Das nächste Kapitel meines Romans.
 Als Will wieder zu Bewusstsein kam, dröhnte sein Kopf. Der Schmerz pochte an seinem Hinterkopf und ließ ihn das Gesicht verziehen. Was war passiert? Er konnte sich nur noch an seine Flucht erinnern. Also hatten sie ihn doch gekriegt. Die Angst schnürte Will die Kehle zu. Er musste schlucken. Was würden sie jetzt mit ihm machen? Würde er das gleiche Schicksal erleiden müssen wie seine Familie? Beim Gedanken daran musste er ein Schluchzen unterdrücken. Mit noch immer geschlossenen Augen versuchte er sich zu orientieren. Man hatte ihn in eine sitzende Position gezogen, wahrscheinlich an einen Baum gelehnt. Will konnte die raue Rinde
durch sein dünnes Hemd spüren. Er versuchte sich zu bewegen, aber sein rechter Arm war mittlerweile taub. Den linken konnte er allerdings auch nicht bewegen. Sie hatten ihn also gefesselt. Das war ja zu erwarten gewesen. Vorsichtig holte Will Luft und öffnete die Augen. Nach mehrmaligem Blinzeln hatten sie sich an das grelle Licht gewöhnt und er konnte seine Umgebung klar erkennen. Er saß tatsächlich, an einen alten Eichenstamm gebunden, am Boden.  Es waren nicht nur seine Hände hinter dem Rücken gefesselt, sondern auch seine Füße. Doch merkwürdigerweise war niemand zu sehen. Wollten sie ihn zappeln lassen
und sich an seiner Angst weiden? Oder ihn gar verhungern lassen?                                                                                                                                                                                                  Plötzlich raschelte es im Gebüsch hinter ihm und Will zuckte zusammen. Dann ließ er den Kopf zurücksinken und starrte zum Himmel hinauf, der durch das Blätterdach blitzte. Natürlich war er strahlend blau. Jetzt war alles aus.                                     Â
Auf einmal erschienen zwei Beine in seinem Blickfeld. Sie waren schlank und steckten in ledernen, kniehohen Jagdstiefeln. Will hob den Kopf. Als er ein Mädchen vor sich stehen sah, stieg
ein hysterisches  Lachen in ihm hoch. Jetzt hatte er schon Halluzinationen. Mit hochgezogenen Augenbrauen und verschränkten Armen schaute sie ihn an. Die unauffällige Männerkleidung, die sie trug schien wie für sie gemacht zu sein, denn sie wirkten überhaupt nicht lächerlich. Sie schien auch bewaffnet zu sein wie ein Mann. An ihrer linken Seite baumelte eine Schwertscheide, die sehr kostbar aussah und in der Hand hielt sie einen langen Dolch. Fr ein Mädchen war sie ziemlich groß, höchstens einen halben Kopf kleiner als Will selbst.                                                                                                                       Â
„Wer bist du und was machst du hier?“ Ihre Stimme klang hart, als wäre sie es gewöhnt Befehle zu erteilen. Will konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Hatte er sich doch tatsächlich von einem Mädchen überrumpeln lassen. „Wer will das wissen?“, fragte er und blickte zu ihr hoch. Ihre eisblauen Augen funkelten ihn belustigt an. Sie gab sich anscheinend nur mürrisch. „Caitlyn of Birchwood.“ Sie schaute ihn herausfordernd an. Will schnaubte. „Das hätt‘ ich mir ja denken können.“ Jeder kannte Caitlyn of Birchwood. Sie war die einzige Tochter von Lord Birchwood, benahm sich aber eher wie sein Sohn. Will hatte schon viel von ihr gehört. Angeblich trafen ihre
Pfeile jedes Ziel und im Schwertkampf konnte sie auch mit den Männern mithalten, obwohl sie nicht besonders kräftig schien. Ihre Schönheit wurde von vielen gerühmt und Will wusste, dass viele Mädchen sie als Vorbild sahen, auch wenn keiner sie je gesehen hatte. Will war nur bedingt glücklich, als erster die Bekanntschaft zu machen. Aber er musste zugeben, dass die Behauptung mit der Schönheit nicht übertrieben war. Inzwischen war sie wohl zu dem Schluss gekommen, dass von ihm keine Gefahr ausging, denn sie kniete sich neben ihn und begann seine Fesseln durchzuschneiden. „Ich bin Will“, sagte er und rieb seine Handgelenke, damit das
Blut endlich wieder fließen konnte. Caitlyn hatte seine Pfeilwunde entdeckt und verzog das Gesicht. „Das sieht böse aus. Wie ist das passiert?“  Will folgte ihrem Blick und sah erschrocken, dass die Wunde knallrot war und sich wahrscheinlich entzündet hatte.                                                            „Ich wurde verfolgt. Von drei finsteren Gesellen, die unser ganzes Dorf verwüstet haben.“ Caitlyn runzelte die Stirn. „Warum?“                                                                                                                                                                                                      „Keine Ahnung. Das wüsste ich auch
gern.“                                                                                                                                                 „Na jedenfalls muss deine Wunde versorgt werden.“ Sie stand auf, steckte ihren Dolch wieder ein und streckte Will die Hand hin. „Na los, komm schon!“ Verwirrt ergriff Will die ihre Hand und stemmte sich hoch. Dabei schoss ein stechender Schmerz durch seinen Arm bis in die Schulter hinein. „Wohin denn?“, stöhnte er.                                                                                                                                              Caitlyn verdrehte die Augen, als wäre er schwer von Begriff. „Na du kommst jetzt mit auf die Burg, wo man dir den Pfeil
aus dem Arm ziehen wird. Wir haben da einen, ähm…, Spezialisten…“ Beim Anblick von Will’s erschrockenem Gesicht musste sie lachen. „Oder willst du das etwa selbst machen?