Der Wind umschließt unsere Körper. Er peitscht nicht, er ist nicht besonders stark, oder kalt, aber da. Er weht mir die Haare aus dem Gesicht und reißt seinen Mantel nach vorne.
Mein Herz rast und meine Hand zittert. Seine Hand zittert nicht. Ich weiß es, weil der Lauf ganz ruhig auf mich gerichtet ist und ich hineinblicken kann, wie in ein tiefes schwarzes Loch.
Meine Hand zittert und der Lauf zittert, mein ganzer Körper zittert, als würde die Erde unter mir beben. Mir ist kalt und heiß zu gleich. Mein Mund ist trocken und mein Schweiß tropft auf den dunklen Waldboden.
Ein Vogel kreischt über uns. Dicke Wolken und braune Blätter verdecken das Sonnenlicht und tauchen uns in ein dämmriges Licht.
Ich steh hier wegen dir und ich stehe hier für dich.
Er weiß nicht, dass du mich liebst, vielleicht weiß er es auch, aber will es nicht sehen. Vielleicht hat er sich eingeredet, dass ich es war, nur ich. Wahrscheinlich hat er das. Für die Wahrheit ist er viel zu blind. Dafür sieht er viel zu entschlossen aus. Denn wenn er dich liebt, denke ich, will er doch das beste für dich. Wenn er nicht blind wäre wüsste er, dass das hier nicht das beste ist. Aber er ist blind und daher weiß er das nicht. Sein eigener Zorn blendet ihn und seine eigene Verzweiflung treibt ihn zu Taten, die ich nicht zu tun bereit bin. Oder doch? Kann ich es? Kann ich es tun nur für dich?
Ich bin nicht blind.
Ich weiß, dass du mich liebst und nicht ihn. Ich weiß, dass ich gewonnen habe und ich weiß, dass es noch ein gefährlicher Sprint bis zum Ziel ist. Ich weiß, was du willst, aber er weiß es nicht.
Meine Hand zittert immer noch und mein Herz setzt zu einem neuen Schlag an.
Alles geschieht gleichzeitig. Mein Herz entspannt sich. Ich höre das Rauschen von Blut und das Schlagen meines Herzens.
Er drückt ab. Ein Knall zerreißt die Stille und mein Finger zuckt. Vögel schrecken auf und fliegen mit empörten Geschrei davon.
Ein Hase schießt aus dem Unterholz. Er springt wie in Zeitlupe, genauso langsam wie die Kugel. Die immer weiter auf mich zukommt und doch in der Luft zu stehen scheint. Ich sehe den Lichtreflex auf der eisernen Oberfläche und der scharfe Geruch von Schwarzpulver steigt mir in die Nase.
Die Kugel dreht sich in der Luft und meine Lungen füllen sich erschrocken mit Luft. Kurz zuckt mein Blick zu meiner eigenen Kugel, sie schlägt weit vor ihm in den Boden ein.
Dreck verteilt sich in alle Himmelsrichtungen und die Sonne bricht hinter den Wolken hervor.
Mein Herz zieht sich zusammen und drückt Blut in meine Adern, das nächste Schlagen ertönt und ein erschrockenes Geräusch kommt über meine Lippen, als die Kugel in meine Brust dringt.
Schmerz schießt durch meinen Körper und rotes Blut ergießt sich über den Waldboden.
Langsam gehe ich zu Boden. Und erst während ich falle wird mir klar, dass ich verloren habe und er gewonnen hat. Mir wird klar, dass ich dich nicht beschützen und nicht retten konnte, obwohl ich es dir versprochen habe. Obwohl ich es dir in so vielen Nächten versprochen habe. Obwohl ich geschworen und deine Hand gehalten habe. Obwohl ich es versucht habe.
Tränen mischen sich mit dem Dreck in meinem Gesicht und ich sehe dein Gesicht vor mir. Ich sehe es haargenau. Ich sehe, wie dein voller Mund sich traurig verzieht und wie sich eine steile Falte über deiner geraden Nase bildet. Ich sehe, dass deine Wangen gerötet und deine dichten Wimpern von Tränen verklebt sind. Du siehst mich vorwurfsvoll an und du siehst mich wütend an. Du siehst mich bedauernd an und traurig, aber du lächelst nicht.
Dabei sehne ich mich nach nichts mehr, als nach deinem Lächeln. Jetzt, hier, wo ich auf dem Waldboden aufschlage und die Luft mir aus dem Körper gepresst wird. Jetzt, hier, wo ich ihn mit verschwommenem Blick davon gehen sehe und mein Herz verzweifelt versucht mich zu retten, aber dabei nur immer mehr Blut aus meiner Wunde pumpt.
Mit jeder Millisekunde stirbt ein Teil von mir und ich weiß, dass mit jedem Teil von mir, auch einer von dir stirbt.