Die Sonne malte mit ihrem Zauberstab schillernde Flecken auf die
großen Blätter der alten Urwaldbäume des Regenwaldes. Hier lebte
seit Urzeiten der Stamm der „Unsichtbaren“, wie sie sich selbst
nannten mit sich selbst und der Natur im Einklang.
Doch eines Tages hörten sie unerträglichen Lärm vom „Rand der
Welt“, wie sie die Erde außerhalb ihres Gebietes nannten. Riesige
Maschinen fällten ihre alten Bäume, die mit Ächzen dem Druck der
Maschinen nachgaben und sofort in
Stücke zersägt wurden. Selbst die
Steine wurden unter dem Druck der
schweren Maschinen zu Staub zermahlen.
Eine kahle Ebene, war alles, was diese Riesenmaschinen
hinterließen und der Fluss, der einst das grüne Tal durchschnitt,
war nicht mehr da. Statt dessen versperrte ihm eine riesige Mauer den
Weg.
Harry, ein bekannter Bauingenieur, der Staudämme baute und
bereits in Sibirien einen
Staudamm projektiert hatte und auch hier leitender Ingenieur war,
lud
eines Tages seine Frau Isabel und seine zwei Kinder zu einem
Spaziergang am Rande des Regenwaldes, wo das Baugebiet endete, ein.
Er selbst hatte seine Kindheit
in den engen Häuserschluchten einer deutschen Großstadt verbracht
und viel zu wenig von der Natur gesehen. Nun wollte er seinen Kindern
doch einmal die etwas andere Natur des Regenwaldes zeigen. Hier
schien es immer nur Sommer zu geben und das faszinierte ihn,
wenngleich ihm auch die dritte Jahreszeit
in Deutschland mit ihrem
bunten Herbstlaub schon
immer sehr gefallen hatte.
Er zeigte ihnen die bunten Frösche und
die großen Früchte, die in den Bäumen hingen und spielte mit ihnen
Verstecken. Dabei gebrauchte er den alten Abzählreim: „Ene
mene Muh und raus bist Du.“
Nun wurde er selbst zum Sucher und rief: „Eins zwei drei vier
Eckstein, alles muss versteckt sein..“
Die Kinder hatten sich schnell hinter den dicken Bäumen versteckt
und Harry begann zu suchen. Dabei geriet er immer weiter in den Wald
und merkte gar nicht, dass er sich schon
zu weit vom Waldrand
entfernt hatte. Plötzlich öffnete sich das dichte Buschwerk und er
sah einen kleinen plätschernden Fluss, der sich in Kaskaden in einen
kleinen See ergoss und, er traute seinen Augen nicht, dort planschten
Eingeborene völlig unbekleidet und ohne jede Verlegenheit
im Wasser und schienen viel Vergnügen dabei zu haben. Es waren junge
braungebrannte Frauen und auch einige Männer.
Harry rieb sich die die Augen. Er glaubte einer Sinnestäuschung
aufgesessen zu sein, denn diese Naturschönheiten waren doch so
ganz
anders, als die jungen Frauen in den Stadt, die mit High
Heels einher stöckelten und sich super fanden.
Die jungen Wilden, die Harry bemerkt hatten, hatten sich leise von
hinten herangeschlichen und plötzlich verspürte er einen Schlag auf
den Kopf. Dann verlor Harry das Bewusstsein.
Als er wieder erwachte, lag er in einer Hängematte, aus Lianen
geflochten, und eine junge Frau beugte sich über ihn. Sie sprach
zu
ihm in einer Sprache, die er nicht verstand, aber ihre Gesten
verrieten ihm, was sie von ihm wollte. Sie deutete erst auf ihren
Mund und dann auf ihren Bauch und Harry verstand. Sie fragte ihn, ob
er zu essen wolle. Aber nach Essen war ihm so ganz und gar nicht
zumute. Er versuchte sich zu erinnern, aber nicht einmal sein Name
fiel ihm ein.
Dann zeigte die junge Frau wieder auf sich und sagte: „Kachira.“
Nun, was sollte er antworten. Er zermarterte sich das Gehirn, aber es
fiel ihm nicht ein. Darum sagte er, auf
sich deutend: „Tommee!“
Kachira wiederholte seinen Namen und der Klang ihrer Stimme
betörte ihn. Jetzt erst schaute er sie genauer an und bemerkte ihre
natürliche Schönheit, die ganz ohne Schminke auskam. Ihre dunklen
mandelförmigen Augen hatten einen ganz eigenen Glanz und ihre Haut
schimmerte in einem goldbraunen Ton, dass ihm ganz anders ums Herz
wurde, als hätte ein Zauberstab
es berührt. Ihr langes, glänzendes, schwarzes Haar floss über ihre
Schultern und verdeckte halb ihre nackten Brüste.
In der Zwischenzeit war es seiner Frau und den Kindern
aufgefallen, dass Harry nicht zurückkam. Sie begannen ihn zu suchen,
aber vergeblich. Sie rief die Polizei, doch auch die kehrte
unverrichteter Dinge aus dem dichten Urwald zurück: „Tja, da
können wir nichts machen. Wer sich im Dschungel verirrt, ist meist
verloren. Die Indianer...Sie verstehen?“
Isabel trat der Angstschweiß
auf die Stirn. Was würde nun werden? Wenn Harry als Verdiener
ausfiel, dann würde sie sich einen Job suchen müssen, um sich und
die Kinder durchzubringen. Schlimm war
nur, dass sie nicht wusste, ob
Harry noch lebte oder schon tot war und bei den Behörden würde er
sowieso nur eine Karteileiche werden.
So verging die Zeit und der Staudamm war fertig gestellt.
Harry hatte inzwischen die Sprache der Eingeborenen erlernt und
war einer der ihren geworden. Mit Kachira verbrachte er die schönste
Zeit seines Lebens, wie er meinte. Durch sie erfuhr er aber auch, wie
viel Urwald gerodet wurde und wie die Weißen sich immer weiter
ausbreiteten, indem sie den Indianern ihre angestammten
Gebiete
einfach wegnahmen.
Sie erzählte ihm von der Mauer, hinter der der große Fluss
verschwunden war und plötzlich erinnerte sich Harry wieder wer er
war und dass er eigentlich schuld war, dass man den Indios ihr Land
nahm.
Er musste etwas dagegen tun, sonst würde er sich in ewiger
Verdammnis fühlen. Eines nachts
schlich er deshalb zum Staudamm. Die Schlüssel zu den
Wirtschaftsgebäuden hatte er als leitender Bauingenieur noch in
seiner Tasche gefunden. Er wusste auch,
wo sich Sprengstoff und
Zubehör befanden. Er würde nicht zulassen, dass man den Indios auch
noch das letzte Stückchen Regenwald wegnahm, war das Letzte, was er
dachte.