Kurzgeschichte
November

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"... jetzt hätte er keine Chance mehr..."
Veröffentlicht am 30. Oktober 2013, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Mit Vorliebe schreibe ich Drabbles, Krimis und Kurzgeschichten... Ich liebe diese fabelhaft pointierten Miniatur-Geschichtchen. Zur Abwechslung schreibe ich auch gern mal eine erotische Geschichte... Ansonsten hoffe ich auf viele geneigte Leser und freue mich über jeden ehrlich gemeinten Kommentar. Zwei Städte sind mir neben Berlin besonders wichtig: Paris und Venedig... 09.Mai 2015 Ich habe heute erfahren müssen, dass Silvi ...
... jetzt hätte er keine Chance mehr...

November

 

 Bleistift

 


                                 


      NOVEMBER 


Kurzgeschichte                          

 

                             

november

Eine ungewohnte, seltsam tiefe Stille kam aus dem nahegelegenem Wald, über den sich ein dichter kalter Nebel gesenkt hatte.

Nur erahnen konnte man den Wald bestenfalls noch an den kaum sichtbaren Konturen der Bäume. Noch aber war es nicht Winter, es war allerdings auch kein richtiger Herbst mehr.

Es war so ziemlich genau das, was zwischen diesen beiden Jahreszeiten lag.

Dazu diese anhaltend eisigkalte Stille im Nebel. Es schien, als hielte die Natur für einen kurzen Moment in einer Form eisiger Starre inne.

Die Sonne war tief wolkenverhangen, kaum dass sie es überhaupt schaffte, das blasse

Firmament auch nur ein wenig zu erhellen.

Erster Frost hatte das bereits gefallene Laub wie durch Meisterhand mit spinnwebenzarten, hauchdünnen Eiskristallen überzogen. Die ehemals kräftigen Farben des Herbstes waren jetzt einem einheitlich verrottenden Braunton gewichen. Und nur gelegentlich schimmerte noch das eine oder andere bunte Blatt unter einem Haufen vermodernden Laubes hervor. Was der kräftige Herbstwind an Laub nicht wegzublasen vermochte, sammelte sich nun an den Hecken und Sträuchern des Gartens.

Die Bäume reckten ihre bereits kahl geworden Äste in den grauen Himmel und lediglich ein einziges, letztes orangerotes Blatt hing einsam noch am Pfirsichbaum.

Gerade schrieb ich an meiner neuen

Geschichte, einer Reise mit der Postkutsche aus dem frühwinterlichen Berlin in das vom Feuer der Revolution noch immer brennende Paris von 1792. Da kam mir dieses neblig kalte Gefühl dieses zeitigen Vorwinters gerade recht und lies meine Protagonisten in der Kutsche noch enger zusammenrücken.

Ich zündete mir einen Zigarillo an und während ich den würzigen Rauch des Tabaks genoss, schaute ich aus dem Fenster des Wintergartens auf die kalte weiße Nebelwand die dort wie ein weißes Gespenst völlig reglos in den Bäumen hing. Gerade so, als erwartete ich von dort irgendwelche kreativen Impulse, die meine sinnlich abenteuerliche Geschichte weiter vorantreiben würden.

Zum Glück hatte ich beizeiten alle Fenster des

Wintergartens dicht gemacht und beide Türen fest verschlossen. Ich hatte mir gerade noch rechtzeitig eine gläserne Barriere gegen diese kalte Welt da draußen geschaffen und genoss nun von drinnen den Anblick jener nun ausgesperrten und abweisenden Nebelwand.

In der Nähe des alten Ledersofas raschelte es plötzlich in die Stille hinein...

Raschelte...?

Ich schaute mich um. Der Wind hatte doch tatsächlich einiges an trockenem Laub in den Wintergarten getragen, denn etliche dieser trockenen Blätter lagen in der Ecke auf einem kleinen Haufen. Als ich dann näher heranging, entdeckte ich einen kleinen Igel, der sich rasch im dichten Laub zu verstecken suchte.

Wie ich langsam nach ihm griff und ihn

vorsichtig hochheben wollte, hatte er sich jedoch vor meinen Augen blitzschnell zu einer kleinen stachligen Verteidigungskugel zusammengerollt.

»Na, mein Freund«, sprach ich ihn an und betrachtete seine aufgestellten spitzen Stacheln. »Da hast du dir aber wirklich einen hübschen Platz zum Überwintern ausgesucht. Und ein warmes Bett hast du dir also auch schon gebaut«, murmelte ich. »Hast du es denn da draußen nicht mehr geschafft?«

Nun allerdings war es längst zu spät, ihn nach draußen zu setzen. Sehr wahrscheinlich würde er bei diesen bereits schon frostigen Nachttemperaturen bald erfrieren. Behutsam setzte ich die Stachelkugel wieder in das trockne Laub und holte aus dem Keller eine

alte, bereits entleerte Weinflaschenkiste, die lediglich mit einigen spärlichen dünnen Sperrholzstreifchen zusammengetackert worden war. Diese luftige hölzerne Kiste füllte ich zur Hälfte mit Blättern, die ich im Garten zusammengeharkt hatte und stellte sie in die Ecke des Wintergartens, gleich neben die verschlossene Glastür. Danach setzte ich die kleine Stachelkugel fürsorglich hinein und bedeckte den Igel mit den von ihm selbst bereits angesammelten losen Blättern bis hinauf an den Kistenrand. Zwei große Äpfel aus dem Regal tat ich noch in die Kiste mit hinein. Sie würden dem kleinen Kerl vielleicht als Verpflegung dienen, den kommenden Winter in seiner neuen Behausung gut zu überstehen.

Eine ganze Weile danach geschah nichts und ich setzte mich wieder an den Tisch, um nach dieser kreativen Pause an meiner winterlichen Reisegeschichte ein wenig

weiterzuschreiben. Ich zündete einen dicken Kerzenstumpen an, der den Wintergarten in ein anheimelndes Licht tauchte. Nach einer halben Stunde begann es in der hölzernen Kiste zu rumoren und zu rascheln. Doch mit dem zeitigen Dunkelwerden kehrte dann alsbald auch wieder Ruhe ein.

Der Igel hatte es sich offensichtlich richtig gemütlich gemacht und war dann wohl auch eingeschlafen, während ich gedanklich schon wieder auf meiner abenteuerlichen Reise mit einer Postkutsche nach Paris unterwegs war.

Drei bis vier Monate sagt man, könne sein

Winterschlaf dauern. Also würde ich nur gelegentlich mal nach ihm schauen müssen, nach meinem neuen stachligen Untermieter, dem zu spät gekommenen kleinen Igel...


***








Impressum

Cover: selfARTwork

Coverpicture: Angelika_Koch-Schmid_pixelio.de

Text: Bleistift

Picture Insite: Rita Köhler_pixelio.de

© by Louis 2013/10 last Update: 2021/11

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Über den Autor

Bleistift
Mit Vorliebe schreibe ich Drabbles, Krimis und Kurzgeschichten...
Ich liebe diese fabelhaft pointierten Miniatur-Geschichtchen.
Zur Abwechslung schreibe ich auch gern mal eine erotische Geschichte...
Ansonsten hoffe ich auf viele geneigte Leser und freue mich über jeden ehrlich gemeinten Kommentar.
Zwei Städte sind mir neben Berlin besonders wichtig:
Paris und Venedig...

09.Mai 2015
Ich habe heute erfahren müssen, dass Silvi Bredau am Samstag, dem 25. April 2015
ihren Kampf gegen den Krebs endgültig verloren hat...
Ich schäme mich meiner Tränen nicht...
Louis

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Gast Lieber Louis,
eine wahrlich stimmungsvolle Herbst-Winter-Geschichte. Wie du es verstanden hast, da hinein auch noch eine Winterreise in der Postkutsche von Berlin nach Paris, einfach köstlich.
Liebe Grüße ins neblige Berlin
von Franck
Vor ein paar Wochen - Antworten
Bleistift 
merci, mein Freund,
es erfreut mich, wenn Dir meine kleine November-Geschichte gefallen hat. Nun, diese abenteuerlich, erotische Geschichte einer Reise in einer Postkutsche von Berlin nach Paris zu Zeiten der Französischen Revolution ist nach 2/3 steckengeblieben und bis heute leider unvollendet geblieben... Und längst schon ist der Igel, und wie auch der Wintergarten eine im literarischen Nirvana der Geschichte versunkene Anekdote... ...smile*
LG zu Dir nach Leipzig...
Louis :-)
Vor ein paar Wochen - Antworten
Miranda Wow!
Lieber Louis das ist eine wunderbare Geschichte.
Ganz liebe Grüße,
sigrid
Vor ein paar Wochen - Antworten
Bleistift 
Oh, das freut mich in der Tat ungemein, liebe Sigrid,
auch wieder von Dir zu hören. Merci für deine Wertschätzung meiner nebligen Novembergeschichte... ...smile*
LG zu Dir und merci auch für die guten Genesungswünsche...
Louis :-)
Vor ein paar Wochen - Antworten
Valerina 
Wie wunderschön hast du das ge- und beschrieben, lieber Louis.
Da hat es das Igelchen ja gut gehabt bei dir.
Durch meinen Garten stromert nachts auch schon wieder ein Spätigelchen.
Wenn ich ihm Futter hin stelle, damit er noch zunimmt, fressen
es ihm die Katzen oder Ratten weg. Das ist zum Verzweifeln.
Ich habe nun ein Igelhäuschen mit Rattenklappe und Labyrinth,
aber das hat er leider noch nicht entdeckt. Das Futter ist immer unberührt.
Auf meiner Wildkamera sehe ich, wie die o.g. Tiere um das Haus schleichen. Ich hoffe so sehr, dass er dort das Futter noch findet
und sich vielleicht dort "einnistet". Eine Kammer habe ich mit Laub und Stroh gefüllt.

Lieber Gruß
Valeri :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
Merci für alles, liebe Valerina, ich freue mich sehr, dass Dir meine alte November-Geschichte zwischen den Jahreszeiten gefallen hat... ...smile*
Ich glaube auch, dass sich diese stachligen Vierbeiner selbst etwas aussuchen, etwas was am besten zu ihnen passt.
Wenn Du großes Glück hast, wird es dieser strachlige Geselle vielleicht sogar als sein neues Winterquartier annehmen, aber Wetten würde ich darauf nicht abschließen wollen... ...smile*
Dazu inspiriert, diese alte Geschichte von mir noch einmal zu posten, hast Du mich übrigens, sonst wäre sie hier auf MS womöglich in Vergessenheit geraten. Also auch dafür noch mal ein großes Merci... ...smile*
LG
Louis :-)


Vor langer Zeit - Antworten
Valerina 
Huhu, Louis, ich muss dir was erzählen.
Der Igel hat das Futter im Häuschen entdeckt.
Schon 3 Nächte hat er gefressen und jedes Mal ist er auch kurz in der Laubkammer gewesen. Vielleicht entschließt er sich ja wirklich noch,
das Haus als Winterquartier zu nehmen.
Die Katzen sind zu groß, Kopf passt nicht rein und die Ratte scheut sich vor der Klappe, schleicht jede Nacht da rum, aber frisst dort nicht.

Liebe Grüße
Valeri
Vor langer Zeit - Antworten
Valerina 
:-))
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
So scheinen deine Bemühungen am Ende vielleicht doch noch von Erfolg gekrönt zu sein, was die winterliche Behausung deines kleinen stachligen Freundes angeht, liebe Valeri.
Zu wünschen wär's jedenfalls, denn viel Zeit bleibt ihm nun bestimmt nicht mehr... ...smile*
LG
Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Und ist er dann den ganzen Winter über geblieben, Louis?
Wie Enya finde ich auch dieses herbstliche Naturszenario ganz wunderbar beschrieben.
Liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
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