Kurzgeschichte
Der Duft von Marrakesch

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"Der Duft von Marrakesch"
Veröffentlicht am 04. August 2008, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich denke positiv, in leisen Tönen.
Der Duft von Marrakesch

Der Duft von Marrakesch

Beschreibung

Der Orient, schwärme von seinen Düften, in Marrakesch findest du sie.

… Allahu akbar … Allah ist groß … Die Stimme des Rufers durchbrach die Abenddämmerung in Marrakesch. Der Ruf breitete sich von der Freitagsmoschee über die Häuser, den engen Gassen, über den Suk und den Gauklermarkt aus. Allahu akbar … Allah ist groß …
 

Ich höre den Ruf, träume dabei von Ali Baba und Hodscha Nasredin. Die sinkende Sonne malt den Himmel blutrot und ich bummele durch Marrakesch.
 

Ein Duft umschmeichelte unerwartet meine Nase, ein Duft den ich letztens in der Provence wahrgenommen hatte.  War es Romarin? Oder? Ich schnupperte, folgte dem Wohlgeruch, ließ mich den Suk entlang treiben und schlängelte mich durch die Menschenmenge von Laden zu Laden von Stand zu Stand.
 

»Kaufen Sie, Fremder, kaufen Sie. Schauen Sie hier, das feine Leder, die Naturfarben. Kaufen Sie, kaufen Sie«, schrillten die Händler in mein Ohr.
 

Ich achtete nicht darauf und folgte dem würzigen Atem. Kurz hinter dem Suk begannen die engen Gassen mit den hohen Mauern, hinter der sich die Häuser duckten und ihre Schönheit verbargen. Sie zeigten nicht jeden Dahergelaufenen, wie reich sie bemalt, wie pittoresk die Innenhöfe mit ihren Mosaiken und blauen Kacheln sind.
 

Der Duft lockte mich zurück in den Suk. Suchend drängte ich mich durch Menschentrauben, lief weiter und stand nach fünf Schritten vor dem Geschäft des Gewürzhändlers und roch den Orient. Ich blieb stehen, versenkte mich in den Anblick der Farben mit allen Schattierungen von Gelb und Rot. Gewürze, die ich kannte und welche, die mir fremd waren und blieben. In der ersten Reihe des magischen Ladens standen große schwere Säcke. Ich sog die aromatische Luft ein. In einem dicken Sack leuchtete mir Kurkuma gelb entgegen, daneben der feine schwarze und weiße Pfeffer und der pikant scharfe Ingwer. Nirgendwo sah ich meinen geliebten Romarin. In diesem Augenblick der Enttäuschung fing meine Nase einen hinreißend süßlichen Duft ein.
 

Rosen! An der linken Seite entdeckte ich einen großen Korb dieser wundervollen marokkanischen rosa Rosen. Ich sah in meiner Fantasie die Rosenfelder vor mir, die zarten Hände, die die Köpfe der Blumen pflückten, sich wie Dornröschen an den Dornen stachen. Im Korb lagen sie getrocknet, federleicht und fast gewichtslos. Sie inspirierten mich und ich wünschte mir, ein Rosendessert essen zu können: feines Roseneis mit Feigensauce, einer Speise der Festtafel aus Tausend-und-einer-Nacht würdig. Hinten in der rechten Ecke lagen Muskatnüsse mit ihren etwas strengerem Geschmack und daneben Kreuzkümmel. Kreuzkümmel, ein Gewürz für das Fleisch in den köstlichen Tajinen, genau wie der Koriander. Und dort … Ich könnte mich fast verneigen … Safran! Die Fäden aus dem Krokusgewächs, teuer und kostbar, nicht wegzudenken aus der marokkanischen Küche. Wer sich dieses Gewürz nicht leisten kann, muss sich leider mit Kurkuma behelfen und verpasst die Komposition einer Speise mit diesem Kleinod aus einer lila Blüte.
 

Safran! Das Wort klingt wie ein romantisches Gedicht, vorgetragen am Hofe des Kalifen. Die Fäden der Blüte werden im Morgengrauen mit der Hand sacht gepflückt, bevor die Sonne mit ihrem heißen Atem das Land verbrennt. Sie werden ausgebreitet und langsam getrocknet, dann erst in Gläschen verpackt und hier im Suk verkauft.
 

Ich stand noch immer am Eingang des Gewürzladens und bewegte mich langsam in den Innenraum. Kistenweise lagen kleine Paprikaschoten, rot und feurig, zum Verkauf bereit.
 

Der Händler blinzelte mich an und sein Redefluss lullte mich ein: »Reisender, hast du schon meinen Zimt gerochen. Er kommt aus den besten Ernteregionen. Hier habe ich Korianderkraut, frisch und zart. Es jagt die Fliegen davon und kitzelt beim Essen deinen Gaumen. Kauf bei mir und wir besiegeln unser Übereinkommen mit einer Tasse Pfefferminztee. Wonach begehrt dein Herz Reisender?«
 

Unwiderstehlich zog es mich zu den getrockneten Rosen. Sie erregten meine Sinne. Ich fasste in den Blütenkorb, nahm mit der rechten Hand Rosenblätter heraus und presste sie an meine Nase. Ihr Duft, leicht nach Honig riechend, betörte mich und ließ mich leichtsinnig werden: »Füll mir eine Tüte mit diesen Rosenblüten.«
 

»Gern mache ich das. 56 Dirham, bei Allah. Nur für dich, weil ich an  deinem Gesicht sehe, dass du Qualität zu schätzen weißt.«
 

»Was höre ich für einen Preis? Du beleidigst mich damit und deutest an, dass ich mich leicht übers Ohr hauen lassen würde. Ich biete dir 43 Dirham«
 

»43 Dirham? Reisender, ich sehe, du bist ein Kenner, was sagst du zu 46 Dirham?«
 

»Was soll ich dazu sagen? Ich glaube, du meinst, dass ich einer von diesen dummen weißen Touristen bin. Ich nehme diese Tüte für 44 Dirham.«
 

» 44? Glaubst du, dass ich die Rosen für umsonst verkaufen könnte? Meine Kosten sind sehr viel höher und sieh die Qualität, aber weil du es bist, gebe ich sie dir für 45.«
 

»Okay, einigen wir uns auf 45 Dirham.«
 

»Insha alla, damit können wir beide leben. Schön mit dir Geschäfte gemacht zu haben, Reisender. Du bist ein harter Verhandlungspartner. Lass uns Tee miteinander trinken. Ahlan wasahlan«
 

»Gern«, erwiderte ich etwas abwesend, schon wieder an den Romarin denkend.
 

Der Händler stellte die kleinen Teegläser auf den Tisch,  holte eine alte Kanne, die schon viele orientalische Teezeremonien gesehen haben dürfte, und goss den Tee in das Glas und wieder zurück, wiederholte dies einige Male, dann gab er mir von diesem aromatischen Pfefferminztee. Ich steckte meine Nase in das Glas und roch die Blume des kräftigen Tees. Köstlich. Er erinnerte mich an die satten grünen Oasen mitten in den roten Wüsten. Gemächlich tranken wir unsere Gläser aus. Ich verbeugte mich zum Abschied und wünschte dem Händler, dass Allah ihn weiter begünstigen möge.
 

Meine Schritte lenkte ich zurück zum Gauklerplatz. Menschen in Grüppchen erfreuten sich an den Akrobaten und den Geschichtenerzählern. Die Mitte des Platzes war den Holzkohlefeuern vorbehalten. Ein Geruch, streng nach Hammel vermischt mit dem Bukett des Korianders, stieg in einer Rauchwolke zum Abendhimmel empor. Mich zog es in ein angrenzendes Lokal und ich setzte mich in einen Korbstuhl, der mir den Blick auf den Gauklerplatz erlaubte.
 

»Reisender, was darf ich dir bringen?« 
 

»Eine Hammeltajine, bitteschön.«  Nach kurzer Zeit stand die Tajine; ein brauner Keramikteller mit einer schlicht bemalten, spitz zulaufenden Kuppel als Deckel, vor mir auf dem Tisch. Eine Schüssel mit lockerem, Zimt bestreutem, Couscous wurde dazugestellt. Ich hob den Deckel und ein Duft hüllte mich ein, ein Duft von Hammel, frischem Koriander, Kreuzkümmel und scharfem Paprika. Die Speise war kurkumagelb und der Wohlgeruch des Zimtes vereinte sich in meiner Nase mit den Gewürzen der Tajine. Meine Geschmackssknospen sangen ein Halleluja beim Genießen dieser Delikatesse.
 

Auf dem Platz buhlten Schlangenbeschwörer mit ihren sich windenden Tieren um die Gunst der Zuschauer. Daneben stand ein Mann, der auf einer Decke seine Naturapotheke ausgebreitet hatte. Ich hörte, wie er eine Tüte Schwarzkümmel anpries: »Haben Sie Magenprobleme oder Schnupfen? Bei Magenschmerzen brühen Sie einen Tee mit diesen Schwarzkümmelkörnern. Sie werden merken, dass Ihre Magenschmerzen auf immer verschwinden. Und was machen Sie, wenn Sie Schnupfen haben? Sie nehmen ein paar Körnchen des Schwarzkümmels und legen sie in ein Taschentuch. Drehen Sie damit die Körnchen wie eine Kugel zusammen, reiben Sie diese zwischen den Händen. Riechen Sie daran und ihr Schnupfen ist wie weggepustet. Allah ist groß.«
 

Ich musste lächeln. Der Naturapotheker war geschäftstüchtig, aber vielleicht half der Duft des Schwarzkümmels wirklich gegen eine verstopfte Nase.
 

Nach dem würzigen Mahl ließ ich mich wieder auf dem Gauklermarkt mit den Menschenmassen treiben. Ich wollte endlich meinen Romarin finden.
 

An einem Stand kaufte ich ein Tütchen Mandeln, die ich knabbern konnte. Mandeln! Sie schmeckten nussig und mild und zauberten die Erinnerung an die rosaweißen Blüten des Mandelbaumes vor mein inneres Auge. Über mir war der Himmel pechschwarz, Sterne funkelten. Die Fackeln und Lampen hüllten den Gauklermarkt in eine Lichtglocke.
 

Ich war weiterhin auf der Suche nach meinem würzigen Nadelkraut, dem Romarin. Die Aromaspur war gelegt, nur verlief ich mich immer wieder in den winkligen Gässchen des Marktes, bis ich es aufgab und ein kleines Hotel aufsuchte, wo ich meine müden Glieder niederstrecken wollte. Ich stieg die Treppe hinauf, öffnete die Tür meines Zimmers. Auf der Schwelle verharrte ich still, lächelte leise und glücklich, schnupperte mit sanft aufgeblähten Nasenflügeln. Da war er, der ganz bestimmte Duft. Ich knipste das Licht an und lief ehrfürchtig in der Mitte des Raumes. Vor mir auf dem Tisch in einer kleinen Vase stand er: saftig grüne Nadeln, kleine, zarte, blassblaue Blütenblättchen und ein Geruch, lieblicher als das Ambrosia der griechischen Götter auf dem Olymp je sein könnte. Glücklich warf ich mich in mein Bett und der Romarin wiegte mich in den Schlaf und begleitete mich in meine Träume.
 

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Ich denke positiv, in leisen Tönen.

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Nera200 toll - wirklich toll geschrieben
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MarianneK Der ... - Eine wunderschöne Reise durch den Orient und ich liebe den Geruch der Gewürze, denn ich koche selber sehr viel mit ihnen. Da mein Sohn selber arabisch kocht, kenne ich den herrlichen Geruch dieser Gewürze und vor allem trinke ich leidenschaftlich gerne den Nanaminztee.
Danke für diese Duftreise.

Liebe Grüße Marianne

Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Rosmarin - Danke für den für alle Sinne bethörende Bummel durch den Suk..
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Susan Re: Marrakesch -
Zitat: (Original von Christina_Maverik am 04.08.2008 - 09:51 Uhr) ..ich kam mir vor, als wäre ich dabei gewesen und hätte selbst die Gerüche wahr genommen ;-) Sehr gut beschrieben.

Recht vielen Dank Christina. Das genau wollte ich erreichen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben. In Marrakesch im Suk hat es natürlich nicht so gut gerochen. Beim Gewürzhändler aber schon.
LG
Vor langer Zeit - Antworten
Christina_Maverik Marrakesch - ..ich kam mir vor, als wäre ich dabei gewesen und hätte selbst die Gerüche wahr genommen ;-) Sehr gut beschrieben.
Vor langer Zeit - Antworten
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