Mondscheingebete
Enya sang. Niemand auf der Welt versetzt mich so in Trance wie Enya. Engel kann man nicht sehen, nur hören. Das Best-of Album lief bereits das dritte Mal und trotzdemversiegten die Tränen nicht. Die empirischen Erfahrungen bestärkten mich aber, das irgendwann, wenn die Augen tränenschwer waren auch die Müdigkeit kommen würde. Aber noch nicht. Noch waren die Erinnerungen an ihn und das Vermissen seines Atems schmerzhaft an diesem Tag. Ich hatte ihn nicht so geliebt wie Giedo, aber die ersten zwei Jahre waren schön gewesen. Das letzte Jahr hingegen, seit Andre in eine eigene Wohnung gezogen war, war geprägt von Streit und Trennungen. Diese Trennungen brachen mir das Herz. Nach zwei bis drei Wochen rief dann einer von uns den anderen an und wir versöhnten uns wieder. Nun war ich mir sicher nicht länger sein Spielzeug zu sein zu wollen. Wie ein Fussball fühlte ich mich, der mal hier und mal dorthin gestoßen wurde. Es waren nun fast zwei Wochen vergangen, seit ich mir geschworen hatte ihn nicht mehr anzurufen und da er sturer war als ich, wäre ich über ihn hinweg, wenn er sich nach seinem Toy sehnte. Es gibt ein Lied von Britney Spiers, namens Toy soldier das ich mal mochte. Das Album war einfach klasse. Es hatte so etwas sexuelles, und obwohl ich eine echte Niete in Englisch bin, verstand ich gerade genug um meiner Phantasie einzuheizen. Diese Nächte waren schön. Einsam waren sie alle. Zusammengewohnt hatte ich nur mit Giedo. In diesen acht Monaten war ich nicht einsam und noch nie in meinem Leben war ich so glücklich. Wir waren arm, denn Giedo versoff unser Geld oder überredete mich DVDs für ihn zu kaufen. Die Drogen hingegen waren für uns beide und vielleicht waren sie es die diese Hochgefühle auslösten. Ich war noch nie so verliebt. Jeden Tag drängte mich mein Körper zu ihm und wenn er nicht bei mir war, sass ich versonnen lächelnd da und dachte an unser letztes Liebesspiel. Meine Gedanken kreisten nur um ihn.
Ich war bereits sechsundzwanzig als mir die diese alles aus den Angeln hebenden Gefühle wiederfuhren, und oft denke ich, dass das Speed die Emotionen noch angekurbelt hatte. Ohne Drogen ist so eine Liebe nicht möglich.
Ich weinte noch mehr, denn jetzt trauerte ich um alle die nicht mehr da waren, Giedo im Besonderen.
Ich heulzte laut wie ein Baby und wankte zum Fenster. Der Mond schien hell. Es war so hell. Es musste Vollmond sein, denn die Schönheit der Natur zeigt uns, wie vergänglich alles ist. Vielleicht wollte Gott mich auch nur trösten. In einer gräßlichen Umgebung ist das Leiden um so intensiver. Ich wusste, dass er da war. Er war immer da gewesen. Und seit einer intensiven Zeit, die ich mit ihm alleine verbracht hatte, wusste ich das er immer da sein würde. Ich stützte mich auf dem Fensterbrett auf, als hatte ich jeglichen Halt verloren und schlurzte.
"Ich möchte einmal noch so eine Liebe haben, wie mit Giedo. Bitte. Bitte. Nur einmal noch."
Vom Fenster abgewandt, schlurzte ich weiter in den Raum, sties mich halb vom Fensterbrett ab und die Flut meiner Tränen trug mich wieder durch das Zimmer zurück, bis ich in meinem Bett strandete.
Unvermittelt schlief ich ein.
+