Romane & Erzählungen
Du stiller, grüner Wald

Du stiller, grüner Wald

 

 Es ist ein guter Platz!

Kerzengerade stehen die alten Bäume rund um mich. Sie nehmen mich freundlich auf, schenken mir Schatten und ihren würzigen Duft nach Harz und Tannenreisig. Einige geschlägerte Baumstämme liegen übereinander geschichtet am Rande der Lichtung und bieten mir Platz zum Ausruhen.

Still ist es. Nur Vogelgezwitscher ist zu hören und in der Ferne murmelt ein Bach. Die Ruhe, die fast majestätische Stille umfängt mich wohltuend und erlaubt mir, mich ganz dem friedvollen Augenblick hinzugeben. Dankbar schließe ich für einen Moment die Augen und wende mein Gesicht der Sonne entgegen. Ihre Strahlen kosen wärmend meine Wangen.

Über meine Hand krabbelt ein winziges Käferlein und  zu meinen Füßen zieht eine Karawane von Waldameisen. Sie sind emsig damit beschäftigt,  Baumaterial heimzuschleppen. Dort, in dem großen Ameisenhaufen herrscht aufgeregtes Gewurle, das Durcheinander und scheinbar planlose Hin und und Her der Tierchen gleicht einem Chaos .....  und doch ist dieser mächtige Hügel ein perfekt funktionierender  Staat.

Mein Blick folgt diesen fleißigen Krabblern  und bleibt an einem Seidelbaststämmchen hängen. Ich liebe diese seltene, unter Naturschutz stehende Blume. In ihrem leuchtendem Lila steht sie inmitten eines Fleckchens Waldklee. Auch den Waldklee mag ich. Seine zarten grünen Blätter haben einen fein säuerlichen Geschmack. Als wir Kinder waren, haben wir sie gerne gegen den Durst gekaut. Wir waren oft im Wald, sei es beim Holzsammeln in der Nachkriegszeit, später beim Beerenpflücken oder Pilzesammeln, oder auch nur beim Wandern. 

Als Jugendliche, nein, schon als Schulmädchen, war mein Lieblingsplatz ein Tisch und eine Bank im Buchenwald. Dorthin zog ich mich gerne zurück, wenn ich allein sein wollte, um zu lesen oder zu träumen. Dort hanbe ich mir die fantastischsten Szenarien meiner Zukunft ausgemalt,. habe von Liebe und einer großen Kinderschar geträumt. 

Später, wenn ich traurig war oder Probleme hatte, war es wieder der Wald, der mich neue Kraft und Hoffnung tanken ließ, wo ich Frieden und Zuversicht fand. Der grüne Dom war mir stets ein Zufluchtsort und ein Ort, zu mir selbst zu kommen, meine Mitte wieder zu finden.

 

Ein leiser Windhauch, ich spür ihn kaum, bewegt die kleinen grünen Zweiglein an den mächtigen Ästen.  Es ist, als würden mir die Bäume zunicken, mir zuzwinkern: „Bist  ein gern gesehener Gast, bist Teil der Schöpfung wie wir, Teil vom großen Ganzen.“

Ein Lächeln huscht über mein Gesicht, ein warmes, glückliches Lächeln, und ein leises Danke steigt tief in meiner Seele auf.

Wie lieb ich dich, du stiller, grüner Wald!