Journalismus & Glosse
Ich hab's nicht gesehen!

Ja, es ist tatsächlich wahr! Ich hab es nicht gesehen, das Duell.

Dabei hatte ich mir doch vorgenommen, die Argumente zu prüfen, sie auseinanderzunehmen wie ein altes Auto, auf der Suche nach Brauchbarem.

Und ich wollte meine Zunge wetzen, an Geschwätz, das der Sache nicht dient, das die  Feigheit unpopuläres auszusprechen offenbart und sich in Schuldzuweisungen, die Vergangenheit betreffend, erschöpft, die Zukunft aber im nebulösen „weiter so“ verschleiert.

Ganz besonders habe ich mich schon auf meine schlagfertigen Fragen und Antworten gefreut, die ich den beiden Duellanten entgegenschmettern würde, gewürzt mit hochintelligenter Ironie, etwas Zynismus vielleicht und schneidendem Sarkasmus.

Doch dann tat ich etwas ganz anderes. Etwas, das ich mir selbst nicht erklären kann.

Ich schaltete einen ganz anderen Sender ein als gewöhnlich, Sonntag nach acht.

Nun ja, gewöhnlich kommt ja auch, Sonntag nach der Tagesschau, der Tatort oder Polizeiruf 110. War es der Bruch mit der Gewohnheit, der uns Deutschen ja allgemein unsympathisch ist, der mich animierte lieber einen zweiteiligen Schmachtfetzen über Katharina die Große anzuschauen, oder doch eher der bohrende Gedanke, der mir schon Tage das Hirn marterte? 

Duell! Allein dieses Wort! Einer gewinnt, der Andere verliert, im konsequentesten Fall, das  Leben. Danach gibt es nur noch einen! Warum dann noch ewige Diskussionen, Spin Doctors (wobei ich nicht mal weiß, ob mit Spin die Drehung, eine durchaus übliche Praxis in der Politik, oder eher das muttersprachliche Spinnen, im Sinne von Visionen, gemeint ist) Umfragen und so weiter?

Facebook und Twitter waren sicher auch dabei. Wir wollen ja unsere amerikanischen Freunde nicht im Unklaren lassen, wie sich das Volk der Dichter und Denker die perfekte Welt vorstellt.

Duell! Einer tot, der Andere lebendig! Da können dann, rein biologisch, nicht beide weitermachen! Oder eben, eins zu null, zwei zu eins, was weiß ich denn. Einer K. O., der Andere jubelt, oder auch Sieg nach Punkten! Aber - nur Einer kommt weiter!

Wieso also Duell, wenn doch beide weitermachen wie bisher? Das war der bohrende Gedanke!  Und warum diese Beiden? Das war der sich anschließende, folgerichtige Gedanke, nicht weniger bohrend!

Gibt es nur die? Gibt es nur CDU und SPD? Gibt es nur Parteien und deren Fraktionen, die Politik bestimmen, ja diese sogar machen?

Sicher wäre ein „Duell“ Merkel – Gysi, oder auch Steinbrück – Gysi interessanter gewesen. Sicher hätte man in solchem Fall eher von knock out oder Sieg nach Punkten reden können. Aber weitergemacht hätten trotzdem alle! Und jede, der durch die „Gladiatoren“ vertretenen Parteien hätte den Sieg ihres Titanen, als untrüglichen Beweis dafür gebraucht, dass sie allein den Stein der Weisen besäße. Oder, im Falle der Niederlage, behauptet, ihr Recke sei nicht die Partei! Ganz im Sinne Napoleons, der einst feststellte: „Der Sieg hat viele Väter, die Niederlage dagegen nur einen!“

Aber auch ein solches „Duell“ implizierte letztendlich, Parteien und nur Parteien (mit ihren Listen, Fraktionen, Fraktionsvorsitzenden und dem Fraktionszwang) machen Politik! 

Tja, soweit war ich also mit meinen Gedanken, schon bevor die Tagesschau begann.

Und dann fiel mir auch noch der Inhalt des Artikel 21 des Grundgesetzes ein, der sagt:
„Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit …“

Also, „… mit …“! Mehr nicht! Aber auch nicht weniger!

Die müssten also mit mir, respektive Ihnen, diskutieren, nicht mit- oder gegeneinander!

Die Merkel, der Steinbrück oder meinetwegen der Gysi müssten auf meine, respektive Ihre, schlagfertigen Fragen und Antworten, vielleicht gewürzt mit hochintelligenter Ironie, etwas Zynismus und schneidendem Sarkasmus, antworten, reagieren! Dazu gehört aber auch, sonst ist es keine Diskussion, zuzuhören, schlagende Argumente anzuerkennen und folglich die eigene Position zu ändern, beziehungsweise Argumente zu entkräften und so meine, respektive Ihre, Position zu beeinflussen.

Tun sie aber nicht! Tut keiner, keine Partei und auch kein „Duellant“.

Ich, respektive Sie, sollen sich für den mehr oder weniger geistigen Erguss (oder auch Eisprung) des Einen oder der Anderen entscheiden. Ohne Diskussion!

Wir, also das Volk, waren vertreten durch die bestbezahlten Journalisten der Republik und einen … ich weiß nicht was …! Doch deren schlagfertige Fragen und Antworten, vielleicht gewürzt mit hochintelligenter Ironie, etwas Zynismus und schneidendem Sarkasmus, würden sicher sehr hypothetisch sein, also eher so wie wenn ein Sarazin über Langzeitarbeitslose schwadroniert oder ein Westerwelle über die spätrömische Dekadenz eben jener.

Als Schüler nannten wir solche Lehrer, bei denen es hieß, - „Ohne Diskussion!“ -, Pauker!

So tat ich, was ich schon in der Schule gern tat, wenn wieder eine Stunde bei einem Pauker begann. Ich ließ mich rauswerfen, oder ging mit fadenscheiniger Entschuldigung.

Ja, wer würde sie denn hören, meine schlagfertigen Fragen und Antworten, vielleicht gewürzt mit hochintelligenter Ironie, etwas Zynismus und schneidendem Sarkasmus?

Wer würde mir Beifall zollen? Mein Kater? Den regiert niemand! Der ist wirklich ein freies, unerhört selbstbestimmtes Wesen! Na, vielleicht werd ich im nächsten Leben … bestimmt … ganz sicher!

Kurz und gut! Ich ging also. Zu Katharina der Großen! Ja, ein Schmachtfetzen über weite Teile, aber auch lehrreich! Diskussion erlaubt!

Wird je so einen Film über die Merkel oder den Steinbrück gedreht werden?

Nein! Völlig ausgeschlossen! Beide wollen ja auch keine absolutistischen Herrscher sein. Und das sollen sie ja auch nicht. Nein, sie wollen Pauker sein! Pauker, die uns erzählen, dass zum Beispiel in „ihrem“ Deutschland eine Frau mit Migrationshintergrund sich integriert, die Sprache lernt, die Sitten hinterfragt und achtet, dem Volk auf’s Maul schaut und ihm ihre Meinung sagt, sich Verbündete sucht, denen sie vertraut und die sie stärker machen. Und diese Frau mit Migrationshintergrund könnte alles werden, sogar das höchste Amt erringen, und würde vom Volk, ungeachtet ihrer Herkunft, geliebt, noch über hunderte Jahre, weil sie soviel für Volk und Land, ihr Land tat.

Ist natürlich ein Märchen, zumindest Deutschland betreffend!

Und die kleine Sophie musste auch erst auswandern, Katjusha und später Katharina werden, um ihre, in ihrer Zeit fortschrittlichen, Visionen umzusetzen. Aber dafür wird sie heute noch geehrt und geliebt, für die energische Umsetzung ihrer Visionen, bei der sie das Volk mitnahm, unterstützt von Verbündeten, auf die sie sich und das Volk verlassen konnte. 

Ja! An den Film werd’ ich mich erinnern, am zweiundzwanzigsten September, wenn ich die Wahlscheine vor mir sehe. Auf wen kann ich mich verlassen? Wer wird mich nicht hintergehen? Bei der Erststimme hab ich kein Problem! Da steht ja ein Name! Den kann ich beobachten, zur Rede stellen. Aber die Zweitstimme! Eine Partei! Ein Listenmensch ohne Namen, unterworfen seiner Fraktion, seinem Fraktionsvorsitzenden, verliebt in einen Erfolg versprechenden Listenplatz?

Nein! Ich werde sie alle ankreuzen, die Parteien! Und dieses Kreuz sollen sie dann tragen!

Das Kreuz der politischen Willensbildung des Volkes!

Vielleicht stehen dann eines Tages nur noch Namen auf den Wahlscheinen und die ersten zwei dieser Wahl erhalten das Mandat, weil das Volk sich auf sie verlassen kann? 

Ich hab schon das richtige Programm gesehen, Sonntag nach der Tagesschau!

PeKa