Briefe an Sebastian
Ich werde nie wieder mit dir reden. Nie wieder.
Immerzu verletzt du mich. Oder gehört das mit zum Spiel?
Ich bin nicht gut in so etwas. Das weis ich daher, dass meine große Liebe auch immer "spielen" wollte.
Er tanzte -von Drogen ganz hochgepuscht- in seiner Wohnzimmerecke und wollte das ich im zusah. Schaute ich ihm dann zu, schnautzte er mich an, ich solle ihn nicht beobachten. Als ich ihm anblickte und den Blick schnell abwahnte, wenn er zu mir inüber schaute, lobte er endlich: "Gar nicht so schlecht. Ja, cool. Ja, gar nicht so schlecht." Vielleicht bin ich zu
ehrlich für solche Spielchen. Ich weis nicht wie man sie spielt.
Aber mir kommt gerade eine Idee, wie ich es versuchen könnte, bei diesem Spiel mitzumischen.
Aber nicht heute. Vielleicht morgen. Oder nächsten Monat. Vielleicht nie.
Du meinst ich bin wie du. Es dürfte nicht schwierig sein, das heraus zu finden. Bislang war ich irritiert von Torsten. Aber nun weis ich Bescheid.
Ich bemerke selber wie Bewegung in die Sache kommt, denn gestern Abend fiel mir auf, dass du gar nicht Torsten sein konntest. Wie konnte ich so hohl sein.
All diese Briefe stammen von dir. Das war offensichtlich und ich muss total auf der Leitung gestanden haben, da ich halt auf Thorsten fixiert war.
Thorsten hat so ein liebes Lächeln. Überhaupt macht das Leben ihm viel Spass. Er ist immer eifrig unterwegs und hat viele Bekannte. Wie konnte ich nur annehmen diese einsame Flaschenpost stamme von ihm. Ich mache mir nur Sorgen, das ich zufällig an diese Briefe geraten bin und gar nicht diejenige, die du über alles liebst. Ich suche nach einem Hinweis, finde ihn aber nur manchmal. Es gibt Hinweise auf mich, die absolut unbestreitbar sind, und da es ein Spiel ist, nehme ich an, dass du auch
noch Irrwege hineinstreust. Ich habe gestern spät in der Nacht den Ort gefunden, wo du alle deine Briefe versteckst und schon einige gelesen. Einige scheinen neu zu sein.
Ich muss mein Zimmer aufräumen und jetzt bringst du alles wieder durcheinander.
Du musst jetzt nach meinen Briefen suchen. Vielleicht gefählt dir das besser. Ich kann sie nicht so gut verstecken wie du, mir fehlen die Möglichkeiten.
Der Kaffe ist alle und ich bin wieder so meta. Es ist bereits viertel nach eins und im Fernsehen läuft nix.
Dein Brief mit meiner Liebeserklärung liegt bereits einundhalb Jahre zurück.
Hau in die Tasten. Bitte.
Manchmal denke ich ich suche dich vergebens.
Weist du warum ich gestern nicht beim Vorstellungsgespräch war? Ich war in der Kneipe. Ich habe ein Suchtproblem, ich räume es ja ein. Es tut mir leid, so ein Versager zu sein. Ich habe einfach gesagt es sei mir was dazwischen gekommen, und der Chef war nicht so begeistert, das bemerkte ich als er mir befohl morgen wieder zu kommen.
Ich krieg nichts hin. Schreib mir doch etwas. Gib mir einen Rat. Einen Hinweis.
Da die Begrüßung ausgefallen ist möchte
ich mich wenigstens von dir verabschieden.
In Liebe,
Raimunda
Lieber Bastian,
irgendwie bin ich wieder so verwirrt, wie vorher.
Aber ich weis jetzt, dass du, wer auch immer du, von inzwischen vier in Frage kommenden Identitäten bist, mich liebst.
Ja, du liebst mich so, wie ich dich liebe.
Dein Name hat irgendwas mit einer Stadt in der Nähe von Alexandria zu tun. Er bedeutet; Mann aus Sebastia. Oder so ähnlich. Was weis ich, wie die Stadt noch mal hieß. Auf jeden Fall nicht Zwilling, wie ich dachte. Nein, du bist nicht mein Zwilling. Du kannst sehr hart sein. Dein Twitter-Accound läßt durchblicken, dass du wenig Toleranz
hast.
Du bist immer so kritisch. Vielleicht bilde ich mir nur ein tolerant zu sein, und bin es genau so wenig, aber ich habe mehr Verständnis für anders denkende als du.
Raimunda bedeutet Ratschlag und Schutz.
Schön, ne?
Ratschläge musste ich schon früh geben. Na ja, ich hatte dir ja davon geschrieben.
Hast du meine Briefe noch.
Deine Briefe sind verstreut im ganzen Haus, und oft weis ich nicht mehr wo ich sie hingetan hab. Darüber bin ich sehr traurig.
Auch darüber, dass du jetzt seit drei Wochen nicht mehr geschrieben hast.
Das verstehe ich nicht.
Weis du schon das Neueste. Mein Chef ist inzwischen ganz nett und wenn ich mich anstrenge, schaffe ich bestimmt die Arbeit. Aber die Sucht! Sie ist da, auch wenn sie mir jetzt einen Rekord von vier Tagen geschenkt hat.
Im Portmonee herrscht Ebbe, das Wasser steht mir bis zum Hals.
Ich weinte gestern Nacht und war ganz verzweifelt. Ich rief mitten in der Nacht meinen Ex an, der mich versuchte zu trösten und mich mit einem gereizten, aber durchaus lieb gemeintem,
Wortschwall niederrang. Ich war schnell gelangweilt von seinen seltsamen Ansichten und Standpunkten und der Gram verschwand dadurch.
Ich muss mich wieder einmal bei ihm bedanken. Wenn er gute Laune hat ist er mein bester Freund. Er ist nur leider so launisch. Er hat mir sehr weh getan, dass ich ihm immer wieder verzieh' muss dir weh getan haben.
Es tut mir leid.
Überhaupt mache ich sehr unüberlegte Sachen. Irgendwas geht dann mit mir durch. Ich denke nicht, ich fühle.
Das ginge ja noch, aber es sind akute Gefühle, die mir flüchtige Emotionen zu
meinem Ex vorgaukeln.
Nostalgie?
Ich liebe ihn nicht mehr.
Ich spüre es tief in mir. Und das ist gut so.
Dennoch; ich habe ihn sehr lieb, denn wann immer ich an ihn denke, denke ich an ein hilfloses Geschöpf. Von niemandem verstanden.
Du hast wie immer Recht, jenes kann auch ich nicht ändern, denn auch ich verstehe ihn nicht.
Ich fühle mich oft unverstanden, alleine, ungeliebt und ohne jede Hilfe.
Er sagte oft: "Du brauchst viel Liebe."
Es gab schöne Zeiten, aber ich will nicht mehr.
Ich liebe dich. Und ich bin froh, endlich nicht mehr zwei Männer lieben zu müssen. Das ist doch so, oder?
Was ist mit Torsten?