Einleitung
Das erste Kapitel meines Romans. "Der Turm" ist nur der vorläufige Titel, da das Buch noch nicht fertig ist.
1
Die meisten Menschen finden den Wald unheimlich. Wegen der Dunkelheit und der Stille wahrscheinlich,
oder weil sie denken es würde spuken. Will hielt das für Unsinn. Er mochte das
Rauschen der Bäume, das klang als würden sie sich miteinander unterhalten. Er mochte es, die Eichhörnchen zu beobachten, wie sie von Baum zu Baum huschten und immer wieder inne hielten um zu lauschen.                                                                                                        Doch daran war heute nicht zu denken. Mit klopfendem Herzen und
angehaltenem Atem
schlich sich Will zwischen den ausladenden Buchen hindurch und achtete darauf
nicht auf trockene Zweige zu treten und kein Geräusch zu machen. Er duckte sich
hinter jeden Busch und suchte mit den Augen die Umgebung ab, bevor er zum nächsten Baum huschte. Zwischendurch,
wenn er sich sicherer fühlte rannte er ein Stück, weil er wusste, dass er
keinen besonders großen Vorsprung hatte. Mittlerweile konnte er vor Erschöpfung
kaum noch klar denken, doch seine Verfolger ließen ihm keine Zeit um Atem zu
schöpfen.
Vielleicht kam der Schwindel aber auch am Blutverlust, den der Pfeil
verursachte, der ihm im rechten Arm steckte. Den Schmerz spürte er nicht, dafür schoss ihm zu viel Adrenalin durch die Adern, aber mit dem Federschaft des
Pfeils verhedderte er sich zu oft in den herabhängenden Zweigen. Gerade als er stehenblieb, weil sich alles um ihn herum drehte, ließ ihn ein Knacken und ein lauter Ruf
zusammenzucken. Er schaffte es gerade noch hinter einen wilden Brombeerstrauch
zu springen, da brachen drei schwerbewaffnete Soldaten in Rüstung
aus dem
dichten Gestrüpp hervor, blieben stehen und rangen keuchend nach Atem. Einer
der drei, der größte, stützte sich auf sein gezogenes Schwert, die andern
ließen sich zu Boden fallen und wischten sich den Schweiß von der Stirn. „Der
kleine Bastard ist uns entwischt“, fluchte der Große und streckte unter lautem
Stöhnen den Rücken durch. „Für solche Verfolgungsjagden werd‘ ich langsam zu
alt!“                                                                            Â
„Ach was soll‘s“, meinte der zweite, ein junger Mann mit schwarzem Haar, das ihm in die
Stirn fiel. Er richtete sich auf, fuhr sich
mit der Rechten über eine hellrot
leuchtende Narbe auf der linken Wange und schlenderte zum Brombeergebüsch. „Hier
im Wald macht er’s eh nicht lang und zurück kann er ja wohl kaum! Außerdem hat
mein Pfeil ihn erwischt, hab ihn schreien hörn.“ Er lachte laut, doch seine
beiden Kameraden schauten ihn nur finster an. „Das hat doch keinen Sinn! Lasst
uns verschwinden, der ist doch schon über alle Berge“, meinte der Große, allem
Anschein nach der Anführer der drei. Der Schwarzhaarige stopfte sich noch
eine
Handvoll Beeren in den Mund, sodass der Saft ihm das Kinn herunterlief, dann
folgte er den andern beiden, die sich mit ihren Schwertern den Weg durch die
Sträucher bahnten. „Wir sagen einfach, dass keiner überlebt hat“, grölte der
dritte und schlug dem Dunkelhaarigen auf die Schulter. „Schnauze!“, brüllte der
Anführer, dann trat Stille ein.
Will lag mit zugekniffenen Augen hinter den Brombeeren und versuchte krampfhaft sein Keuchen zu
unterdrücken. Mit auf den Mund gepresster Faust, richtete er sich langsam
auf,
ließ sich aber stöhnend wieder zu Boden sinken, als er den rechten Arm
belastete. Nachdem Will bis drei gezählt hatte und sein Atem sich einigermaßen
beruhigt hatte, kam er wieder auf die Füße und spähte durch das Gebüsch.
Niemand war mehr zu sehen, doch sicherheitshalber wartete er noch einen Moment,
bevor er sich traute aus seinem Versteck herauszukommen.                                                                           Â
Den Pfeil brach er am Schaft ab, damit er sich besser bewegen konnte.
Inzwischen brannte die Wunde wie Feuer und Will verzog schmerzhaft das
Gesicht.
Wie sollte er die Pfeilspitze jemals herausbekommen? Der Arm würde steif werden
oder noch schlimmer, er würde Wundbrand bekommen und sterben. Will bog mit der
unverletzten Linken die Brombeeräste auseinander ohne die Dornen zu bemerken,
die ihm in die Hand stachen. Gerade wollte er hindurch schlüpfen, da traf ihn
ein wuchtiger Schlag am Hinterkopf und die Welt wurde schwarz. Â