Gedichte
Der Brief

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"eine Abendstimmung"
Veröffentlicht am 10. September 2013, 6 Seiten
Kategorie Gedichte
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Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
eine Abendstimmung

Der Brief

Die Satellitenschüssel gegenüber
gleißt glühend rot im letzten Sonnenstrahl.
Die Schwalben schwirren irre wie im Fieber
und rempeln nie, ich staune jedesmal.
Das Nachbarskind brüllt, es will weiter spielen.
Auch Blumen wünschten sich noch viel mehr Tag.
Verpeilte Schnecken schnaufen auf den Stielen.
– Ich les das kalte „Danke“ vom Verlag.

 

Die Ameise, verirrt auf einem Steine,
hätt die Umgehung heute noch geschafft.
Ein Amselmann singt Jazz für seine Kleine,
improvisiert und jauchzt aus voller Kraft.
Das Motordröhnen eines jungen Wilden
behauptet, dieser Bengel sei hier wer.
Sein Sinn für Anstand wird sich schon noch bilden.
– Dein Bett steht nun seit hundert Tagen leer.

 



Millionen Mücken finden mich nicht lecker!
Zwei Elstern streiten laut um irgendwas.
Der erste Nachbar dreht an seinem Wecker.
Die Schüssel drüben ist nun wieder blaß,
der Große Bär beherrscht das Firmament.
Bei offnem Fenster übt die Oma Zither ...
zumindest so, daß man den Spaß erkennt.
– In Cocktails liebtest du Campari Bitter.

 

Ein Lichtstrahl streichelt sacht den Abend-himmel
und niemand denkt dabei an Flak und Krieg.
Die Jugend macht sich auf ins Clubgetümmel.
Betrunken grölt von fern der erste Freak,
was mich um diese Zeit nicht wirklich stört.
Doch Trinkern kann sehr schnell etwas geschehen,
ihr Leben ist auf einmal nichts mehr wert.
– Der Amtsarzt hat es gleichfalls so gesehen.



Im Keller knacken morsche Moderglieder:
Die Stunde naht, da man um Dächer kreist.
Ein alter Geist schnellt nicht mehr auf und nieder,
mit Fünfzig Plus versteht man, was das heißt.
Wie köstlich ist die Welt, wie sie nun schweigt.
Die Nacht verbirgt das Foto von uns beiden,
wie auch das Bild, das mich als Blaubart zeigt.
– Du mußtest nicht mal angemessen leiden.

 

Die Oma zählt die Schnecken in der Vase.
Ein Dackel keift und haut sich dann aufs Ohr.
Ich schnüffle an dem leeren Whiskyglase,
bereite meinen Geist auf morgen vor.
Den Zoff der Gören werd ich lässig schlichten;
der Arzt, die Bank, die Oma vis-à-vis:
Ich steck sie in die Tasche mit Geschichten.
– Der Lektor schreibt, mir fehle Fantasie.

 



© 2013 Brubeckfan


 

 

 

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Über den Autor

Brubeckfan
Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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Tetris Großes Kino, lieber Gerd!
Alles andere ist schon gesagt worden.
Gruß
Tetris
Vor ein paar Monaten - Antworten
Brubeckfan Dankeschön!!
Freue mich und verbeuge mich,
Gerd
Vor ein paar Monaten - Antworten
Tetris Huch, auch hier ;o)
Vor ein paar Monaten - Antworten
Brubeckfan ... Ich weiß schon, warum ich hier mitmache. Trotz mancher Sauregurkenzeit des Forums.
(Es ist wie auf Diskos. Lange leeres Parkett, aber wenn Einzelne anfangen, kommt plötzlich das ganze Rudel in Bewegung.)
Vor ein paar Monaten - Antworten
FLEURdelaCOEUR Lieber Gerd,
ich war auch vor langer Zeit schon hier, damals genauso begeistert wie jetzt. Aber seltsamerweise hatte ich es versäumt, dir ♥ und Bitcoins zu hinterlassen, was ich somit nachhole. Und jetzt lese ich deine feinen, leicht melancholisch angehauchten Verse gleich noch einmal! Wunderschön!
Beste Grüße
fleur
Vor ein paar Monaten - Antworten
Brubeckfan Liebe Fleur
treueste meiner Leserinnen, herzlichen Dank!
Am Text hab ich nichts geändert, nur das Satzbild, und den passenden Hintergrund gefunden. Den Cocktail vorn mit dem alarmierenden Rot trank ich übrigens mal selbst und er gab die nötige Inspiration.
Viele Grüße,
Gerd
Vor ein paar Monaten - Antworten
Enya2853 Lieber Gerd,

ich bin sehr angetan, das ist Poesie vom Feinsten. Inhaltlich wie formal gelungen.
Einfach gut, wie du Stimmung aus den allabendlichen Kleinigkeiten schaffst und dem jeweils am Ende diese persönliche Note verleihst.
Ein leichtes Augenzwinkern und Wehmut durchziehen den Text, sodass es beim Lesen etwas zum Klingen bringt. Zumindest ist das bei mir so.
Große Klasse.

Liebe Grüße
Enya
Vor ein paar Monaten - Antworten
Brubeckfan Liebe Enya,
ganz herzlichen Dank für alles.
Ich verneige mich,
mit vielen Grüßen,
Gerd
Vor ein paar Monaten - Antworten
sorrynocoffee 
Wow! Jambische Fünfheber findet man nicht allzu oft auf dieser Plattform. Hinter einem scheinbar biedermeierlichen Idyll verbirgt sich ein gescheiterter Poet. Das ist exzellent! Ich werde mir diesen Text bestimmt noch öfter zur Brust nehmen.

Grüßle,
sonoco
Vor ein paar Monaten - Antworten
Brubeckfan Ganz herzlichen Dank!
Erfreut, gerührt grüßt Dich
Gerd
Vor ein paar Monaten - Antworten
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