Verletzlichkeit
Gedanken:
Das Wort Verletzlichkeit, an ihm blieb ich hängen. Verletzlichkeit, sich ihrer bewusst zu sein,
bewirkt in mir Achtung vor der Lebenserscheinung, die ich bin und der ich in jedem Augenblick
begegne. Ich bin ebenso verletzlich, wie Du es bist. Ich bin ebenso verletzlich wie die Tiere, die Pflanzen, die ganze Natur. Wie oft gehe ich unachtsam mit mir selbst und mit anderen um?
Wie oft zeige ich viel zu wenig Einfühlungsvermögen? Wie oft kommen negative, bewertende, herabsetzende Worte über meine Lippen? Es tut mir augenblicklich Leid, denke ich an die Verletzlichkeit alles Lebenden.
Auch wenn ich vergänglich bin, wie alles was erscheint und vergeht, so bleibt dennoch die Lebensphase, in der ich verletzt worden bin, verletzt werden kann und in der ich andere verletze. Am Ende des Lebens spielt dies keine Rolle mehr. Doch in der Rolle, die ich jetzt mein Leben nenne, ist es eine Tatsache.
Die eigene Verletzlichkeit bewirkt Mitgefühl für das Mit-Leben. Die Erkenntnis, dass wir alle fühlende Wesen sind lässt einen kurzen Blick auf die Einheit allen Lebens erhaschen.
Diese Verletzlichkeit, die jeder kennt, ist eine von vielen Gefühlserscheinungen. Mir erscheint sie sehr wertvoll. Verletzlichkeit schafft einen Raum, in dem Besinnung möglich ist, die eine andere Sichtweise bewirken kann.
Der Mensch möchte gern stark, unangreifbar, unverletzbar sein. Wie man so schön sagt, er möchte gerne über den Dingen stehen. Ein unmögliches Unterfangen. Wie kann er über den Dingen stehen?
Kein Ding kann über den Dingen stehen.
Der Mensch erscheint und vergeht. Alle Erscheinungen vergehen.
Verletzlichkeit eine wertvolle vergängliche Lebenserfahrung, so wertvoll wie jede andere.
Was macht Verletzlichkeit wertvoll?
Das Leben selbst, denn das Leben ermöglicht diese Erfahrung, ermöglicht alle Erfahrungen.
Soll ich nun meine Verletzlichkeit bejahen?
Ja!
Denn in der Bejahung der Verletzlichkeit bejahe ich das Leben selbst.