Die Tür fällt hinter mir ins Schloss. Der Regen prasselt auf mich nieder.
Benommen taumle ich durch die Straße. Von den Highheels tun mir die Füße weh.
Vor mir sehe ich eine Bank. Völlig durchnässt lasse ich mich darauf sinken.
Ich berge den Kopf in den Händen. Mir ist kalt. Ich will nach Hause. Langsam taumle ich weiter.
Es ist schon spät. Die Läden haben bereits geschlossen. Vor einem Buchladen bleibe ich stehen.
Traurige Augen starren mich an. Die Tränen auf den Wangen vom Regen fortgespült. Das durchsichtig gewordenen Kleid klebt eng an meinem Körper und betont mehr die schwarze
Unterwäsche, als dass es sie verhüllt. Erschrocken taumle ich rückwärts, will dieses Armutszeugnis meiner Einsamkeit nicht sehen.
Ich wirble herum, achte nicht auf meinen Weg, laufe nur blind weiter. Ein Auto hupt. Ich höre es kaum und haste weiter über die Straße. Die Tränen laufen über meine Wangen und ich lasse ihnen ihren Lauf. Der Regen verbirgt meine verletzte Seele, umschmeichelt mein zerbrochenes Herz.
Ich sehe die Brücke, ich sehe den Kanal. Wie durch Nebel laufe ich schneller. Kralle meine Nägel ins Holz des Geländers. Mir ist kalt. Ich beginne zu zittern.
Mein Blick gleitet über das Wasser. Ich hab keine Lust mehr. Was bringt das denn schon?!
Verloren, allein, verlassen… schon wieder.
Heute Morgen war ich glücklich, lag neben dir im Bett.
Die hieltst mich im Arm. Du gabst mir Sicherheit und Geborgenheit. Ich hab mich an dich gekuschelt, du hast leise gelacht, deinen Arm um mich gelegt und mich sacht geküsst.
Da dachte ich, nun wird alles gut. Ich bin nicht mehr allein! Ich WAR nicht mehr allein…
Als du mittags gingst, sagtest du: „Heute Abend bei mir, ja?“ Ich nickte. Du hast
mir zugezwinkert und mich nochmal geküsst, bevor du aus der Tür verschwunden bist.
Ich war allein in der Wohnung, doch du warst in meinen Gedanken. Du hast gesagt, du liebst mich…
Abends bei dir warst du so zärtlich und lieb.
Die DVD war nicht sehr spannend. Wir haben ohnehin mehr rumgeknutscht. Irgendwann hast du den Fernseher ausgemacht, mich an die Hand genommen und ins Schlafzimmer geführt.
Nachdem wir miteinander geschlafen hatten, holtest du mich schnell von meiner rosa Wolke runter.
Du warst im Badezimmer, als dein Handy piepte. Es leuchtete auf und eine Nachricht erschien auf dem Display: „Hast du sie endlich flachgelegt? Solange lief noch keine unserer Wetten!“ Mir traten Tränen in die Augen. Ich zog mich schnell an und lief auf die Straße. Dich wollte ich nicht noch einmal sehen.
Und jetzt habe ich keine Lust mehr. Ich ziehe mich aufs Geländer und lasse die Beine baumeln.
Ich werde mich einfach fallen lassen. Ich werde fliegen und dann tauchen. Bevor ich auftauchen könnte, wäre mein Sauerstoff schon verbraucht. Wahrscheinlich ist es sowieso zu hoch und das Wasser beim Aufprall hart wie
Stein. Dann eben erlösender Schmerz.
Welchen Unterschied machte es schon?!
Glückliches Ende
„Hey, ich wusste gar nicht das noch andere Leute hier gerne rumhängen.“
Neben mir war ein Junge wie aus dem Nichts erschienen. Vermutlich hatte ich ihn auch einfach nicht kommen gesehen.
Er war genauso nass wie ich, nur dass er im Gegensatz zu mir eine Regenjacke trug. Die hatte ich bei meinem „Freund“ vergessen.
„Ist dir gar nicht kalt, so ohne Jacke?“ Er lächelte freundlich.
Ich nickte. Worte brachte ich nicht zustande.
„Du kannst meine haben.“ Kurz darauf legte er mir seine schwarze
Softshell-Jacke um die Schultern. „Schön das Wetter, oder?“
Verwirrt blinzelte ich ihn an.
„Ich mein, wenn man mal überlegt, dass das Wasser dafür sorgt, dass in nächster Zeit die ganzen Blüten aufgehen werden und nicht verdorren. Wenn man sich die reinigende Wirkung vorstellt, die der Regen haben kann.“ Verträumt sah er an mir vorbei in den Regen.
„Reinigend?“, flüsterte ich leise.
Er sah mich wieder an. „Hey, du kannst ja doch reden!“ Er grinste. „Ja, reinigend. Er reinigt unserer Seele, sagt meine Großmutter immer.“
Ich beginne zu lachen. „Diese Art von Reinigung brauche ich vermutlich gerade
auch.“
Ich versuchte vom Geländer wieder herunterzuklettern. Ich war nicht mehr in der Stimmung zum Fliegen, doch das Geländer war zu nass. Ich rutschte Weg und verfehlte mit den Händen das Holz. Ich sah mich schon unten im Wasser, als ich merkte, dass ich gar nicht fiel.
Mein Handgelenk wurde von seiner Hand umschlossen. „Keine Angst, ich hab dich!“
Während er mich zurück auf die Brücke zog, konnte ich mich nicht zusammenreißen und begann schallend zu lachen.
Zurück auf der Brücke, musste ich mich an ihm festhalten, um nicht umzufallen.
„Du bist süß, wenn du lachst, auch wenn ich nicht verstehe warum du lachst.“ Er zwinkerte mir zu.
„Ich lache über die Ironie! Wärst du nicht gekommen, wäre ich hinuntergesprungen. Und jetzt wo du da warst, wäre ich beinahe gefallen, obwohl ich gar nicht mehr springen wollte.“
Er zog mich fest in seine Arme und es gefiel mir.
„Willst du mitkommen, ich wohn nicht weit von hier und meine Oma macht uns bestimmt heiße Schokolade.“
Ich nickte, warum eigentlich nicht. Was hatte ich jetzt schon noch zu verlieren? Mein Leben würde ich jedenfalls behalten.