Sonstiges
Verhagelt

Die Vorfreude hatte es uns gründlich verhagelt. Und das im wahrsten Sinn des Wortes. Einmal zur falschen Zeit am falschen Ort geparkt, und unser Auto hatte nur noch Schrottwert. Tennisball große Hagelkörner – Berichte über vom Himmel fallende Eiskugeln derartiger Größe hatte ich bisher ins Reich der Legenden verwiesen – hatten der Karosserie ein interessantes Lochmuster verpasst, beide Außenspiegel regelrecht weggefetzt und last but not least die Windschutzscheibe mit einem derart dichten Netz von Sprüngen übersät, dass ein Hindurchschauen nur noch auf einer Fläche von etwa fünfzig Quadratzentimetern möglich war.

„Ihr wollt im Urlaub nach Kroatien? Mit der alten Kiste kommt ihr vermutlich nicht mal mehr bis Österreich“, hatte der Freund unserer Tochter noch wenige Tage zuvor geunkt, eine Bemerkung, die seine Chancen, irgendwann liebevoll in den Schoß der Familie aufgenommen zu werden, nicht unerheblich schmälerte. Nun denn, er hatte Recht mit seiner Frotzelei, wenn auch anders als geglaubt. Schweren Herzens musste ich von meinem geliebten Wagen Abschied nehmen.

Was nun? Ohne ein Auto mit Anhängerkupplung konnten wir unseren lange geplanten Campingurlaub auf der istrianischen Halbinsel vergessen. Umdenken in Richtung Ferienwohnung an Nord- oder Ostsee? Mitnichten. Wenn man(n) sich auf Kroatien versteift hat, dann muss es Kroatien sein. Und zwar genau DER Campingplatz, auf dem zur selben Zeit auch all jene Urlaubsfreunde weilen würden, mit denen wir seit Jahren losen Mailkontakt unterhielten.

„Wir zelten“, entschied mein Mann kategorisch. Na gut, nicht ganz kategorisch, ein kleiner fragender Seitenblick für mich fiel schon ab. „Wir kaufen uns ein etwas größeres Tunnelzelt und dann geht’s los!“

Ich feixte. Nun habe ich per se nichts gegen das Zelten, haben wir schließlich jahrelang gemacht, aber frau wird ja nicht jünger und die Aussicht, fast drei Wochen lang auf einer Luft- statt auf bequemer Wohnwagenmatratze zu nächtigen, rief nicht gerade Begeisterungsstürme in mir hervor. Und außerdem:

„Kannst du mir verraten, wie du Zelt, Matratzen, Kissen, Decken, Stühle, Tisch, Küchenutensilien und so weiter in den Porsche bekommen willst?“, fragte ich mit – zugegeben – leicht süffisantem Unterton. Von solchen Kleinigkeiten wie Klamotten, Schuhen, Kulturtaschen und tausend anderen Dingen, die frau für einen annehmbaren Urlaub benötigt, ganz zu schweigen … Noch hielt ich es für einen Scherz. Der Porsche, gehätschelter Jugendtraum meines Mannes, immerhin schon gute 30 Jahre alt und damit stolzer Träger eines Oldtimer-Kennzeichens, hatte noch nie längere Strecken an einem Stück zurückgelegt als von Hannover bis an die Nordsee.

„Das geht schon!“, konstatierte mein Mann zuversichtlich.

Ja, vielleicht. Aber ohne mich. Schließlich gab es da, wo wir hinwollten, auch jede Menge Appartements und Mobilwohnheime und Bungalows. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich nicht …

Ich hängte mich an Telefon und Internet.

„Valalta?“ Die Dame von der Reiseagentur lachte. „Da hätten Sie im letzten Jahr anfragen müssen. Seit Monaten ausgebucht.“ Sie zog das „o“ genüsslich in die Länge. Na gut, suchte ich eben weiter. Nach acht Stunden verzweifelter – und vergeblicher – Recherche keimte in mir langsam so etwas wie weibliche Kompromissbereitschaft, den Zelturlaub betreffend. Aber – langer Rede kurzes Hemd – einige Tage und etliche Mails später hatte ich die Privatbuchung eines Mietwohnwagens unter Dach und Fach und eine Woche später starteten wir mit bis unters Dach beladenem Porsche in Richtung Süden. Das bereits bestellte und gelieferte Zelt hatten wir mit dem Segen des Lieferanten wieder zurückgeschickt und nun stellte sich nur noch die Frage, ob der frisch durchgecheckte Motor unseres kleinen Autos hielt, was uns der Mechaniker versprochen hatte.

Er hielt.

Und nun sitze ich hier. Der erste Urlaubstag: Strahlendblauer Himmel. 32 Grad im Schatten. Abkühlung im türkisfarbenen, glasklaren Wasser der Adria. Jetzt, am Abend, noch immer angenehme Temperaturen, ein Sonnenuntergang wie auf der Kitschpostkarte und ein Glas trockener Weißwein in Reichweite. Hach ja, wäre schön, wenn das die ganze Zeit so bliebe … Ob ich dann je wieder nach Hause zurückkehre? Die Entscheidung überlasse ich meinem Konto … und dem Porsche.