helfen, wenn du Hilfe brauchst. Nur deswegen mache ich es. Aus keinem anderen Grund. - In etwa zehn Minuten bin ich bei dir.“
„Danke.“